schlimme Ecke auf dem Reitplatz

Rund um die klassische Reitkunst

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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

@Kati: schon möglich, dass er ein Tier wittert. Viel Wild ist da zwar nicht mehr, aber ein Hase oder Fasan kann da schon mal in der Hecke sitzen. Aber warum hat er dann auf dem Wanderritt kein Theater gemacht? Da wimmelte es vor Wildschweinen und Hirschen.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Es geht ja nicht darum, dass er "handelbar" bleibt, sondern RUHIG. Die Situation eben lernt NICHT als Aufreger zu nutzen, sondern sich auf deine Anweisung hin ins Vertrauen zu begeben und wirklich runter zu fahren. Das ist ein großer Unterschied. Ersteres ist eben die Sache, die du nicht zwingend mit ins Reiten nehmen kannst, das worum es geht ist ja nicht "bleibe trotz Aufregung manierlich", sondern sowas wie "gib die Verantwortung ab, ich entscheide, ob es da was zum aufregen gibt". :wink: Deshalb sind auch Dinge die sonst super eingespielt fluppen nicht maßgeblich, sondern einzig wie ist der Beziehungsstatus in Bezug auf Sondersituationen. Da wo sich das Pferd sonst auf einen Herdenchef der entscheidet verlassen würde - oder wenn es keinen Entscheidungsträger dabei hat selber entscheiden würde.

Da ist dann nicht die Bodenarbeit das Ziel - kann verstehen, dass manche eben doch das Reiten deutlich vorziehen - sondern dient nur dem Zweck an diesem Punkt die Beziehung zu klären.

Ein Unterschied kann sein, dass der Platz begrenzt ist - das ist aber zu viel geraten um es anzunehmen, aber möglich. Pferde die sensibel mit sowas sind, sind sich der Sache bewusst, dass Flucht nicht ohne weiteres möglich ist. Gibt halt wie bei allem "solche und solche".
Ein Unterschied kann auch das Begleitpferd gewesen sein oder die Pferde.
Uuuund nicht zu letzt du im Sattel - unweigerlich ist auf dem Platz auch ein wenig "Erwartungshaltung" wegen der Erfahrung mit seiner Guckigkeit immer mit dabei. Wir können da als Menschen schwerlich so wirklich innerlich neutral sein - und das spiegelt sich dann auch leicht im Pferd, wenn man ein sensibles Wesen hat.
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Kati
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Beitrag von Kati »

Aber warum hat er dann auf dem Wanderritt kein Theater gemacht? Da wimmelte es vor Wildschweinen und Hirschen.
Ja genau. Deshalb meinete ich, dass die Geruchs-Theorie nicht alles erklärt.
Und wie Finchen richtig meint, ist es ja eigentlich egal, ob da ein Fuchs hingepinkelt hat, eine Tüte raschelt oder ein Trecker vorbei färt. Das Pferd darf natürlich gucken, soll aber bei dir bleiben. Egal ob an der Hand oder unterm Sattel. Es war nur so ein Versuch das "Warum" zu ergründen.
Wie du schreibst, gibt es Pferde, die sind auf dem Platz die "Granate" und können nicht ins Gelände gehen. Bei euch ist es eher umgekehrt. Vielleicht, weil er ausserhalb der "Heimat" (=Stall) etwas unsicherer ist und sich dir besser anschließen kann (Meine Stute hat sich mal in fremder Umgebung regelrecht hinter mir versteckt). Auf "seinem" Platz muss er alles im Griff und im Blick haben! Vielleicht weil du im Gelände entspannter bist und nicht so viel "willst". Vielleicht weil im Gelände andere Pferde dabei sind (?).
Immer noch viele Fragezeichen.
Finchen hat da wesentlich konkretere Lösungsansätze. :wink:
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Ich denke, das mit der Erwartungshaltung wird es sein :roll: :?

Also Yoga vor jedem Reitplatzbesuch?
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Fortissimo hat geschrieben:Ich denke, das mit der Erwartungshaltung wird es sein :roll: :?

Also Yoga vor jedem Reitplatzbesuch?
Selber ablenken ist vermutlich nicht verkehrt und hilfreich als ein Bestandteil. Und halt ergründen, wo es "anfängt", und wie du dann auf dein Pferd einwirken kannst. Es braucht halt einen Weg ihm begreiflich zu machen, dass sein Job maximal der ist zu "melden", dann aber alles geritzt ist, wenn du übernimmst und zurückmeldest "ok, ich habe alles im Griff, wir machen weiter wie bisher". Es ist eine Verständigungssache - einfach "drüber weg arbeiten" wird das Problem nicht lösen - tut es ja schon seit Jahren und trotz Trainerunterstützung nicht. Pferde merken, ob man sie ernst nimmt in ihrer "Aussage". Wenn du sie ignorierst, dann ist das was anderes, als wenn du sie annimmst und signalisierst, dass es angekommen ist, was das Pferd mitteilt.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Eine Idee noch:
wenn der Verdacht besteht, dass du sehr mit deiner Erwartungshaltung beeinflusst, dann wäre ja interessant zu sehen, wie dein Bube reagiert, wenn jemand anderes mit ihm da werkelt. Haben das die Bodenarbeitstrainerinnen mal gemacht? Da sollte dann der Einfluss deutlich größer sein, den "Mensch" hat.
Oft hilft es, wenn erst das Pferd mit einem Trainer das Muster druchbrechen und eine andere Art damit umzugehen lernt, dann der Besitzer in das neue Muster integriert wird. Beide gleichzeitig zu coachen hakt oft eben an der inneren Haltung, die auch ein guter Trainer nicht so leicht wahrnehmen kann (verglichen mit dem Pferd) und vor allem nicht so leicht ändern kann. Dann schaukelt sich das gewohnte Muster leicht wieder ein und bleibt so durch immer wieder neue Impulse erhalten.
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Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Vorgestern durfte ich die Erfahrung machen, was Erwartungshaltungen hervorbringen:

Springstunde mit meinem Männecken. Bis dahin kann ich ja nur in Lobeshymnen von ihm sprechen. Zu der Springstunde kommt aber ein anderer Lehrer und meine Zeit war etwas begrenzt. Also wollte ich schnell aus dem Schritt antraben, damit wir beginnen können und der RL zufrieden ist. Wie gesagt, das war MEINE Einstellung!

