effet d`ensemble

Rund um die klassische Reitkunst

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pepe
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effet d`ensemble

Beitrag von pepe »

Benutzt den jemand?

In grauer Vorzeit war mein Pferd ein richtig gemeiner Bocker. Entweder er war stät und laurig oder fühlte sich durch den Schenkel /Sporn provoziert, legte sich aufs Gebiß, donnerte los und knallte richtig gemein und biegsam- immer mit dem Ziel mich runter zu kriegen. Gegen die Bande schmiss er sich auch. Nettes Pferd, nicht wahr? Irgendwann flog ich in Luft, knallte auf den Boden und brach mir ein paar Rippen. So ging das wirklich nicht mehr weiter!
Meine Mitreiter im Stall hatten den guten alten Rat parat "knall ihm mal so richtig ein paar auf den A...". Das würde alles aber nur noch schlimmer machen- das wusste ich.
Parallel zu dieser Phase der "Reiterei" las ich was mir in die Finger kam: dieses Pferd liess sich nicht vergewaltigen, den musste ich motivieren und wirklich richtig reiten! Bei Oliveira stiess ich dann auf die Beschreibung des effet d `ensemble, der Spornstich zum Versammeln des Pferdes (sieht man im Stierkampf sehr gut).
Der Sporn wird beidseits (ich mache es am Gurt) deutlich eingesetzt und das Pferd zieht die Hinterbeine unter den Bauch und hält, bzw. lässt sich versammeln, je nach Stärke der Hilfe und Ausbildungsstand des Pferdes. Das Pferd lernt durch den Sporn gehalten zu werden und unbeweglich stehen zu bleiben.
Ach ja: scharfe Sporen, keine 2 cm Bällchen.
Wir haben das zunächst aus dem Schritt geübt. Ging auch ganz einfach, schließlich ist die Reaktion des Pferdes auf das "Stupfen" an der Seite, ein Festhalten der seitlichen Muskulatur. Dann aus dem Trab. Das dauerte zwar etwas länger, aber er liess sich drauf ein. Dann provozierte ich das Bocken im Galopp, das ging einfach! Sporen am Gurt in Seite- erst keine Reaktion, Pferd wurde schneller und bockte wie S.., ich hielt mich mit den Sporen fest, dann auf einmal: Pferd stand, Hinterbeine weit untern Bauch gezogen und zitterte vor Wut. Ich lockerte das Bein...und konnte loben!
So ging das dann über Wochen: wenn er sich nicht treiben liess durch den Schenkel und statt vorwärts zu gehen lieber bockte, konnte ich ihn halten, versammeln und dann loben! Keine Gerte, keine Schläge. Aber eben sehr lange und scharfe Sporen. Nur das lässt sich mit einem ruhigen Bein gut regulieren.
Ich denke daß ich erst seitdem angefangen habe mein Pferd zu reiten, vorher war es überhaupt nicht möglich, sondern nur gefährlich. Ich habe übrigens erst zweimal Reiter getroffen die den Effet einsetzen: einmal aus dem gleichen Grund wie ich, vornehmlich als Bremse, dann als Mittel zur Versammlung. Das andere mal nur zur Versammlung, dies auch einseitig für das jeweilige Hinterbein.
Aber was anderes ist der "versammelnde" Schenkel auch nicht, oder?
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Medora
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Beitrag von Medora »

Puh,

das liest sich schon heftig. Wohl kaum dazu geeignet, von "Hinz und Kunz" ausprobiert zu werden... :roll:

Eine Verständnisfrage: Warum muss der Sporn für die Sache scharf sein? Wenn mir jemand von hinten mit den Fingern in die Rippen piekt, schrecke ich auch zusammen - aber geht das nicht auch mit milderen Sporen? Oder wird hier gezielt mit Schmerz gearbeitet?

Grüßle,
Medora
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pepe
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Beitrag von pepe »

Es geht um die schnelle Reaktion. Zack! Und das geht nur mit einem scharfen Sporn. Wenn ich einen stumfen Sporn dabei habe, also abrüsten will, habe ich keine solche punktgenaue Reaktion- und das bei mehr Druck. Kitzel ich mit dem scharfen Sporn kommt die gewünschte Reaktion auf den Punkt genau.
Schmerz? Zunächst mit Sicherheit . Dann aber "nur" der Respekt, schließlich tritt auch eine Gewöhnung ein. Aber lieber das als noch mehr Rippen kaputt oder Schlimmeres.
Übergänge zum Halten kann ich durch ein nach-Vorne-wandern-lassen des Schenkels erreichen, zusammen mit bewussten Ausatmen. Da sieht man von unten nichts (meistens).
Oder ich kann ihn am Knie bremsen- das mach ich übrigens auch im Unterricht sehr gerne. Alles Sachen die bei mir durch den Effet gekommen sind. Richtig eingesetzt ist das eine feine Sache. Fragt mal Big Mama nach verkürzten Tritten....
Als Anhang mal das Bild von einem Mädchen daß bei mir reitet. Sie verkürzt die Tritte durch Druck am Knie. Das Zurücknehmen wird durch ein sofortiges Druck wegnehmen (Sinkenlassen von Hand und Bein) belohnt. Die sind am Anfang, aber das wird schon sehr schön.
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Medora
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Beitrag von Medora »

Danke, Pepe.

