Handarbeit - Gerte Pflicht?

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Hestur
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Handarbeit - Gerte Pflicht?

Beitrag von Hestur »

Hallo ihr,
ich habe mal wieder eine Frage. Ich mache meine Handarbeit immer 'vorschriftsmäßig' mit Gerte. Mir ist aber schon des öfteren aufgefallen, dass ich diese eigentlich fast garnicht benutze. Ich habe sie in der Hand, mehr ist es meist nicht. Heute habe ich sie einfach mal ganz weggelassen. Für einfache Dinge wie angehen, anhalten, Bahnfiguren... mache ich mir da garkeine Sorgen, dass ich was damit falsch machen könnte, dass ich die Gerte weglasse. Aber was ist z.B. mit Schulterherein? Auch das klappt eigentlich ohne Gerte - zum treiben komme ich mit der Gerte sowieso nicht. Im Schulterherin scheint meine Körpersprache auf mein Pferd schon treibend genug zu wirken. Nun ist das allerdings der Punkt, an dem ich anfange, mir so meine Gedanken zu machen. Ist die Gerte ein Muss? Kann es negative Auswirkungen haben, wenn ich sozusagen keine direkte, physische treibende Hilfe am Pferd habe? (z.B. ausfallende Hinterhand)
Oder kann man mit reiner Körperhaltung das selbe Ergebnis erzielen, wie etwa mit einer angelegten, treibenden Gerte?
Ich muss dazu sagen, warum ich die Gerte kaum einsetze: Erstens ist mein Pferd von sich aus recht motiviert und gehfreudig, sodass ich die Gerte als rein vorwärtstreibende Hilfe nicht benötige. Das klappt auch mit Stimme und Körper gut. Zweitens ist mein Pferd immernoch etwas gertenscheu. Woran es liegt weiß ich nicht, ich streife sie regelmäßig mit der Gerte ab, aber bisher habe ich keine großen Erfolge erzielt. Bei Zirkuslektionen kennt mein Pferd die Gerte als Kommunikationsmittel und zeigt auch keinerlei Angst davor. Wenn ich z.B. im Schulterherein die Gerte aber wirklich treibend an sie anlegen würde, dann würde sie sofort stressig werden und Anfangen, das Tempo zu übereilen. Das ist ziemlich kontraproduktiv.

Wo also liegen die Grenzen der Arbeit ohne Gerte? Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich später in anderen Lektionen, z.B. beim Travers, ganz ohne Gerte Probleme kriegen könnte. Was meint ihr?

Grüße
Anne
Tess
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Beitrag von Tess »

Ich wuerde mal ganz einfach sagen: die Gerte ist dann von noeten, wenn du den verlaengerten Arm zur Kommunikation brauchst. Meist ist das bei neuen "Lektionen" der Fall, oder wenn Pferd anfaengt bei dem was es kann zu "schummeln".

Da man vorher nicht weiss, wann das Pferd anfaengt zu schummeln, hab ich sie immer dabei.
Die Gerte ist ja nicht nur fuer das "vorwaerts" dabei.

Wenn dein PFerd gertenscheu ist, wuerde ich vermehrt daran arbeiten und vielleicht erst mal mit einem kleinen Stoeckchen anfangen und mich dann langsam steigern. Ich denke shcon, dass es wichtig ist, dass das Pferd langfristig Vertrauen zu deinem verlaengerten Arm hat.
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Ein "Muß" ist die Gerte garantiert nicht, aber sie kann gerade in den Seitengängen zur Unterstützung entsprechend hilfreich sein. Ich kann damit das Hinterbein aktivieren vermehrt in Richtung Schwerpunkt zu treten.

Eventuell kannst du ja mal eine andere Gertenhaltung ausprobieren. Ich habe die Gerte je nach Pferd unterschiedlich in der Hand. Bei Pferden, die ich mit der Gerte noch etwas mehr unterstützen muß, liegt sie wie ein Degen in der Hand: Ich führe die Zügel in die nach oben geöffnete Hand zwischen Handfläche und Mittel-, Ring- und kleinen Finger. Die Gerte liegt darüber und der Zeigefinger unterstützt das Touchieren. Bei Pferden, die sehr wenig Gertenunterstützung brauchen, führe ich die Zügel in die aufrecht gestellte Hand von oben ähnlich wie beim Reiten durch und halte die Gerte senkrecht zum Boden, wobei der kleine Finger vor der Gerte ist und die Gerte beim touchieren unterstützt.

Das erste Prinzip wird von den Wienern eingesetzt, das zweite habe ich bei einem PK-Trainer kennengelernt.
Liebe Grüße, Sabine

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FoxOnTheRun
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Beitrag von FoxOnTheRun »

Ganz klares JA, ohne Gerte finde ich gehts nicht.