War aber auch nur meine, denn ich hatte nicht mit dem Esel unter mir gerechnet.Der schlüpfte sofort aus dem Pferdepelz und kam zum Vorschein. Nun ja, die Bilder von den Versuchen von Reitanfängern, das faule Pony zum Schneller werden zu veranlassen (von Trab mal nicht zu reden), sind bekannt. Dazu kam dann noch eine Wut von mir. Der RL sieht sich das an und beginnt zu lachen. ZU LACHEN!!!!!!!

Er hat mir dann ein paar Tipps gegeben und es wurde mir so sonnenklar (mal wieder), wie sehr Emotionen das ganze Spiel deutlich unerfreulicher werden lassen. Die treibenden Hilfen, die er vorschlug waren bekannt, mit negativen Emotionen, weil die eigene Erwartungshaltung nicht erfüllt wird, die lassen das Reiten um soviel schlechter werden, als wenn man mit innerer Ruhe das Gleiche erreichen möchte.

In Deinem Falle würde ich versuchen, die Ecke zu ignorieren und erst mal nur an den Grenzen des beginnenden Stresses zu agieren und diese Grenze dann immer weiter in Richtung Ecke zu verschieben oder eben wieder weg davon. Aber eben in aller Ruhe!
Es ist ja kein Drama ausser in unserer Vorstellung, nicht diese Ecke einzusetzen. Definiere ich die Ecke eben erst mal am Zirkelpunkt.


LG Ulrike
hilahola
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Beitrag von hilahola »

Also meine Strategie wäre in so einem Fall eindeutig Ablenkung/generelles Ausblenden von der Ecke und zwar für beide – Reiter und Pferd, weil die Gespensterecke offensichtlich bei beiden schon eine negative Erwartungshaltung heraufbeschwört und IN der Situation (also in der Ecke) wird man da vermutlich mehr gegeneinander kämpfen als zu einer Lösung zu kommen.

Du hast geschrieben, dass ihr schon einige abwechslungsreiche Bahnfiguren durchhattet. Welche? Ansonsten hätte ich noch nachfolgende Idee:

Um beide mal auf eine andere Idee zu bringen und den Fokus nicht so sehr auf die böse Ecke zu legen, könnte man z.B. auf der Mittellinie in gleichmäßigem (wirklich messen, ansonsten ists beim Reiten sehr mühsam fürs Pferd, wenn die Abstände unregelmäßig sind, weil es nicht in einen Rhythmus kommt) Abstand 7 Pylonen aufstellen (sodass die vierte Pylone den Zirkelpunkt markiert). Dann reitet man zunächst nur auf dem unteren Teil des Reitplatzes Schlangenlinien durch die Pylonen (zuerst mal eher eine gerade Linie um die Pylonen herum, dann eventuell mal etwas mehr Bogen, dann wieder gerader usw) und dann wieder durch die Pylonen zurück zuerst im Schritt, dann im Trab, dazwischen dann mal auf dem unteren Teil einen Zirkel, dann wieder durch die Pylonen in Schlangenlinien, immer eine Pylone weiter nach jeder Runde, dann wieder Zirkel oder eventuell sogar Mittelzirkel, und so würde ich mich nach und nach zuerst auf der Mittellinie nach oben in Richtung zur gefährlichen Ecke bewegen, auf beiden Händen einfach immer wieder die Pylonen-Schlangenlinien integrieren oder auch mal keinen Zirkel reiten, sondern halbe Bahn als Quadrat. Dann würde ich versuchen abwechselnd um die Pylonen herum Volten auf der Mittelinie zu Reiten (mit den Pylonen als Mittelpunkt jeweils) und dann wieder Schlangenlinien durch die ganzen Pylonen und am Ende der Pylonen-Schlangenlinien mal zuerst eine Volte in die nicht so gefährlichen Ecken und wenn das gut und ruhig funktioniert dann auch mal eine Volte in der doofen Ecke.

Oberstes Ziel wäre bei mir dabei erstmal mit „allen erforderlichen Mitteln“ um die Pylonen auch tatsächlich herumzukommen. Im Schritt wird’s eher kein Problem sein, aber spätestens im Trab, wird man selbst zuerst arg viel mit Lenken am Zügel beschäftigt sein : D dazwischen würde ich abwechselnd mal auf den Zirkel gehen zum entspannen, das Pferd ein bisschen flotter machen (weil zuerst wird man in den Pylonen wahrscheinlich zuviel mit den Händen lenken und auch das Pferdi wird – soferns nicht zur LMAA-Kategorie gehört und die Pylonen einfach umrennt, eher untertouring durch die Hütchen laufen, damits seine Beine sortiert bekommt. Dann würde ich wieder Schlangenlinien durch die Pylonen reiten und bei jedem Durchgang mich weiter Richtung Ende der Mittellinie (Pylone für Pylone) herantasten. Dann wieder ein paar Runden flotter auf dem Zirkel, eventuell auch mal ein paar mal auf beiden Händen Zirkel galoppieren und dann würde ich abwechselnd Volten um die Pylonen reiten und wenns Pferdi und schauen, dass ich bis zum Ende der Mittellinie mit den Volten komme und das gleiche wieder zurück. Wenns Pony das mehr oder weniger brav macht (also wirklich in erster Linie „ nur“ Lenkung und kein hektisches Tempo) ohne sich aufzuregen, dann würde ich zuerst von X beginnend die Schlangenlinie Richtung der nicht-gespenstischen Ecken reiten und dort jeweils eine Volte links, eine Volte rechts, dann die Schlangenlinie durch die Pylonen zurück und dann am anderen Ende zuerst in die „gute“ Ecke und dann in die „böse“ Ecke, dann wieder in die Gute und dann wieder wieder die Schlangenlinien zurück. Zur Gangart: die ersten paar Pylonenrunden bis zu X, damit das Pferd eine Ahnung von den Richtungswechseln bekommt würde ich im Schritt reiten, danach würde ich allerdings im Trab bleiben – dazwischen je nach Pferd und Stresspegel im Galopp mal ein paar Runden Galopp zur Abwechslung.

Wichtig dabei wird sein, auf das Pferd zu achten, wie es sich verhält, ob bzw. an welchem Punkt es sich zu verspannen beginnt und für den Reiter, dass er anfangs durchaus mit „Händen“ und „Beinen“ die Einhaltung seiner Linie fordert und sich da auch „durchsetzt“ (deshalb auch zunächst nur bis zu X, weil bis hierhin ist es normalerweise kein Problem), aber dass der Reiter merkt, dass er nach jeder Runde weniger mit Händen arbeiten muss, und mehr aus seinem restlichen Körper agiert und dass es insgesamt besser wird.

