Gerte als Hilfe akzeptieren - Wie....

Alles was ihr vom Boden aus mit Eurem Pferd machen könnt

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lancia
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Gerte als Hilfe akzeptieren - Wie....

Beitrag von lancia »

...das Pferd davon überzeugen?

Ich habe im Moment ein Pferd zur Verfügung, das ein kleines Problem mit der Gerte hat. Pablo reagiert sehr extrem, wenn man seine Beine mit der Gerte touchiert.
Er stampft schon auf den Boden wenn man nur mit der Gerte auf die Beine zeigt und wird sau schnell nervös wenn man sie bei der Handarbeit einsetzt.

Beim Reiten reagiert er willig auf die Gerte und tritt vorwärts, kommentiert es zwar jedesmal mit Schweifschlagen, aber er bleibt ruhig.
Abstreichen mit der Gerte von Hinterbein bis Ohren ist kein Problem und er bleibt frei dabei stehen.

Ich habe erst probiert ihm das geschlossene Stehen der Hinterbeine zu zeigen mit der Gerte, da es bei meiner dieses Problem ein Stück weit gelöst hat. Tja, er hats so schnell verstanden, dass ich nur mit der Gerte drauf zeigen muss und er stellt das Bein korrekt hin.

Berühre ich zB beim Longenkurs beim Übertreten sein Hinterbein am Röhrbein (ich lege die Gerte wirklich nur an) dann reagiert er mit einem sehr kurzen Schritt oder schlägt sogar nach der Gerte.
Auch DOB hat beim letzten Kurs beim anpiaffieren vom Boden aus bei ihm gesagt, dass das größte Problem ist, dass er die Gerte nicht als Hilfe annimmt sondern sich nur wehrt.

Im Moment gehe ich vorsichtig mit der Gerte um, versuche aber sie zu etwas Alltäglichen zu machen. Gibts vielleicht ein paar schöne, ruhige Übungen, die man mit der Gerte machen kann, damit er versteht, dass ihm nichts böses passiert?
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
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Melli
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Beitrag von Melli »

Abstreichübungen machst du ja schon, ich gehe davon aus, dass die auch mit dem frei stehenden Pferd durchgeführt werden, überall am Körper, vom Kopf bis zwischen die Hinterbeine un bis zu den Hufen und dass das Pferd dabei innerlich losgelassen steht und nicht nur stillsteht, aber innerlich doch noch besorgt ist.
Das ist für mich in jedem Fall Grundvoraussetzung.

Ich würde dann mit dem "kleinen Einmaleins" nochmal anfangen und zwar mit Führübungen. Anhalten - antreten - anhalten - antreten, weil du damit am leichtesten etablieren kannst, dass die Gerte als Hilfe verstanden wird.

Das Pferd mit der Gerte streicheln/abstreichen, dann (erst) deutlich körpersprachlich das Antreten ankündigen und (dann) anticken. Dann "zum Anhalten streicheln", also wieder mit der Gerte berühren und zum Stehen kommen.
Später auch gerne aus dem Halten antraben oder Vorhand oder Hinterhand übertreten lassen.
Ein Schritt genügt, es geht ausschließlich um die Reaktion, den allerersten Schritt, den ersten Gedanken. Der muss positiv sein.

Wichtig ist, dass alle Energie in die Bewegung geht und nicht in eine Abwehrbewegung.
Dass das Pferd beim Reiten ebenfalls wehrig ist (schweifschlagen), würde ich parallel angehen.

"Wie" - dazu mal ein brainstorming von mir:
Grund dafür, dass das Pferd so extrem elektrisch abwehrend auf die Gerte reagiert, kann sein, dass man möglicherweise entweder immer zu viel Gertenhilfe gibt oder umgekehrt immer zu wenig/mit falschem Timing und sich davon "abschrecken" lässt, dass das Pferd gegen die Gerte tritt u.dgl. und die Gerte daraufhin nachlässt, oder dass zu wenig gelobt wird.
Wieviel Lob "notwendig" ist, bestimmt grds. das Pferd, nicht ich.