Jep, verstehe. Bestätigt aber meine Annahme, dass das nur an die Füße von Leuten gehört, die wissen was sie tun.

Grüßle,
Medora
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Janina
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Beitrag von Janina »

Also unser Luso hat den Effet d´ensemble bei seinem Ausbilder gelernt und mein Vater benutzt ihn auch ab und zu.
Hauptsächlich wenn er sich während der Arbeit etwas aufregt (kann leicht bei der Piaffearbeit passieren), dann kann man ihn darüber zum Stillstehen bringen (ansonsten tänzelt er laufend auf der Stelle und das ist ja nicht Sinn der Sache).
Einmal hat er ihn auch beim Scheuen eingesetzt. Pferd ist zur Seite weggescheut (Stierkampfpferd halt :wink: ), konnte aber über den Effet d´ensemble sofort zum Stehen gebracht werden.
Übrigens: Ohne Sporen! Er hat ihn wohl mit Sporen gelernt, reagiert aber jetzt auch entsprechend, wenn man nur die Fersen andrückt.
Liebe Grüße,
Janina
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Saphiria
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Beitrag von Saphiria »

Warum dieser eleganz wirkende (für nicht französisch sprechende) Französische Ausdruck für etwas ganz perfides, zu Deutsch: Der Sporenstich.
Ich bin ganz ehrlich, mir ist diese Methode äußerst unsympatisch. Wenn es um Leben und Tod geht, kann ich drastische Maßnahmen verstehen (hatte auch einen extremen Buckler, habe ihn auch nicht mit Samthandschuhen angefasst). Aber hier wird ja geziehlt Schmerz eingesetzt und das offenbar nicht nur um einem buckelnden Pferd beizukommen, sondern auch als Ausbildungsmethode. Mein Ding wäre es nicht. Grundsatzdiskussion möchte ich aber nicht auslösen, mich nur davon distanzieren.
Viele Grüße Saphiria!
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Francois
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Beitrag von Francois »

Saphiria hat geschrieben:Warum dieser eleganz wirkende (für nicht französisch sprechende) Französische Ausdruck für etwas ganz perfides, zu Deutsch: Der Sporenstich.
Das was Pepe beschreibt ist in der Tat eher der "Sporenstich" und hat wenig mit dem "effet d'ensemble" zu tun. Die Beschreibung ruft bei mir nur ein Grausen hervor :? Ich mag gar nicht daran denken welche (mit Recht) Widerstzlichkeiten diese Art Sporneinsatz bringen kann.... Wenn man sich die Mühe macht, den Ausdruck zu übersetzen, kann man sich denken, dass der "effet d'ensemble" etwas komplexer ist und auch einiges an Vorbereitung benötigt, besonders wenn man ihn wie die Baucheristen in der 2. Manière einsetzen möchte.

Viele Grüße

Francois :wink:
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lalala

Beitrag von lalala »

@ Francois: was genau ist es denn dann ? Kannst du das kurz erläutern ?
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Saphiria
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Beitrag von Saphiria »

Das würde mich auch interessieren, kann mir das auch mal jemand genau übersetzen? So mit Schulfranzösisch würde mir "Gruppeneffekt" einfallen, aber das kanns ja nicht sein?

edit: Selbst bei P.K. nachgelesen, wen es auch interessiert: "Ganzheitliche Versammlung" , so ist das mit Wörtern und dem Gesamtzusammenhang :lol:
Zuletzt geändert von Saphiria am Mo, 06. Nov 2006 12:29, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße Saphiria!
horsman
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Beitrag von horsman »

Bauchers Lehre trennt grundsätzlich Hand- und Beineinsatz voneinander.
Bei dem sog. Effet d´ensemble werden beide Wirkungen (Hand und Bein) jedoch wieder gemeinsam zusammen gefügt. Deswegen "ensemble".

Beim Sporeneinsatz für den E.e. handelt es sich m.W. nicht um einen Sporenstich, sondern um einen anhaltenden Sporendruck.

Das Pferd muss dafür aber durch eine korrekte Schule am Sporen vorbereitet werden, sonst geht der Schuss schnell auch nach hinten los;-)

Gruß
horsmän
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Francois
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Beitrag von Francois »

horsmän hat geschrieben:Bauchers Lehre trennt grundsätzlich Hand- und Beineinsatz voneinander.
Bei dem sog. Effet d´ensemble werden beide Wirkungen (Hand und Bein) jedoch wieder gemeinsam zusammen gefügt. Deswegen "ensemble".

Beim Sporeneinsatz für den E.e. handelt es sich m.W. nicht um einen Sporenstich, sondern um einen anhaltenden Sporendruck.