Ich denke ähnlich wie Tess. Die Gerte ist nicht nur zum reinen Vorwärtstreiben da, sondern auch um dem Pferd zu zeigen, an welcher Stelle was verändert werden muß.

Klar kann man bis zu einem Gewisssen grad ohne Gerte auskommen, gerade, wenn das Pferd gut auf die Körpersprache reagiert. Auch im SH sehe ich da noch ekien Probleme.

Aber an eiem Gewissen Punkt denke ich kommt man ohne nicht mehr aus. Wie sollte ich ohne Geerte dem Pferd klar machen, daß ich mehr HH-Aktivität haben möchte (was nichts mit erhöhung des Tempos zu tun hat), oder wie werde ich ein Pferd ohne Gerte anpiaffieren?
LG Foxi
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Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
Yve9979

Beitrag von Yve9979 »

Sicherlich geht es auch bis zu einem bestimmten Punkt ohne Gerte.
Ich führe sie IMMER bei der HA oder Bodenarbeit mit, um im Falle von nötiger Unterstützung sie sofort parat zu haben.
Bsp: Schulterhein: Lanti macht das auch alleine aus meiner Körperhaltung heraus, aber möchte ich das innere Hinterbein mehr aktiver, sprich, dass es weiter Richtung Schwerpunkt tritt, habe ich ohne Gerte definitiv keine Möglichkeit, diese Details zu bearbeiten.
Auch ist mein Pferd flott unterwegs, also brauch ich die Gerte nicht als "treibende" Unterstützung. Aber durch das Wuseln vergisst sie dann recht schnell, die Übung sauber mit dem ganzen Körper zu machen. Und da kommt dann bei mir die Gerte als Erinnerung wie beim o.g. Beispiel.
Ein Pferd wird immer schon von Natur aus versuchen (wie wir Menschen auch) eine Übung mit der geringstmöglichen Anstrengung zu absolvieren. Mit der Gerte kann ich das Pferd dann jedoch daran erinnern, gewisse Körpergliedmaßen nicht zu vergessen bzw. die Übung zu intensivieren.
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Mein Pferd hat anfangs auch so reagiert, wie Du beschreibst. Ich brauchte die Gerte nicht, und wenn ich sie doch mal damit angetippt habe, hat sie sich aufgeregt. Ich möchte sie aber haben, um die Hinterhand besser beeinflussen und die Hinterbeine flinker machen zu können.

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mit der Gerte anfangs nicht zu tippen, sondern sie passiv anzulegen. Du kannst Dein Pferd beispielsweise um Dich herum treten lassen und dabei die Gerte seitlich an der Kruppe anlegen, bis sie sich beruhigt. So, wie Du den Schenkel anlegen würdest. Dann lernt sie, dass die Gerte kein Grund ist, sich aufzuregen, sondern einfach nur Dein verlängerter Arm ist.
Yve9979

Beitrag von Yve9979 »

Das von Barbara gesagte finde ich auch sehr gut, denn es kommt tatsächlich darauf an, wie man eine Gerte nutzt! Meinen Wallach musste ich immer deutlich erinnern, die Stute jetzt kann ich derzeit mit der Gerte nicht antippen, da sie sonst kickt (ich desensibilisiere sie da derzeit). Um aber den Nutzen der Gerte gebrauchen zu können, beeinflusse ich die Stute nur mit Anheben der Gerte, um sie zu "erinnern", ggf. ein paar Mal auf- und abwedeln (Zucken der Gerte - weißt du, wie ich das meine?!) - max. leichtes Anlegen der Gerte (hier kickt sie mittlerweile nicht mehr), an der Stelle, wo ich sie im Normalfall antippen würde. Diese Hilfe reicht für sie, ansonsten würde ich derzeit das Gegenteil bei ihr erreichen.

Wie gebrauchst du die Gerte?
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Hestur
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Beitrag von Hestur »

Hallo und Dankeschön für die vielen Meinungen und Ratschläge!

Josatianma hat geschrieben:Bei Pferden, die sehr wenig Gertenunterstützung brauchen, führe ich die Zügel in die aufrecht gestellte Hand von oben ähnlich wie beim Reiten durch und halte die Gerte senkrecht zum Boden, wobei der kleine Finger vor der Gerte ist und die Gerte beim touchieren unterstützt.
Genauso halte ich die Gerte auch, so ist sie ja sehr passiv, und verschwindet quasi mehr oder weniger aus dem Sichtfeld meines Pferdes.
Viele Leute zeigen ja mit der Gerte beim gehen nach hinten, dadurch würde mein Pferd sich dauerhaft stark vorwärtsgetrieben fühlen.