Wenn zuviel Gertenhilfe, einfach mal mit weniger probieren, bei meinem zB genügt auch meistens ein Gerte anlegen, d.h. gar kein Impuls, nur ein Gefühl geben.
Wenn das noch zu viel ist: manchmal hilft es, das Pferd gar nicht zu berühren, sondern ein bisschen leise in der Luft zu wedeln, ein Tipp von Mark Rashid, der mir gut gefällt.

Denkbar außerdem der Themenkomplex "falsches timing". Darunter fällt:
-zu oft das Abwehrverhalten bestätigt, indem daraufhin die Gerte sofort wegfiel (richtig wäre: so lange "dran bleiben", bis die richtige Antwort kommt, dann sofort alles fallenlassen und loben), es kann also schlichtweg "falsch beigebrachtes Verhalten" sein.

-Die allermeisten Menschen sind zu langsam in ihrem nachgeben. Nachgeben, d.h. deine Hilfe aussetzen musst du in dem Moment, wo deine Anfrage im Pferdekopf angekommen ist (und nicht erst, wenn sie in den Füßen angekommen ist). Das kann man "lesen" lernen.
Die meisten Pferde tolerieren das zwar, dass man weiter "auf sie einredet", obwohl sie verstanden haben, was man will, aber einige sind da sehr kritisch mit uns.
Wenn man den Unterschied einmal gesehen hat, weiß man sofort, was ich meine, der Harmoniegewinn ist gewaltig.
Es ist aber anfangs nicht einfach, drauf zu vertrauen, dass bspw. das Pferd gleich antraben wird und noch im Schritt die Trabhilfe wieder fallenzulassen.

-das Pferd hat zu oft den Menschen als "unberechenbar" empfunden und das Gefühl gehabt, die Aufgabe nicht zu verstehen. Das kann lange her sein, aber zu einem Verhaltensmuster geworden sein. Hier kann man nur durch überexaktes Timing und große Fairness und viel viel Lob für kleinste korrekte Antwort ein neues, positives Reaktionsmuster etablieren.
-zu guter letzt und wenn alles andere abgeklärt ist: Pferd hat schlicht keine Lust (=keine Motivation), sich anzustrengen.
Auch dann gilt: erst dann "entlassen", wenn die richtige Reaktion kommt.
Die richtige Reaktion habe ich dann, wenn auch die letzte Gehirnzelle "JA!" sagt.
Es gibt da einen Spruch, "durch den Kopf in den Körper". Wenn der Kopf "JA!" sagt, wird der Körper folgen.
Oft entlässt man das Pferd dagegen, wenn der Körper zwar geht, der Kopf aber widerwillig oder zweifelnd ist, wie in diesem Fall, auf Abwehr eingestellt. So schafft man sich (überspitzt ausgedrückt) einen unwilligen Sklaven, der den Menschen nur als Sklaventreiber sehen wird.

Mit wieviel Druck oder nicht ich dabei arbeite, und wie der aussieht, ist übers Internet kaum zu beurteilen.

Grds. gilt: viele Pausen, anfangs gerne nach der Uhr mind. eine halbe bis eine Minute, viel Lob, viel Harmonie, kurze Übungseinheiten, winzig kleine Anforderungen.

An anpiaffieren würde ich da noch lange nicht wieder denken.
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lancia
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Beitrag von lancia »

Danke für deine zahlreichen Tipps.

Als die Ursache liegt wohl in seiner Vergangenheit. Es gab Zeiten, da ist er wohl ziemlich hart geritten worden bis er am Ende senkrecht an der Wand stand sozusagen und als junges Pferd fast Frührente gekriegt hat.
Ich denke, da kommt auch der "Tick" her.