Wenns Pony nach so einer durchaus auch kopffordernden Reiteinheit in die Ecke geht ohne großes Tamtam, oder ohne dass es ihm eigentlich auffällt, dass er sich jetzt gerade in der schlimmen Ecke befindet, dann ist die Ursache für das Scheuen wahrscheinlich etwas kultiviertes und Pferdi hat sich praktisch angewöhnt an dieser Stelle Tamtam zu machen (weil vielleicht irgendwann da mal irgendein Blatt geraschelt hat :D ) und für den Reiter bedeutet es, dass er lernen muss, sein Pferd (und sich selbst) beim Reiten wirklich zu beschäftigen und zu fordern auch geistig, sodass es (und vor allem man selbst) gar keine Zeit hat, sich auf etwas anderes zu konzentrieren und dann dem Reiter/dem Pferd nicht mehr zuzuhören.

Das würde auch das erklären, was du beschrieben hast: Wenn du ihn 40 mal durchreitest, springt er beim 41x weg oder kann jedes mal wegspringen. Wenns die ganze Zeit nur Ganze Bahn, Zirkel, mal ne Volte oder durch die Bahn wechseln gibt, dann schalten beide relativ schnell auf Autopilot. Wenn du von der langen/kurzen Seite oder von der Diagonale auf die Ecke zukommst, also von einer "geraden" Linie hast du in der Regel das Problem, dass sich das Pferd vorher, auf der Geraden nicht an den Hilfen, ins. Sitz, befunden hat, weil das Pferd auf der Geraden soo viel mehr Möglichkeiten hat, hier irgenwie auszuweichen - deshalb funktionierts auch im Schulterherein für dich gefühlt besser, weil das Pferd dir so nicht soo viel Widerstand entgegenbringen kann. Allerdings ist so ein krampfiges und ganz arg verspanntes Schulterherein ja auch nicht Sinn der Sache (wenns mal kurz sein muss, ok, aber wenn das dann in der Ecke zur Regel wird, dann ists nicht sinnvoll, weil das Pferd lernt sich dann halt anders zu verspannen) und gegen deine Einwirkung zu wehren. Also würde ich mich der Ecke möglichst nicht so nähern, dass das Pferd zuerst "gerade" (aber in sich schief) auf die Ecke zukommt. Deshalb von mir der Vorschlag zunächst die Schlagenlinien durch die Pylonen und Zirkel, Halbe Bahn usw zu reiten, damit das Pferd besser auf deine Hilfen hört und dann von der Schlangenlinie kommend (Pferd muss sich durch die Schlangenlinie immer mal nach rechts und nach links biegen (und kann sich dadurch nicht so leicht versteifen), dann zuerst die Volten in die "guten Ecken" und dann einfach nach der Schlangenlinie mal schnell eine Volte in die schlechte Ecke und danach gleich wieder in die gegenüberliegende Gute, damit man ja weiterreitet. Wenn das Pony gleich nach der Schlangenlinie eine Volte machen muss, ist er allein schon vom Platz ja schon fast praktisch in der Ecke. Wenn er die Ecke dann nach innen abkürzen will, weil sie ja so unheimlich ist, macht er sich das leben so viel schwerer, weil der Durchmeser der Volte ja dadurch kleiner wird. Also selbst wenn er beim ersten Mal irgenwie blöd gucken soll, einfach die Volte weiterreiten, dann Volte in der anderen Ecke und dann wider die Schlangenlinien mit den Volten in den anderen Ecken und dann nochmal auf der Seite mit den schlechten Ecken. Wichtig ist nur, dass man nicht gleich mit dem Ergebnis (also Volte in der schlechten Ecke) anfängt, sondern sich dieser erst nach min. 30 min nähert und man das Pferd davor schon etwas an die Hilfen gebracht hat und davor diese Ecke wirklich ausblendet. Je später in der Reiteinheit man sich der schlechten Ecke zuwendet, desto eher wird man dann erfolgreich durch sie durchkommen. Also auch beim Warmreiten im Schritt, die Ecke bewusst ausspraren, durch eine Hufschlagfigur, aber nicht dem Pferd erlauben, selbständig die Ecke zu vermeiden.

Eine Verständnisfrage für mich: Wenn du das Pferd so „stramm“ arbeitest und das Pferd dann durch die Ecken geht, hast du dann das Gefühl, dass du mit dem Pferd verwachsen bist, oder geht das Pferd „Gehorsam“ durch die Ecken, aber es fühlt sich noch nicht harmonisch und verwachsen an, sondern wahrscheinlich irgendwie stoßend und der Zügelkontakt wird vermutlich auch eher strammer wie leichter sein (oder zu leicht). Das Pferd wird mehr bergab laufen, die Kruppe hochdrücken usw.

Und jetzt kommt meiner Meinung nach der Knackpunkt: Wenn es sich beim Reiten so wie von mir grad beschreiben anfühlt, dann steht das das Pferd noch nicht sehr gut an den Hilfen. Ich kann so ein Pferd dann schon dazu bringen, dass es oberflächlich Gehorsam durch die Ecke läuft, aber beim 41 x habe ich dann das Problem, dass das Pferd wegspringen kann. Wenn das Pferd vor der Ecke nicht wirklich an den Hilfen steht, wird es die Ecke (aus Gewohnheit, Langeweile oder auch echter Angst) fast intuitiv nutzen um sich von den Reiterhilfen weiter zu befreien.

Meine Stute ist ein absolut braves Geländepferd und kennt Rinder – sie ist mit ihnen sogar jahrelang zeitweise zusammen auf einer Koppel gestanden. Vor ca. zwei Monaten hat sie beim Ausreiten, aus mir unerklärlichen Gründen beim Anblick einer Rinderherde, in ungefähr 500 m Entfernung, die wir schon 1000x gesehen haben, zusammengepackt und so ein Araber in seinem Wüstengalopp mit defekten Bremsen auf bayrischen Feldern mit nahenden Straßen ist alles andere als prickelnd und ich war kurzfristig echt in Seenot.