FoxOnTheRun hat geschrieben:Aber an eiem Gewissen Punkt denke ich kommt man ohne nicht mehr aus. Wie sollte ich ohne Geerte dem Pferd klar machen, daß ich mehr HH-Aktivität haben möchte (was nichts mit erhöhung des Tempos zu tun hat), oder wie werde ich ein Pferd ohne Gerte anpiaffieren?
Wie gesagt, gerade darum mache ich mir Gedanken - dass ich wahrscheinlich irgendwann ohne Gerte nicht mehr auskomme, wenn es anspruchsvoller wird. Allerdings glaube ich kaum, dass ich es mit meinem Pony jemals bis zur Piaffe schaffe :mrgreen:

Barbara I hat geschrieben:Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mit der Gerte anfangs nicht zu tippen, sondern sie passiv anzulegen. Du kannst Dein Pferd beispielsweise um Dich herum treten lassen und dabei die Gerte seitlich an der Kruppe anlegen, bis sie sich beruhigt. So, wie Du den Schenkel anlegen würdest. Dann lernt sie, dass die Gerte kein Grund ist, sich aufzuregen, sondern einfach nur Dein verlängerter Arm ist.
Das habe ich im Rahmen von abstreichen, mit der Gerte vertraut machen etc. immer wieder versucht, aber schon das anlegen der Gerte ist zu viel für sie, dann tritt sie nicht um mich herum, sondern rennt verkrampft. Das einzige, was sie noch akzeptabel findet, ist die zeigende Gerte.

Yve9979 hat geschrieben:Um aber den Nutzen der Gerte gebrauchen zu können, beeinflusse ich die Stute nur mit Anheben der Gerte, um sie zu "erinnern", ggf. ein paar Mal auf- und abwedeln (Zucken der Gerte - weißt du, wie ich das meine?!) - max. leichtes Anlegen der Gerte (hier kickt sie mittlerweile nicht mehr), an der Stelle, wo ich sie im Normalfall antippen würde. Diese Hilfe reicht für sie, ansonsten würde ich derzeit das Gegenteil bei ihr erreichen.

Wie gebrauchst du die Gerte?
Ich gebrauche sie meist garnicht un führe sie passiv mit (senkrecht zum Boden), wie oben bei Josatianma beschrieben.
Wenn ich treibend (egal ob vorwärts, seitwärts, am Hinterbein...) einwirken will, dann zeige ich höchstens mit der Gerte auf die Stelle, die ich sonst touchieren würde. Ein darauf zubewegen reicht meist - es ist, als wäre an der Gerte ein unsichtbares verlängertes Stück, das bis zum Pferd reicht und berührt... hat man das jetzt verstanden? :mrgreen:
Wenn ich sie wirklich berühre, dann ist es so wie du sagst ein leichtes Anlegen der Gerte. Die ruhig anliegende gerte akzeptiert sie viel besser - ähnlich einem anliegenden Schenkel eben.

Was mir noch aufgefallen ist - was wahrscheinlich logisch ist: Je weiter hinten am Pferd die Gerte zum Einsatz kommt, umso heftiger reagiert sie. Man kann quasi sagen, je schlechter sie sehen kann, was sie da berührt, umso schlimmer wird es für sie. Vorn an Kopf, Hals, Schultern ist alles in Ordnung, auf Höhe der Sattellage ist es so la-la, an der Hinterhand wirds kritisch.
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lancia
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Beitrag von lancia »

Ich hab auch ein Pferd, das sehr sensibel auf die Gerte reagiert und sich gerne schnell aufregt.
Abstreichen ist überhaupt kein Problem, ich kann ihr auch mit der Gerte zwischen den Ohren rumtippen und sie pennt weiter. Nur in Verbindung mit Arbeit wird sie nervös.

Bei uns funktioniert auch alles inkl SH (mehr können wir uach nicht :lol: ) ohne Gerte. Trotzdem habe ich sie meistens mit. Einfach, falls ich sie brauche und ich glaub für die weiteren Seitengänge ist sie unerläßlich.

Ich halte die Gerte parallel zum Pferderücken. Wenn ich die Gerte immer anliegen habe (ohne Druck) dann ist sie die ersten paar Meter sehr nervös und auf der Flucht, aber dann beruhigt sie sich sehr schnell. Wenn ich dann was von ihr will klopfe ich entweder leicht mit der Gerte, erhöhe den Druck oder lasse sie auf Höhe des Sprunggelenks sinken und berühr sie dort (das funktioniert am besten)
Ansonsten hilft bei uns einfach viel Ruhe und, dass ich die Gerte als Alltagsgegenstand akzeptiere und sie einfach selbstverständlich mit mir führe. Oft beobachte ich, dass Reiter die Gerte mehr oder weniger als Strafinstrument betrachten und sie einfach mit einem gewissen Argwohn betrachten. Wenn das Pferd darauf dann reagiert ist es kein Wunder.
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
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