Die Rekonvaleszenten-Box

Rund um die klassische Reitkunst

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lalala

Die Rekonvaleszenten-Box

Beitrag von lalala »

Hier sind ja einige, die ihre Pferde nach langer Pause oder Krankheit wieder aufbauen müssen. Wie baut ihr eure Pferde wieder auf ? Wie umgeht ihr kleinere Probleme (z.B. nicht mehr passender Sattel, Übereifrigkeit etc) ? Was für einen Zeitrahmen steckt ihr euch bis ihr wieder full power arbeiten könnt?

Wir sind ja schon seit 3 Wochen wieder am "arbeiten"...am Anfang nur 20min Schritt reiten und das wurde dann langsam weiter gesteigert...wir sind nun schon bei 20min Schritt,20min Trab und ganz kurze Galoppreprisen...zu 80% große Linien, immer schön ein Wechsel zwischen Hals fallen lassen und kurzes aufnehmen in den Seitengängen...im Galopp einfach nur v-a...im Schritt und Trab nehme ich langsam die Seitengänge und ganze Paraden hinzu, ebenso anstrengendere Schlangenlinien...alle 2 Tage wird schön ausgebunden in die Tiefe longiert und wenn es das Wetter zulässt zockeln wir so oft es geht in den Busch wo sie ne Stunde fleissigen Schritt gehen muss (mit klettern)...

Richtig full power wird sie erst in nem halben bis 3/4 Jahr gehen können - sie hat ja nix mehr an Muskeln...das erste Turnier in 2-3 Monaten...


(Bitte verschieben, wenn es hier nicht so hinpasst)
Yve9979

Beitrag von Yve9979 »

Nachdem Burschi - ca. 8 Jahre her - an einer akuten Gelenksentzündung erkrankte und falsch behandelt wurde, stand er damals fast ein 3/4 Jahr. Leider behielt er auch Langzeitschäden durch die falsche Behandlung des TA, er hat im vorderen linken Fesselgelenk eine Arthrose behalten.. naja, nicht das Thema.
Nach dem TA-Befund (damals bereits der 3. TA) "bring ihn zum Schlachter, der wird zu 90%ig nix mehr" (diesen TA holte ich nie wieder) kam er in die Klinik. Die konnten ihm auch nicht mehr helfen und meinten, ich müsse ihm Zeit lassen und siehe da, der Lümmel wurde wieder fit...
Ok, zum Thema zurück:
nach dem 3/4 Jahr bin ich anfangs mit ihm 10 min. spazieren gegangen und dies wurde langsam gesteigert. Nach etwa 2 Monaten sollte ich ihn mit zum Joggen nehmen. War prima, er war wie ein Hund: Leine weg und los :D . Er hörte auf Zuruf und daher war das problemlos möglich. Danach fing ich ihn dann nach dem gleichen Schema an zu reiten, begonnen mit 20 min. Schritt auf hartem Untergrund. Die Aufbauarbeit dauerte im Allgemeinen wieder ca. 3/4 Jahr. Wollte es aber lieber ruhig und sicher angehen lassen, ohne einen Rückfall zu riskieren. Und toi, toi, toi, hatte er das nie wieder.
Auf Longenarbeit sollte ich damals verzichten, das dies die Gelenke zu stark belasten würde. Auch mit Biegungen, etc. sollte ich längere Zeit warten. Also durfte er schön vor sich hin bummeln, am langen Zügel, auch wenn viele sagen würden, dass hätte die VH zu sehr belastet. Aber der TA meinte, so könnte das Pony selbst am besten herausfinden, was ihm gut tut.
Und nun, mit ca. 18 - 20 J., ist der Lümmel immer noch fit!
knowi
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Beitrag von knowi »