Ich bin den gleichen Weg dann zu erziehungszwecken nochmals gegangen, war aber dieses mal sehr viel bemühter, das Tier (lange bevor) wir an die kritische Stelle mit den Rindern gekommen sind, „unter Kontrolle“ zu bringen, hab den ganzen Weg entlang Zick-Zack Schenkelweichen gemacht und an den Rindern entlang bin ich jeweils 3 oder 6 Tritte Schulterherein links und rechts geritten und siehe da – das Pferd hatte sogar direkt am Rinderzaun absolut keine Probleme mehr mit Rindern, auch als diese buckelnd hinter uns liefen und der Trab war danach auch absolut phänomenal.

Vor ca. einem Monat war ich gerade beim Galoppieren auf dem Reitplatz und es war so ein mit dem Pferd verwachsener Galopp in welchem ich ewig hätte reiten können (den ich mir zuvor schon etwas mühsam erarbeiten musste). Jedenfalls donnerte es plötzlich so laut und heftig und ich spürte, wie meine Stute eigentlich nach vorne durchstarten wollte, aber praktisch nicht konnte und deshalb ganz normal weitergaloppiert ist – wie wenn irgendwas das durchstarten verhindert hätte (und das war nicht meine Hand, so reaktionsschnell wäre ich nie gewesen), das hat sich alles so schnell und aufeinmal abgespielt. Es war wirklich eigenartig, fast ein wenig unheimlich. Seit diesem Moment bin ich davon überzeugt, dass ein Pferd, das wirklich an den Hilfen steht, fast keine anderen Bewegungen mehr ausführen kann, als jene die der Reiter (irgendwie mit seinem ganzen Körper) zulässt.

Ich erzähle diese Geschichte deshalb, weil sie im Grunde auch für das Eckenproblem gilt. Es hätte nicht funktioniert, meine Stute erst neben oder kurz vor den Rindern (oder der Ecke) „unter Kontrolle“ zu bringen, weil das an die Hilfen bringen des Pferdes ein Prozess ist, den man (zumindest im Anfänger Reitenlern-Stadium) nicht sofort (in dem jetzt benötigten Moment) erreicht, sondern als „Anfänger“ braucht man da halt zunächst seine Zeit um alles herauszufinden, deshalb würde ich zuerst schauen, wie ich in dem „nicht gefährlichen“ Bereich des Reitplatzes das Verwachsen mit dem Pferd oder zumindest eine gefühlte Kontrolle über das Becken (nicht so sehr über die Hände) herstellen kann und mich erst dann der schlimmen Ecke annähern.

Gerade diese hochsensiblen Blüterchen, wie auch meine VA-Stute, sind sehr schnell in ihren Reaktionen auf den Menschen (egal ob bewusste Reiterhilfen oder unterbewusstes Zeug) und mit wirklich konzentrierter und teils auch für einen selbst komplizierter Arbeit tut man sich bzw. zumindest ich mich wesentlich leichter, die Ansätze von „ich spann mich gegen alles“ zu erkennen und dann Maßnahmen dagegen zu ergreifen bzw. nimmt man dem Pferd, allein schon wenn man kompliziertere Linien (insbesondere zick, zack Zeug) reitet, oftmals die Möglichkeit sich zu arg auf einer Seite festzumachen.

Was man allerdings berücksichtigen sollte: Wenn ich vom Pferd Konzentration und Aufmerksamkeit forderte, dann fordert das Pferd das gleiche von mir. Ich konnte bis vor zwei Monaten mit meiner Stute sehr bummelig im Gelände (auch mit anderen) unterwegs sein und Quatschen und Rauchen, also einfach das Pferd als Tragtier verwenden. Seit ich jedoch mehr Aufmerksamkeit von ihr vordere, macht sie das gleiche mit mir, sodass das Qualmen am Pferd und sich herum tragen lassen irgendwie automatisch aufgehört hat, weil sie sich eben allerlei kleinen Blödsinn hat einfallen lassen (wie dahinschleichen, einfach abbiegen, vor Nichtigkeiten scheuen usw.).

Ich denke jetzt im Nachhinein, dass der Vorfall bei der Rinderherde, wo ich eigentlich nur „entspannt“ ein wenig Gelände bummeln wollte, genau dadurch entstanden ist, weil ich vorher nicht gemerkt habe, dass mein Pferd aufmerksamer wurde und das gleiche von mir auch „verlangt“ hat, ich es jedoch nicht gemerkt habe. Daher rührt wahrscheinlich auch die Forderung der ganzen „alten Meister“, dass man bei allen höheren Ziele der Dressur auch darauf achten muss, dass das Pferd ein gutes „Gebrauchspferd“ bleibt und nicht in jeder „Gefühlregung“ oder versehentlichen Bewegung des Reiters sofort eine Anweisung sieht. Das könnte auch erklären, warum z.B. hoch ausgebildete Pferde nur von sehr guten Reitern nachgeritten werden können und bei „Gebrauchsreitern“ eben allerlei Blödsinn veranstalten, weil sie es gewohnt sind, auf „Gedanken“ zu reagieren. Ich danke daher, dass man sich schon im klaren sein muss, wie fein man sein Pferd (egal ob Dressur oder Springen) abstimmen möchte und ob das auch dem entspricht, was man tatsächlich gerne mit dem Pferd macht.

Wenn meine wahre Leidenschaft (und nicht nur vermeintlicher Ersatz, weil alles andere nicht „funktioniert“) im Distanz- oder Wanderreiten liegt, ich also die Freiheit mit dem Pferd, die Herausforderung der Wege, das Tempo liebe, wo einfach eine gewisse Selbständigkeit des Pferdes Voraussetzung ist, dann werde ich es wohl in Kauf nehmen müssen, dass mein Pferd beim Dressurreiten auf dem Reitplatz, etwas mehr Anlehnung nimmt, die HB weniger beugt und ich meine „Dressurhilfen“ etwas deutlicher und kraftvoller geben muss, um den für die Dressur geforderten Gehorsam herstellen zu können und es für mich als Reiter auch körperlich anstrengender ist, das Pferd zu einem annähernd korrekten Gehen zu veranlassen.

