Waldemar Seunig: Von der Koppel bis zur Kapriole

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Josatianma
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Waldemar Seunig: Von der Koppel bis zur Kapriole

Beitrag von Josatianma »

Waldemar Seunig – Von der Koppel bis zur Kapriole

Gebundene Ausgabe: 390 Seiten
Verlag: Olms (Juli 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3487083485
ISBN-13: 978-3487083483
Preis: 24,80

Immer wieder wundert es mich beim Lesen eines Klassikers der Pferdeausbildung, dass zu den Zeiten, in denen dieser geschrieben wurde bzw. erstmals erschienen ist, viele der heutzutage angeprangerten Missstände bereits in gleicher oder sehr ähnlicher Weise vorhanden waren. „Von der Koppel bis zur Kapriole“ von Waldemar Seunig ist bereits 1943 in der Reihe Documenta Hippologica des Georg Olms Verlages veröffentlicht worden.

Das Werk von Waldemar Seunig umfasst das gesamte Gebiet des Reitens und beschränkt sich nicht wie viele andere nur auf die dressurmäßige Ausbildung von Pferd und Reiter, sondern beschäftigt sich auch mit der Spring- und Jagdausbildung.

Im ersten Teil stehen Pferd und Reiter im Mittelpunkt. Viel Platz nimmt hier die Beurteilung des Pferdes beim Kauf ein. Gebäudemängel und deren Nachteile bei der Ausbildung werden angerissen. Vor gewissen Praktiken von Pferdehändlern wird gewarnt. Auch auf die Wichtigkeit des Interieurs wird hingewiesen. Dieser Teil ist etwas zäh zu lesen.

Obwohl Herr Seunig mehrfach darauf verweist, keine Reitlehre verfassen zu wollen, sondern hier Herrn Müseler anführt, geht er dennoch auch auf den Reitersitz ein. Beim Lesen des Kapitels „Reitersitte“ kann ich mir bei Sätzen wie: „Ein Kapitel für sich ist die Bekleidung von Reiter und Pferd. Dieses mit möglichst viel Leder zu behängen und mit Bandagen und Decken von leuchtender Farbenpracht das Bild „beleben“ zu wollen, ist schlechter Stil, ist handels- und zirkusmäßig und mit gewissen Einschränkungen nur bei Quadrillen, Aufzügen u.ä. am Platze.“ (S. 80) ein Schmunzeln nicht verkneifen. Hat Herr Seunig bereits damals gewusst, in welche Richtung sich die Reitsportindustrie entwickelt?

Im Hauptteil des Buches befasst sich Waldemar Seunig mit der Ausbildung des jungen Pferdes von der ersten Longenarbeit bis zur Piaffe und Passage. Neben der dressurmäßigen Arbeit legt er viel Wert auf das Bewegen des Pferdes im Gelände und geht auch auf die Ausbildung zum Spring- und Jagdpferd ein. Beim Lesen stellt sich mir wieder einmal die Frage, auf welchen Klassiker sich bei der heutigen Pferdeausbildung berufen wird. Die von Herr Seunig beschriebene Weise benötigt auf jeden Fall mehr Zeit als das, was heute in vielen Ställen zu beobachten ist.

Zwischen dem Kapitel über das Anlongieren und erste Reiten des Pferdes und der weiteren Ausbildung unter dem Sattel definiert Herr Seunig einige der wichtigsten reiterlichen Begriffe, die für die Ausbildung wichtig sind. Sehr anschaulich erklärt er, wie das Pferd von der Zwanglosigkeit zur Losgelassenheit kommt und auch die Zusammenhänge von Takt und Schwung werden verdeutlicht. Für Herrn Seunig ist die Definition der Begriffe eine wichtige Grundlage für die Ausbildung und vor allem die Grundlage des von ihm zu vermittelnden Wissens. Die weiteren Kapitel befassen sich mit der Ausbildung im sogenannten ersten und zweiten Remontenjahr. Verglichen mit dem Standardwerk „Das Gymnasium des Pferdes“ von Steinbrecht ist das vorliegende Buch wesentlich einfacher nachzuvollziehen, ist jedoch für den Einsteiger sicherlich das eine oder andere Mal etwas schwer zu verstehen. Trotzdem wünsche ich mir, dass dieses Werk als Pflichtlektüre für jeden Trainer und Bereiter auf dem Lehrplan steht. Manchen Pferden, aber auch Schülern könnte es das Leben leichter machen.

Im Gegensatz zu den Neuerscheinungen der heutigen Zeit über die Pferdeausbildung gibt es relativ wenig Bilder. Die Bildunterschriften sind als Anhang hinten im Buch, sodass jedesmal geblättert und die passende Unterschrift gesucht werden muss, was ich relativ unpraktisch finde.

Im dritten Teil geht Herr Seunig kurz auf die hohe Schule ein. Da er davon ausgeht, dass der Leser, dessen Pferd die hohe Schule erreicht, durch die Ausbildung seines Pferdes bis zu diesem Punkt das Gefühl und die Fähigkeit entwickelt hat, dieses auch in den Schulen auf und über der Erde zu schulen, beschränkt er sich auf Beschreibungen der Lektionen. Beim Lesen der Beschreibung zur Piaffe erwächst der Wunsch, diese so einmal zu spüren – die Leichtigkeit und Harmonie in dieser Vollendung mit dem eigenen Pferd zu erreichen.

Ein Zitat ist für mich die beste Zusammenfassung des Prinzips der Pferdeausbildung auf der Grundlage des vorliegenden Buches:

„Das beste Mittel, ein Pferd schöner erscheinen zu lassen als es im Zustand der Ruhe ist, wird immer gutes Reiten bleiben.“ (S. 80)
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
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smilla
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Beitrag von smilla »

Vielen, vielen Dank für die prima Rezension, Josa! Ich habe das Buch auch gerade gelesen und bin richtig angetan davon! Ich verstehe jetzt, woher so manche RL-Floskel kam und was hinter ihnen steckt. Ich wünschte mir, dass diese RL das Buch genau studiert hätten, denn dann hätte ich sicher erstklassigen Unterricht bei ihnen genossen. Ich finde, das Buch klingt nach "einfach gutem Reiten" und ist das, was ich mir von der FN wünsche.
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
Seunig
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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

Ich habe das Buch auch gelesen und zu Hause. Ich finde es wunderbar, dass hier nicht nur die reine Dressurausbildung des Pferdes beschrieben wird, sondern auch auf Spring- und Vielseitigkeitsarbeit eingegangen wird. Das Buch ist verständlicher und nachvollziehbarer wie der Steinbrecht - dafür geht Herr Steinbrecht detaillierter auf Sitz, Einwirkung usw. ein.
Vicky092

Beitrag von Vicky092 »

Dieses Buch ist auch eines meiner Lieblingsbücher übers Reiten.
Alles wird gut erklärt und man kann einige gute Tipps finden.
Bemerkenswert finde ich auch immer wieder wie viel Zeit den Pferden
früher gelassen wurde. Außerdem kann man beim Lesen auch immer wieder feststellen das die Reiterei nicht neu erfunden werden muss,denn vieles was heute anscheinend neu entdeckt worden ist war zu Seunigs Zeiten auch schon bekannt.Aufjeden Fall lohnt sich das lesen und an manchen Stellen kann man sich das lachen echt nicht verkneifen :)
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