Das Pferd muss dafür aber durch eine korrekte Schule am Sporen vorbereitet werden, sonst geht der Schuss schnell auch nach hinten los;-)

Gruß
horsmän
Danke horsmän.Die Beschreibung trifft es im Wesentlichen. Beim effet d'ensemble wirken Bein-und Hand/Gewichtshilfen zusammen. Der Sporndruck erfolgt nicht stechend, sondern wird sanft angelegt. Dazu muss das Pferd vorher entsprechend konditioniert worden sein. Es muss wie Kerbrech es einmal formulierte am Bein genauso leicht sein wie an der Hand, also auf leichtesten Schenkeldruck reagieren. Dabei sollte es gelernt haben, zwischen vortreibenden und verhaltendem Sporneinsatz zu unterscheiden. Damit man möglichst wenig diesen Grundssatz "Hand ohne Bein - Bein ohne Hand" stört, muss das Pferd absolut leicht an Hand UND Bein sein. Ferner muss der Reiter einen entsprechen feinfühligen Reitersitz haben, der in Nuancen die nötigen Impulse geben kann. Henriquet beschreibt einen solchen Reiter als einen, der einen Sitz wie ein Zentaur und Hände wie ein Schweizer Uhrenfeinmechaniker besitzt. Nach dem eintretenden Erfolg des effet d'ensemble sollten die Hilfen sofort aussetzen, d.h. das Pferd sollte auch mit dem "decente des aides" vertraut sein. Baucher hat in seiner späteren Zeit seine Pferde sehr behutsam auf diesen Sporeneinsatz vorbereitet (in seiner 1. Manière war das anders). Die Gewöhnung erfolgte erst ohne Sporn, dann mit umwickeltem Sporn. Das ganze hat also wenig mit stechenden, "scharfen" Sporen zu tun, es sei denn man möchte die recht brutale 1. Manière Bauchers kopieren.

Viele Grüße

Francois
Zuletzt geändert von Francois am Mo, 06. Nov 2006 11:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Medora
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Beitrag von Medora »

Na, DAS klingt dann aber schon ganz anders!

Danke fürs Beschreiben,
Medora
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pepe
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Beitrag von pepe »

Ich bin mir sicher daß ich am Anfang sehr grob war. Einerseits war mein Wissen nur angelesen, andererseits war wirklich niemand da der mir in dieser Situation weiterhalf (wüst bockendes Pferd). Ich musste da fieserweise als Autodidakt vorgehen und ehrlich gesagt hatte ich schlicht Angst. Bin auch nur ein Mensch, sehts mir nach.

Zwischenzeitlich ist es jedoch wirklich so, daß ich die Wade vortreibend wie auch versammelnd einsetzen kann. Und das weich und fühlend. Kommt dann der Sporn (zwischenzeitlich wie ein Kitzeln) dazu, verstärke ich diese Hilfe.

Früher bin ich gerne mit Kleinkind auf dem Bareback- Pad vor mir ausgeritten. Da war es schon sehr praktisch die Hand nicht für die Zügel zu brauchen, sondern das Pferd zuverlässig mit dem Bein schicken und abfangen zu können.
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Francois
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Beitrag von Francois »

pepe hat geschrieben:Ich bin mir sicher daß ich am Anfang sehr grob war. Einerseits war mein Wissen nur angelesen, andererseits war wirklich niemand da der mir in dieser Situation weiterhalf (wüst bockendes Pferd). Ich musste da fieserweise als Autodidakt vorgehen und ehrlich gesagt hatte ich schlicht Angst. Bin auch nur ein Mensch, sehts mir nach.

Zwischenzeitlich ist es jedoch wirklich so, daß ich die Wade vortreibend wie auch versammelnd einsetzen kann. Und das weich und fühlend. Kommt dann der Sporn (zwischenzeitlich wie ein Kitzeln) dazu, verstärke ich diese Hilfe.

Früher bin ich gerne mit Kleinkind auf dem Bareback- Pad vor mir ausgeritten. Da war es schon sehr praktisch die Hand nicht für die Zügel zu brauchen, sondern das Pferd zuverlässig mit dem Bein schicken und abfangen zu können.

Wobei ein "echter" effet d'ensemble nicht nur zum Halten/Beruhigen eingesetzt wird. Vielmehr kann er auch beleben, Gänge regeln, auffrischen. Wenn man übrigens bei Guérinière den Absatz zur halben Parade liest, wird man feststellen, dass das nichts neues ist :? Meiner Einschätzung nach kommt dem Sporen diese so bedeutende Rolle erst seit Kerbrech's "Dressage Méthodique du Cheval de Selle" zu. Dort benennt er diese Methode als "effet d'ensemble sur l'éperon" (also am Sporn) Baucher hat dem Sporn nicht diese bedeutende Rolle zugewiesen (zumindest schriftlich), was ihn wieder (oh Wunder) näher zu Guérinière bringt. Hat er doch nur kopiert?? :wink:

Viele Grüße

Francois
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