Nachdem Tabs 8 Monate lang nur 2x 20 Min im Schritt spazieren gehen , und nach 6 Monaten erst wieder in den Offenstall durfte, haben wir ab November angefangen die Spaziergänge auf 30 und langsam auf 45 Min. zu steigern. In Abstprache mit dem TA kamen dann nach und nach immer "längere" Trabreprisen dazu. Die ersten 1 1/2 Monate nur auf hartem Boden. Die Besitzerin hatte ihn als Handpferd dabei, ich bin immer neben her gerannt. Dieses Programm haben wir bis Mitte Dezember beibehalten, und das möglichst täglich.
Im Dezember wurde es dann aber so glatt draußen, dass wir unser Programm in die Halle verlegen sollten und da kam dann langsam das Longieren dazu. Erst etwa 15 Min. Hauptsächlich Schritt. Da Tabs aber immer mehr geladen war und anfing zu Toben, nahmen wir recht schnell den Trab dazu. Wir fanden es sinnvoller ihn kontrolliert etwas mehr zu bewegen, anstatt ein ständig tobendes Pony zu haben, was wohl mehr geschadet hätte. Zwischendrin bin ich einige Male erst 10, dann 15, dann 20 Min im Schritt ins Gelände (wenn es der Boden zu ließ)
Ab Februar sollte ich auch auf dem Platz mit dem Reiten anfangen. Hauptsächlich große Linien, erst nur Schritt, dann auch immer mehr Trab. Ende Februar gab es dann die letzte Ultraschalluntersuchung mit dem Befund das Bein sei 100 %ig verheilt :D

Da Tabs ohnehin einen Senkrücken hat, und der durch die Steherei immer schlimmer und während der Stehpause auch immer wieder schmerzhaft wurde, legten sowohl der TA als auch die Osteopathin sehr viel Wert darauf, dass er jetzt möglichst bald wieder gymnatsiziert würde. Ich hatte bisher hauptsächlich longiert, weil ich den Rücken schonen wollte und Angst davor hatte ihn zu sehr zu belasten,fing, da ich ja gut betreut wurde (die Osteo hat, da sie direkt am Stall wohnt 1x Wöchentlich nach Tabs geguckt) dann aber wieder mehr an. Wir nahmen die Seitengänge im Schritt dazu, verlängerten unser Programm auf ca. 30 Min, und ritten viele, viele Übergänge. Erst nur im v/a, bald aber auch schon in 1.Dressurhaltung.
Und dann machten wir auf geheiß der Osteo vor 2 Wochen einen Reitkurs mit. Hier kamen dann die Seitengänge im Trab dazu, sowie Seitenhänge in den Volten und letztenendes bereits wieder das anpiaffieren (Bericht kommt noch)
:shock: Ich weiß, klingt krass, und ich habe auch erst geschluckt. ABER, die Osteopathin war stets dabei, was mich dann immer wieder beruhigt hat. Tabaluga, der aufgrund der langen Fehlbelastung immernoch etwas ungleich läuft, läuft während der Arbeit jedesmal deutlich besser. Er hatte kein einziges Mal Muskelkater und macht einen ganz zufriedenen Eindruck bei der Arbeit :D
Jetzt wird er 3-4 Mal die Woche auf dem Platz geritten, die restlichen Tage kommt er als Handpferd ins Gelände oder wird longiert. Zwischendrin hat er auch immer mal wieder einen Tag Pause, oder wir gehen einfach gemtülich spazieren.

Der Sattel passt im Moment überhaupt nicht, weshalb ich ohne Sattel reite. Nur ins Gelände will ich so nicht - da trau ich mich nur kleine gemütliche Runden. Dafür geht er aber ja als Handpferd.
Aber ich höre mich um und hoffe immernoch, dass jemand aus meinem Bekanntenkreis gerade einen baumlosen Sattel hat, den er nicht braucht. Dann könnten wir auch wieder so ins Gelände.

Nur auf Sachen wie Sitzen und Kompliment verzichte ich noch.

Für ihn ist die Arbeit jetzt für den Kopf und den Rücken ganz wichtig- außerdem nimmt er endlich wieder ab :D

Noch geht er nicht 100%ig gleichmäßig, was aber immer besser wird :D

Uff, Sorry für den Roman :oops:
Liebe Grüße!
Knowi
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
Dietrich Bonhoeffer
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

Ich arbeite regelmäßig den Dülmener einer Freundin, der aufgrund eines kompletten Sehnenabrisses am Hinterbein in absoluter Fehlhaltung ging.