Wir arbeiten gerade nach dem Longenkurs und da sind ja eigentlich auch alle grundlegenden Führübungen dabei. Die Gerte setze ich auch so vorsichtig wie möglich an. Ich lege sie nur an oder wedel bisl in der Luft damit.
Paar Körperstellen wo er sie halbwegs toleriert habe ich auch schon gefunden bzw findet er es nicht so schlimm, wenn ich zB die Bewegung vom Hinterbein mit der Gerte verfolge. Also nicht nur anlege wenn er abfußt sondern sie schon vorher anlege und dort lasse.

Das "Problem" ist, dass er halt ein blitzgescheites, williges Pferd ist. Zeige ich ihm eine Übung dann macht er sie das nächste Mal mit nur minimaler Andeutung. Bis zum Gerteneinsatz komme ich meist gar nicht.
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Melli
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Beitrag von Melli »

Ich schicke gleich vorweg, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist:
ein Pferd, das nach wenigen Wiederholungen so schnell reagiert, dass man die Gerte nicht mehr braucht, ist doch im Grunde das "Ideal".

Mit Gerte zu arbeiten ist ja nicht das Ziel aller Arbeit, sondern im Gegenteil, je schneller ich ohne Gerte auskomme, desto besser.

Sprich, wenn die Reaktion jeweils richtig ist, verzichte ich doch mit Kusshand auf die Gerte.
Ich würde vielleicht mal verschiedene Situationen bewusst aus diesem Blickwinkel betrahten.
Ich weiß aber, wie oft eine Gerte als verlängerter Arm hilfreich ist, darum würde ich natürlich trotzdem erarbeiten, Druck machen zu "dürfen" ohne Überreaktion. Aber wenn Gerte anlegen schon oft klappt, ist das doch fein.
Mein Araber ist -ganz ohne schlechte Erfahrungen, aber eben sehr empfindlich gegenüber aus seiner Sicht ungerechtfertigter, d.h. auch zu harter Kritik- in der Hinsicht wie gesagt auch feiner als ich, da muss ich eben noch besser lernen, Hilfen zu geben, ggf. Gerte anzulegen und auch mal "hinspüren" lassen und warten zu können.
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Mailo
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Beitrag von Mailo »

Ich weiss ja nicht, ob es für dich noch aktuell ist.
Mir hat das Clickertraining dabei geholfen.
Ich denke ich kann sagen, dass ich ein traumatisiertes
Pferd habe.
Doch auch er schafft es nun die Gerte bei mir zu akzeptieren.
Richtig unter Anleitung mach ich die Handarbeit erst seit einem
Monat.
Zur Anmerkung, mein Pferd hat bis vor gar nicht langer Zeit
so 30 Minuten gebraucht, um überhaupt einen Gegenstand,
geschweige eine Gerte zu berühren...
Und ich besitze ihn nun gut 1,5 Jahre... :wink:
Viel Erfolg weiterhin.
Nakim

Beitrag von Nakim »

Hallo,

cih würde langsam und geduldig daran arbeiten. Abstreichen mit der Gerte - Lekerlie. Und weg das Teil. Wenn ich die Gerte nicht brauchr ist ja schön, aber wenn ein Pferd sich die Gerte nicht als Hilfe annimmt muß man dran arbeiten. Man würde ja auch nicht akzeptieren, daß der Schenkel nicht angenommen wird. Ein Pferd das gegen die Gerte schlägt traut der Gerte nicht. Allerdings wundert es mich, daß man ein Pferd anpiaffiert mit Gerte, das die Gerte nicht annimmt. Das ist der zweite Schritt vor dem ersten. Hier hilft nur zurück zu den Basics. Erst wenn das Pferd sich mit Gerte entspannt kann man weitergehen. Lekerliekauen entspannt viele Pferd.
louise
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Beitrag von louise »

Hallo,

ich kann mich vor allem Melli anschließen und möchte noch anfügen:

Je weniger Gerte desto besser, ganz klar, aber Dein Pferd muss auch warten lernen. Er kann ja nicht immer wissen, was Du nun genau mit der Gerte willst.