Wenn jedoch die subtile Kontrolle über das Pferd und die Einheit/das Verschmelzen mit dem Pferd mein heimlicher Wunsch ist, der Wunsch das Pferd nur mit den Gedanken zu reiten, dann werde ich auch persönlich nicht viel verlangen nach 40 km im Sattel haben, weil auf diese Distanz/Wegstrecke ist es einfach sehr schwierig die Konzentration zu halten und jeder unregelmäßige Tritt des Pferdes, jedes zu eilige und zu langsame Tempo, jedes Ungleichgewicht (zu dem es halt zwangsläufig kommt) wird mir persönlich als Reiter missfallen, sodass ein solcher Ritt eher eine Qual als ein Vergnügen sein wird. Was jedoch nicht bedeutet, dass man nur dumm in der Halle oder auf dem Platz herumgurkt. Mann kann wird natürlich auch Ausreiten gehen, aber man wird auch dabei in erster Linie seine Aufmerksamkeit auf die Bewegungen des Pferdes richten und z.B. Geländeunebenheiten/bergauf/bergab usw nicht einfach „überreiten“ sondern vielleicht bewusst als Trainingshilfe verwenden.

Ich glaube man kann beides bis zu einem gewissen Grad miteinander vereinen, aber je nach Niveau, das man erreichen möchte, wird man sich früher oder später entscheiden müssen, was und vor allem wie man eigentlich reiten möchte. Zudem glaube ich, dass es auch eine altersbedingte Entscheidung ist und je älter man wird, je mehr Respekt vor Unfällen, Verantwortung usw im Hinterkopf mitreitet, desto mehr wird man sich eher dem „Reiten durch Gedanken“ zuwenden bzw. sich dazu hingezogen fühlen, wie man möglichst ohne großen/gefährlichen Kampf mit dem Pferd, dieses seinen Gedanken „unterordnet“, während die jüngere Generation aufgrund der vielen Schutzengel durchaus noch mit robusteren Sachen klarkommt.

@ Ulrike: offensichtlich war Sonntag generell ein eher schlechter Tag zum Reiten – wollte am Sonntag gar nicht mal Springen sondern nur Stangen Traben auf dem Zirkel mit Stangen an den Zirkelpunkten, Zeit war auch etwas begrenzt, weil danach jemand auf eher unkontrolliertem Pferd RS hatte und ich da eigentlich nicht mehr auf dem RP sein wollte. Nur Traben – das können wir eigentlich. Wir können das eigentlich sogar im Galopp… naja, jedenfalls ist es mir dann mit Antraben so ähnlich gegangen wie dir, nur ohne Trainer. Als mich dann am Höhepunkt meines Zorns eine Pferdebremse durch die Reithose in meinen Oberschenkel gestochen hat, bin ich abgestiegen, zwei Runden geführt, wieder aufgestiegen und dann funktionierte es wie ein s**** Wunder doch mit Antraben und Traben über die Stangen und zum Abschluss im Galopp, trotz paralleler RS mit etwas unzurechnungsfähigem Reiter und Pferd. Offensichtlich ist die eigene Kopfkontrolle das schwierigste an dem Ganzen…
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

hilahola,


die Kopfkontrolle ist das A und O, denn sie bestimmt, wie es laufen wird und welche Energie wir wo einsetzen oder eben verschwenden...


Gleichzeitig lernen wir, das wir doch nur arme Schweinchen sind.


LG Ulrike
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Melli
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Beitrag von Melli »

Ich würde vor allem versuchen, mich um diese Ecke nicht zu zanken, also die Konfrontation mit "ich will da lang und du musst mit" nicht aufkommen zu lassen.
Der Großteil vieler wiederkehrender Konflikte liegt oft nicht mehr am ursprünglichen Auslöser, sondern weil das das Ding oder die Stelle ist, an der man sich schon so oft auseinandergesetzt hat, wo man schon so oft Angst hatte. Es wird ein Muster.

Ein gute Mittel dafür ist Annäherung und Rückzug, ähnlich wie schon beschrieben, indem man sich langsam annähert (Wanderzirkel z.B.), aber mir ist wichtig, dass ich auch immer wieder locker und easy da weggehe (Rückzug), wenn das Pferd meldet "da ist aber die Ecke!", auch wenn es noch nicht deutlich gegen meine Hilfen geht, dann wandern wir von der Ecke halt wieder weg und arbeiten am anderen Ende des Platzes konzentriert. No big deal.

Nächster Punkt, der gut funktioniert ist, "in Richtung" der Gruselecke die Entspannung geben, also zB auf dem Mittelzirkel (oder wie weit man eben sorglos da herankommt) an der "Gruselseite" bisschen zadHk innerhalb der Gangart, Raum geben, entgegen dem inneren Impuls: Zügel und inneres Bein geben Luft, erlauben dem Pferd, sich auch mal hohl zu machen (no big deal), Emotionen zulassen (aber eben in einem Abstand, der die Fluchtschwelle nicht überschreitet), Luft holen lassen statt Luft anhalten, "ich zwinge dich nicht".
Zwei, drei Runden wiederholen, wenn das Pferd sich fühlbar entspannt, wieder weg von der Ecke wandern, woanders konzentriert weiterarbeiten, dann wie beiläufig wieder Entspannung in Richtung der Gruselecke anbieten etc.

Pferde, die plötzlich losschießen, haben idR zu lange sich zusammengerissen weil sie lieb oder folgsam sind oder beides, in jedem Fall ist die emotionale Grundspannung an sich schon zu hoch gewesen. Darum tritt sowas an Tagen mit zusätzlicher Ablenkung, Stress, Sturm.... vermehrt auf.

Dass das Pferd beginnt, einen Teil seiner Konzentration auf "...da ist aber die Ecke...!" zu verwenden, beginnt viel eher, als der Reiter auf einem lieben, folgsamen Pferd deutlich bemerkt, stärker einwirken zu müssen, und genau da ist aber der entscheidende Arbeitsbereich.

Ich arbeite dann mandalaartig an der Entspannung.
Dass das Pferd nach und nach meiner Führung vertraut und ich auch mal sagen kann, komm, das schaffst du, oder irgendwann auch, auf, geh, das entwickelt sich da heraus. Vielleicht nicht heute oder morgen.

In Gruselecken zu füttern, viel Pausen genau und nur da zu machen ist schon auch eine gute Idee, aber dann muss man es richtig machen, es konsequent zu einem "guten Ort" widmen.
Und das übt man an den guten Tagen. An den schwierigen Tagen kann man ernten, was es geholfen hat.