Als er in meine Hände kam, war er schon wieder gut konditionier durch Offenstall und Ausritte, aber für die Dressur fehlte jede Kraft. Alle Muskeln mussten umgeformt werden. Don fing immer wieder an zu lahmen, verspannte sich, mußte zum Osteopathen...
Also haben wir uns überlegt, wie wir ihn am sinnvollsten gymnastizieren können, ohne ihn zu reiten, bzw. unter dem Sattel geht er einfach ins Gelände.
Zunächst mal muss man bei ihm extrem darauf achten, dass er vernünftig aufgewärmt wird (lange Schrittphase, mind. 10 Min.), bevor er trabt.
Erst habe ich ihn an der Longe gearbeitet, damit ich ihn in der Hinterhand aktivieren konnte und er überhaupt mal gespürt hat, dass und wie er seine Hinterbeine einsetzen kann. Das hat gleichzeitig den Rücken aufgebaut und entlastet. Vorne haben wir biegend gearbeitet, zunächst ohne Ausbinder, später mit zur Unterstützung der Haltung, gleichzeitig immer wieder Biegung fordern und Einhaltung der Spur, Linien verändern etc.
Dazu kam dann die stärkere Forderung, die Halslinie korrekt zu dehnen, zu biegen, zu halten. Dies habe ich durch Handarbeit, Seitengänge etc. erarbeitet. Dabei habe ich manches Mal auf die Aktivität der Hinterbeine verzichten müssen, um nicht an jeder Baustelle gleichzeitig zu arbeiten. Erst als Vor- und Nachhand getrennt voneinander immer stärker wurden, habe ich immer wieder mal beides gleichzeitig gearbeitet. Zunächst am Ende einer Trainingseinheit (nie mehr als 30 Minuten!) für 2 Runden auf jeder Hand und dann gesteigert.
Don wurde zu dieser Zeit max. 3x/Woche gearbeitet (1x Longe für die Hinterhand, 1 x Handarbeit für haupts. Lockerung Unterkiefer, Biegung Halsmuskulatur, 1x Freiheitsdressur), dazu 1x/Woche ein ruhiger Ausritt, manchmal laufen lassen nach ausreichendem Schritt-Aufwärmen.
Erst haben wir gedacht, das sei zu wenig Arbeit, aber mit der Zeit hat es sich gezeigt, dass es so genau richtig war. Don hat immer angezeigt, ob er hinten oder vorne mehr Ruhe braucht, mit beansprucht wird der restliche Körper ja in der Arbeit immer, aber der jeweilige Schwerpunkt wurde vom Pferd bestimmt.
Sein Körper hat sich trotz dieser wenigen Arbeit im vergangenen 3/4 Jahr unglaublich umgeformt. Er hat eine gleichmäßige Oberlinie entwickelt, die Verspannung ist fast ganz weg, er hat ein hinten ungleiches Bewegungsbild (ein Huf schleift ein wenig), aber keinen ungleichen Gang oder Trittlänge mehr. Er arbeitet (mittlerweile) gerne mit, so dass auch Widersetzlichkeiten keine Spannungen mehr hervorrufen. Er tritt auch im Paddock immer unter, großenteils über, kann sich über die Hinterhand bewegen und ist sehr locker und flexibel im Hals geworden. Freiheitsdressur ausgebunden (beidseitig) ist z.B. kein Thema mehr für die Halsmuskulatur.

Wir haben rein intuitiv so gehandelt, aber sowohl Osteopathin als auch ein späteres Gespräch mit einer Tierärztin ergaben, dass es in der Rekonvaleszens mit diesem Pferd nicht darauf ankam, Kondition aufzubauen, sondern Krafttraining zu machen und dem Körper dazwischen viel Ruhe zu geben, um die Veränderungen in der Muskulatur überhaupt mitmachen zu können.
Erst die beginnende Dressurarbeit hat ja das Lahmen hervorgerufen und aufgezeigt, dass dieser Körper nicht nur dressurlich unbearbeitet ist, sondern sich durch Fehlhaltungen erst die Probleme und das problemorientierte Arbeiten entwickeln mussten.

Ich muss sagen, ich selber habe durch dieses Pony sehr viel gelernt und habe nach wie vor viel Freude daran, ihn sich entwickeln zu sehen.
Ich werde mal Fotos raussuchen, wie Don zu Anfang aussah und wie er sich jetzt herausgemacht hat.
Stephanie
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