Für mich müßte er so lange still warten, bis Du mit der Gerte an ihn ran kannst und ihm dann zeigst, was Du willst. Kommando "Warten", das verstehen die Pferde recht schnell.

Einige Dinge hast Du ja selber schon geschrieben, wo es herkommt und wie Du mit ihm umgehst. Anlegen und liegen lassen z.B. finde ich gut, bis er wieder zur Ruhe kommt.
Auch das ist ein Nachgeben und muss belohnt werden.

Louise
Lala
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Beitrag von Lala »

Meine zeigt eigentlich relativ wenig Reaktion auf die Gerte, hat bestimmt keine Angst.

Touchiere ich sie aber einfach so aus heiterem Himmel, schlägt sie auch dagegen. Streiche ich sie ab und touchiere dann ists kein Problem.

Versuch doch einfach mal, die Gerte in Ruhestellung am Pferd dran zu lassen und nur gerade zum Touchieren weg zu nehmen. Dann bleibt die Gerte fürs Pferd einschätzbarer.
Möglicherweise setzt du die Gerte nicht zu wenig vorsichtig sonder zu vorsichtig ein? Wie beim Putzen/berühren: Wenig kitzelt und provoziert eine Abwehrreaktion, eine feste (nicht brutale!) Berührung ist trotzdem angenehm?
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Filou
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Beitrag von Filou »

Bei mir passierts auch bei "Missverständnissen", dass er die Gerte nicht als Hilfe ansieht.

Als ich ihn bekommen habe, hat er auf die Gerte extrem beschleunigt. Ich hab dann die Gerte zum Spielzeug gemacht, wir hatten sie sehr oft bei uns, wir haben viel damit "gespielt", er durfte eine alte Gerte anfassen mit den Zähnen, rumtragen, wenn er das lustig fand, ich strich ihn ab und machte die Striche immer kürzer und das Anlegen zu Beginn des Strichs immer "punktueller", sodass ich Touchieren aus Streichen entwickelte. Er ist nun immer noch eifriger unterm Sattel, wenn man eine Gerte dabei hat, oft auch übereifrig, hier ist also noch was zu tun, aber am Boden bekomme ich als einzige unerwünschte Reaktion bestenfalls noch ein "ih Du kitzelst mich" mit Hochziehen des Beins.
Leider bin ich oft überrascht, wenn er schon auf ein leichtes Anheben des Stöckchens, das ich gar nicht wahrnehme (z.B. wackelt das Ding auch mal beim Atmen) reagiert und anstatt zu loben, setz ich noch eins nach, woraufhin er natürlich protestiert "hab's doch gemacht, warum gibst Du keine Ruhe". Aber ich denke, das ist eine Frage der Routine. Ich habe ja immerhin viele Jahre lang keine Gelegenheit zur Bodenarbeit gehabt und muss mein Auge und meine Hände wieder dafür schulen (lassen).

Hier ist halt immer die Frage, was ist wirkliches nicht-Annehmen, was ist ein Missverständnis, dass das Pferd meint, es hätte schon reagiert (manchmal auch zurecht) und dann halt nicht mehr der Meinung ist, nochmal reagieren zu müssen und was ist vielleicht auch Panikreaktion. Oft ist es auch ein Zeichen, dass die Konzentration am Ende ist, wenn sie komisch "strampeln".
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Anajo
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Beitrag von Anajo »

Moin,
da bleibt wohl nicht viel hinzuzufügen :D
Wass du vielleicht aber doch probieren kannst:
Ersetze die Gerte (über längere Zeit!) durch andere Utensilien.
Je nach Pferd hilft es, wenn man es mit den unterschiedlichsten "Stock-länglichem Objektsachen" konfrontiert- Angefangen über Staubwedel über Zaunstecken bis zu Regenschirm ...(Fantasie sind ja keine Grenzen gesetzt)

Damit einfach arbeiten wie hier beschrieben--- bei meinem kleinen Gertenverachter hats geholfen.
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