Wenn der Transfer Boden--Reiten nicht funktioniert, dann wahrscheinlich, weil er nicht richtig aufgebaut wurde. Alle Übungen müssen aus Höhe der Sattellage, Kruppe und von hinter dem Pferd (in dieser Reihenfolge --> Annäherung und Rückzug in Bezug auf die Führposition) einwandfrei klappen, um das "vorauslaufen", das das Pferd unter dem Reiter leisten muss, zu üben. Genaugenommen ist es ja kein "ich will da lang und du musst mit", sondern ein "ich will da lang und du musst vor!"
Wenn es dann immer noch nicht klappt, arbeitet eine das Pferd am Boden, während die andere draufsitzt, zu Beginn rein als Passagier, dann wechselt die Führung nach und nach auf die Reiterin, auch das als Annäherung und Rückzug (in Bezug auf die Führungsrolle).

Zuletzt ist es natürlich ein Ziel, dass das Pferd dem Urteil des Reiters folgen soll, weil es ihn als Anweisenden nicht in Frage stellt

Das kann in der Realität aber nur das Pferd entscheiden. Ich muss es mir durch viele gute Entscheidungen (in den Augen des Pferdes) verdienen.

Wenn das Pferd wahrnimmt (wir können sie natürlich nicht fragen, nur mutmaßen), wenn ich Angst habe macht meine Reiterin mehr Druck (weil es ihr wichtig ist, ihre Linie zuende zu reiten), dann wird die Angst nicht besser, vielleicht kommt sogar die Angst vor Angstsituationen dazu.
Wenn es wahrnimmt, wenn ich Angst hab, dann hilft mir meine Reiterin, sie merkt das früh und reagiert darauf konstruktiv, dann macht es vielleicht nochmal einen Hupf und gut.

Ich kann meine Führung natürlich einfordern, aber immer mit genau dem Risiko, dass das Pferd irgendwann entscheidet, so, bis hier habe ich gemacht was du sagst, aber jetzt isses zu viel, und dann überschießend reagiert. Und entsprechend übel nimmt, wenn man seine Angst in seinen Augen dann immer noch nicht genügend ernst nimmt.

Innere Einstellung: ist vermutlich sehr oder alles entscheidend.
Ich habe ein Zeit lang ein Pferd geritten und nach Wochen erfahren, dass das Pferd seit Jahren "diese Ecke" hat, an der man nicht vorbei kommt. Bei mir hat es das nie gezeigt, selbst bei Sturm nicht, weil ich vermutlich schlichtweg nicht davon wusste.

Viel Erfolg!
hilahola
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Beitrag von hilahola »

Ich glaube, das Pferd als Fluchttier hat grundsätzlich eigentlich "immer" potentielle Angst vor was auch immer und ich glaube man kann diese angeborene Angst- und Fluchtreaktion des Pferdes auch nicht wirklich wegtrainieren - zu einem bestimmten Grad kann man das Pferd sicher an allerlei komische Dinge gewöhnen, aber das Grundmuster wird nie weggehen. Als Reiter hat man im Grunde genau vor diesen Reaktionen des Pferdes Angst und man will die Reaktion unterdrücken/verhindern mitunter mit zu starken Hilfen, die dann das Pferd zwar oberflächlich Gehorsam erscheinen lassen, aber im entscheidenden Moment oder völlig unvorhergesehen explodieren diese Tiere dann. Man hat dann (völlig unbewusst) das eigentliche Problem verstärkt, obwohl man es eigentlich verhindern wollte eben durch gerade etwas deutlichere Hilfen.

Ich habe neulich eine Dr-Arbeit mit Studie zum Fluchtverhalten der Pferde gelesen. Dabei wurden die Pferde mit unterschiedlichen angstaulösenden Dingen (Sachen und Geräusche) konfrontiert und man hat beobachtet, wie die Pferde reagieren. Es gibt offensichtlich unterschiedliche Arten, wie Pferde auf angsteinflößende Sachen reagieren und hängt dies auch teilweise mit dem Alter zusammen. Dabei wurden unterschiedliche "Stufen" des Fluchtverhaltens beobachtet. Angefangen hat es glaub ich mit etwas mit gebogenem Hals beäugen und schief umkreisen, das war glaub ich die "mildeste" Form. Die stärkste Form war Flucht in vollem Galopp. Die Pferde haben hier auch sehr individuell reagiert. Manche haben gleich die Flucht eingeschlagen, manche sind zuerst erstarrt und haben dann die Flucht eingeschlagen. Das interessante jedoch war, dass fast alle Pferde nach der anfänglichen Flucht doch ein Interesse an dem angsteinflößendem Ding gezeigt haben und es dann beäugt, beknabbert usw haben. Die Pferde waren also neugierig und haben das Teil dann erkundet und so hat praktisch die Neugierde die Angst langsam überwunden. Interessant war auch der Altersbezug. Junge Pferde sind anscheinend früher geflüchtet, haben sich dann aber schneller an das komische Ding angenähert, weil bei ihnen der Spieltrieb überwiegt. Ältere Pferde sind resourcenschonender und neigen eher zum Erstarren (also Lage checken und schauen, ob es sich wirklich auszahlt wegzurennen), aber wenn sie dann Flüchten, dann schnell und eher ohne Rücksicht auf Verluste.

Bei meiner Stute hat die "Entspannungsschiene" mit sich langsam etwas nähern, dann wieder weg usw am Anfang ganz gut funktioniert - das Pferd am langen Zügelt etwas begutachten lassen usw. Und auch mal Zügel ganz lang lassen und einfach am losen Zügel traben, da ist die relativ zuverlässig "runter" gekommen - eine Zeit lang. Irgendwann hat sie dann angefangen, wenn ihr etwas ganz arg komisch vorgekommen ist, richtig zu erstarren, sich dann aufzuplustern und dann von 0 auf 100 vollstart ohne Bremse. Die lange Zügel und Halstätscheln-Methode hat einfach nicht mehr funktioniert und ich konnte es mir nicht erklären, bis ich diese Studie gelesen hatte.

Wenn ich sobald ich merke, dass sie in diesem "Modus" kommt, Zügel lang und darauf warten, dass sich die "Entspannung" dann vom Himmel irgendwie einstellt, ist dann meiner Meinung nach tödlich, weil man selbst in so einer Situation viel zu lange braucht um in sich selbst eine Entspannung bewusst herzustellen. Man erstarrt dann gleich wie das Pferd, wird total Handlungsunfähig und reagiert viel zu spät auf alles. Wenn ich den Errstarrungs-Moment realtiv früh abfangen kann und ihr dann einen längeren Zügel gestatte mit Traben, dann ist es ok, aber ich brauche dann relativ lange, bis wir beide wieder in den konzentrierten "Arbeitsmodus" kommen. Wenn ich den Moment jedoch übersehe und sie sich schon in ein erstarrtes Pulverfass verwandelt hat, dann nützt (wie ich einmal herausfinden haben müssen) offensichtlich nur sehr deutlicher Schenkel und Zügeleinsatz auf der steifen Seite, sodass der Hals wirklich stark abgebogen wird und wie mit den Hinterbeinen übertreten muss und sich nicht festerstarren kann. Das ist nicht schön, weil man damit das Pferd, handlungsunfähig macht, und man muss damit wirklich sehr gut aufpassen, weil wenn das Pferd trotzdem auf Flucht besteht und sich nicht beruhigen lässt, kann es anfangen Rückwärts zu rennen oder fällt mitsamt Reiter zur Seite auf den Boden. Ich habe das mit gleichseitigem Schenkel und Zügel einmal bei meiner Stute intuitiv ausprobiert, als sie im Pulverfass-Modus war, als ich allerdings gemerkt habe, wieviel Kraft ich aufwenden muss (um diesen theoretisch guten Ansatz umzusetzen) und wieviel Kraft das Pferd dagegen aufwendet, und wie knapp wir nicht umgefallen sind bei dieser Aktion, habe ich für mich persönlich beschlossen, dass meine absolut oberste Priorität beim Reiten ist, den Pulverfass-Modus schon im Keim zu ersticken.

Und um wieder auf die Studie zurückzukommen: Die Pferde haben sich an den angsteinflößenden Gegenstand selbständig (also ohne Anleitung durch den Menschen) wieder angenähert aus Neugierde, weil diese dann schlussendlich die Angst überwogen hat. Ich denke also, dass man es durchaus so sehen könnte, dass die angeborene Angst des Pferdes nicht durch oberflächlichen reinen Gehorsam bekämpft wird, sondern dadurch, dass man als Reiter die (natürliche) Neugierde des Pferdes fördert - halt im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Bewegungsmöglichkeiten. Das würde auch erklären, warum viele Pferde so viel motivierter sind, wenn man mit Pylonen oder Stangen arbeitet. Allerdings denke ich auch, dass ein gewisser RUHIGER Gehorsam auf die einzelnen Hilfen vorhanden sein muss, weil sonst kann man dem Pferd ja gar keine neuen Bewegungsmöglichkeiten zeigen. Aus diesem ruhigen Gehorsam entwickelt sich dann während des Reitens nach und nach der "Sekundengehorsam" der dann dazu führt, das man wie nur mit Gedanken reitet. Wenn ich allerdings diesen Sekundengehorsam gleich haben möchte zu beginn ("du gehst jetzt in die Ecke" und zerr mit Zügeln und Schenkeln an dem Tier), dann überfällt man das Pferd mit zu wuchtigen Hilfen, die es nicht versteht (und entweder Angst bekommt oder ignoriert oder wahlweise beides abwechselnd) und deshalb auch nicht ruhig und gehorsam umsetzen kann.

Ich glaube daher, dass man je nach Alter und konkretem Angstverhalten des Pferdes unterschiedliche Strategien fahren muss (und vor allem auch bereit sein muss, seine Strategie zu verändern, wenn man merkt, dass die bisherige nicht funktioniert). Bei einem jungen Pferd mag die "Entspannungsstrategie" mit schauenlassen und halstätscheln eher gut funktionieren, bei älteren Pferden wird man wohl eher über RUHIGEN Gehorsam auf die einzelnen Hilfen zur Neugierde auf verschiedene Bewegungen und das was man mit dem Reiter gemeinsam macht, die Angst langsam aber stetig abbauen.

Ich habe bei meiner Stute dann immer das Gefühl, dass sie so ganz "selbstvergessen" ist, wie wenn sie gar nicht merken würde, dass jetzt 1 Meter vor ihrem Kopf eine Ente aus dem Bach geflogen ist, es heiß oder kalt oder windig ist, ob Mücken und Bremsen stechen, die Kollegen auf die Koppel gehen usw, weil sie so in sich und das was sie grade tut versunken ist. Das sind für mich die wirklich schönen Momente beim Reiten, die sich nicht erzwingen lassen, sondern einfach entstehen.
Milea
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Beitrag von Milea »

Hach, Du beschreibst genau das Problem, welches ich mit meiner Stute gehabt habe.
Die eine lange Seite unseres Reitplatzes ist auch mit diversen Bäumen zum Feldrand hin bewachsen.
So bald auch nur ein kleines Lüftchen wehte, saß ich auf einem Pulverfaß. :roll:
Der Unterschied zu deinem Pferd war nur, dass sie an der Hand noch schlimmer und hysterischer gewesen ist.
Ich habe viele Tipps ausprobiert, von Clickern bis Intervalltraining und stumpfes drüberwegreiten. Das Ignorieren ist eigentlich das Schlimmste gewesen, da wurde es von Mal zu Mal schlimmer. Ihre Panik ist dadurch sogar soweit verstärkt worden, dass sie einmal frei durch den Zaun zum Paddock hin gebrettert ist. Sie stand damals zusammen mit dem Shetty auf dem Reitplatz und zupfte friedlich an ein paar Grashälmchen. Als dann eine kleine Windböe aufkam und die Blätter raschelten, galoppierte sie panisch los. Leider reichte es dann nicht mehr für die Kurve und sie galoppierte einfach durch den Zaun. Zum Glück ist ihr dabei nicht viel passiert.

Die Lösung ist dann folgende Kombination für uns gewesen:
-Permanenter Handwechsel (also wirklich nie auf einer Hand bleiben!)
-Wenn sie etwas unheimlich findet glotzen lassen (und wenn es 5 Minuten dauert)
-An den Bäumen knabbern lassen
-nie Druck aufbauen (drüber weg reiten ist schon Druck) oder bestrafen
-neuer Sattel
- Equikinetik
Was man nicht vergessen darf, ein geschmeidiges Pferd ist ein entspanntes Pferd. Nicht umsonst ist die steife Seite die schlimmere Seite. Die Pferde haben Angst nicht schnell genug fliehen zu können.
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Bin noch nicht dazu gekommen, mir alles durchzulesen. Heute Nachmittag ist Sofa angesagt (wird heiß). Dann hab ich Zeit.
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Beitrag von Fortissimo »

So, jetzt habe ich mir alles durchgelesen, auch schon mal etwas ausprobiert und Erfolge wie Misserfolge gehabt. Was leider nicht funktioniert hat ist: no big deal. Also dem Pferd gestatten, sich auch mal hohl zu machen und mit langem Zügel in die Ecke zu reiten. Wenn ich die Hand nicht dran hatte, bin ich noch nicht mal auf 15 Meter in Richtung Ecke gekommen. Er legte dann den Rückwärtsgang ein :roll: oder wäre umgedreht, wenn ich ihn gelassen hätte.

Funktioniert hat das mit den Pilonen deutlich besser, wenn auch noch nicht perfekt, aber wir arbeiten daran.

@hilahola: es scheint, daß mein Pferd den Unterschied zwischen Distanzritt, Wanderritt und Dressurarbeit sehr genau kennt! Gehe ich ins Gelände, kann ich wirklich bummeln oder Gas geben. Er reagiert dann auf meine Hilfen, aber überreagiert nicht. Auf dem Dressurplatz reagiert er auf jede (richtige oder falsche) Hilfe extrem! Manchmal habe ich das Gefühl, auf 2 verschiedenen Pferden zu reiten! Was er im Gelände locker ausbügelt (wenn ich z.B. schief sitze), würde er auf dem Dressurplatz NIEMALS dulden und mir das Leben echt schwer machen! Meine Reitlehrerin meint, daß dieses Pferd aufgrund seiner Sensibilität eine echte Herausforderung ist. Aber wenn ich meinen Sitz so verfeinert hätte, daß es mit diesem Pferd klappt, würde ich auch nahezu alle anderen Pferde reiten können. Nur "mal eben" etwas lockere Dressurarbeit nach Feierabend klappt so nicht. Also entweder mit voller Konzentration und Körperbeherrschung oder gar nicht...
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Beitrag von hilahola »

Spitze! Freut mich, dass du es ausprobiert hast :) zum Rückwärtsgang, Umdrehen, Wegspringen, Scheuen usw: Zeichen dafür das Pferd "nicht gehort" nicht "an den Hilfen ist" "sich entzieht" - ist relativ logisch, am langen Zügel, inbesondere am Anfang der Reiteinheit. Die Ursache hierfür liegt meistens irgenwo im Kopf vom Pferd, kann 100% Gründe haben und ich forsche ehrlich gesagt nicht mehr nach diesen "mentalen" Gründen, weil mich das verrückt machen würde.

ja, das glaube ich dir, dass dein Pferd den Unterschied genau kennt - das macht das ganze mit der "lockeren Dressurarbeit nach Feierabend" ja auch so schwierig für dich. Wenn ich jetzt dein Pferd wäre und WEISS wie selbständig ich im Gelände agieren KANN/MUSS, dann würde es mir auch nicht einleuchten, diese Eigenständigkeit auf dem Reitplatz mal eben auszuschalten bzw. "schalten" die dann im Endefekt auch um sich zu entziehen auf "Übersensibel und jeder reiterliche Fehler ist ein absolutes Drama das mit deutlichsten Reaktionen für alle Umstehenden deutlich sichtbar quitiert wird" um. Das ist gerade die Herausforderung bei Vielseitigkeitspferden insb. auf höherem Niveau: einerseits muss man die Pferde für die Geländestrecke zu einer gewissen Eigenständigkeit erziehen, andererseits erfordern komplexe Springparcours und Dressuraufgaben, die Aufgabe einen Großteil dieser Eigenständigkeit. Das Pferd muss also aktiv lernen zu "switchen" - mein eigenes Pferd "lernt" gerade wieder, dass ich beim Reiten auch mal Quatschen und mich nur am halblangen Zügel tragen lassen möchte, und dein Pferd muss halt lernen, dass du nach deinem belieben die "Kontrolle" übernehmen möchtest.

So gesehen mal eine ganz andere Idee: Wäre es möglich, dass du z.B. beim Ausreiten dressurmäßige Übungen einbaust? Also mal auf einem Weg, Vorhandwendung, Hinterhandwendung, Schenkelweichen und dann nach und nach diesen im Gelände "erarbeiteten" Gehorsam mit auf den Reitplatz nimmst? Also jetzt nicht ständig Zügel stramm beim Ausreiten, aber so alle 5 bis 10 Minuten mal irgenwelche Übungen einbauen und dann wieder eine Zeitlang "selbständiges Pferd" am halblangen Zügel sein lassen. z.B. dass man mal einen Weg entlang bewusst unterschiedliche Seitengänge reitet (ohne dass sie pferfekt sein müssen), sondern einfach nur, damit man auch im Gelände mal was "anderes" macht und das Pferd so "spielerisch" lernt, dass es draußen auch ab und zu seine Kontrolle abgeben muss. Vielleicht streubt es sich dann vom Kopf her nicht so gegen die Aufgabe der Kontrolle am Reitplatz.

Zu den Pylonen: an was hat es bei den Pylonen auf der Mittellinie gehapert? Lenkung? Tempo? LMAA-Pferd das alles umrennt? Oder waren dann die Pylonen die Staatsfeind Nr. 1? oder hat sich das Pony in den Pylonen zwar brav aufgeführt, aber bei der anschließenden Volte in der böse Ecke diese trotzdem noch verteufelt?

Die Pferde merken sich solche "Übungen" sehr schnell (insb. wenn es solche intelligenten Exemplare sind). Ich würde die Pylonen deshalb nicht regelmäßig auf der Mittellinie aufstellen, sondern in jeder Dressurreiteinheit anders. Z.B. die Wechsellinie entlang (zuerst nur die Wechsellinie in die gute Ecke und wieder zurück und dann erst nach und nach Richtung der bösen Ecke), oder paralell zur kurzen Seite von B zu E und jeweils von Zirkelpunkt zu Zirkelpunkt und dann die Schlangenlinien also quer reiten und sich dann bei den Zirkelpunkten bei der bösen Ecke eben auch langsam Pylone für Pylone anpirschen - also immer erste Pylone und wieder zurück ersten zwei Pylonen und wieder zwei Pylonen zurück, ersten drei Pylonen und wieder zurück.

lg hilahola
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