Klassische Ausbilder und ihre Vor- und Nachteile..Diskussion

Rund um die klassische Reitkunst

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Jen
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Beitrag von Jen »

Cube, das was du von spanien erzählst ist für mich nicht untertourige gymnastizierung, sondern lektionsschrubberei. Guck dich mal im Lager der akademischen Reitkunst um. Da siehst du reihenweise gute Rücken, bewegliche, geschmeidige Pferde etc. Vorwärts wird da etwas anders verstanden. Bei den Klassikern ernten sie wenig Lob, aber die Pferde sehen durchs Band sehr gut aus. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Liebe Grüesslis, Jen
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Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

Ok, Geschlurfe mag das kleinere Übel sein als Gerenne. Davon wird es aber noch nicht erstrebenswert...
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

Wer sich für eine chronologische Entwicklung der Reiterei interessiert,dem kann ich nur wiederholt das Buch Rollkur von Heinz Meyer ans Herz legen.

Dort wird dieses Thema über 200 Seiten abgehandelt und dabei geht es nicht rein um die Überzäumung des Pferdes.

Xenophon,Grisone,Löhneysen,Pluvinel,Cavendish,Gueriniere,Hünersdorf,Seidler,Seeger,Baucher,Fillis,von Krane,Steinbrecht,Plinzner,Caprilli und das Dressurreglement der FEI
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich möchte hier eigentlich keine neuen Pauschalieren einbringen oder mich am "Klassenkampf" beteiligen. Für mich gibt es - und da wiederhole ich mich immer gerne - nur gutes Reiten und schlechtes Reiten. Und das gibt es überall, unabhängig vom Reitstil, vom Pferdetyp oder der "Verkleidung" des Reiters.

Trotzdem (und ich wähle das Beispiel nur zur Verdeutlichung, nicht um den Grabenkampf weiter anzufachen): Wenn, wie bei vielen vermeintlichen Klassikreitern, die ihre Videos ins Netz stellen, die Hinterhand völlig im Nirvana weilt, das Pferd noch darüber hinaus am hingegebenen Zügel (aber einhändig auf blanker Kandare) vor sich hin auf der Vorhand schlurft (mit Vorliebe dann noch irgendwie ständig seitwärts), dann ist auch der Rücken nicht dabei, weil das gesamte Pferd völlig auseinandergefallen ist. Und wenn man sich dann noch vorgaukelt, das Pferd sei durch die Versammlung so bequem zu sitzen und so leicht an der Hand, zeugt das von ziemlicher Realitätsferne. Möglicherweise mag das langfristig für das Pferd schonender sein als deftiges Vorwärtsgeschrubbe - richtig ist es deshalb noch lange nicht, und ich weigere mich, von zwei Übeln das vermeintlich geringere für besser und pferdeschonender zu halten.

Richtiges Vorwärts hat noch nie einem Pferd geschadet! Damit meine ich das individuelle Arbeitstempo des Pferdes, wobei die Hinterbeine einen kleinen Tick mehr aktiviert werden sollten, als das Pferd von alleine zu geben bereit ist - nur das stellt sicher, dass das Pferd nicht doch auf die Vorhand abkippt. Wenn man sich dabei dann nicht am Zügel festhält und gleichzeitig hinten die Sporen reinbohrt, sondern sicherstellt, dass das Pferd eine stetige, leichte Anlehnung hat und locker über den Rücken schwingt und von alleine fleißig vorwärts will, ist das die beste Voraussetzung, um ein Pferd bis ins hohe Alter fit zu halten.

Genau das oben beschriebene Arbeitstempo ist Voraussetzung, damit ein Pferd eine wahre Versammlung lernen kann. Das lernt es nicht, wenn es ständig ganze Bahn Runde um Runde vorwärts geschickt wird, damit es "treten" lernt (davon wird es nur steif wie eine Bahnschwelle und total verspannt), das lernt es aber auch nicht, indem es lahmar**ig, völlig auseinandergefallen seitwärts vor sich herschlappt. Richtige Versammlung hat Kadenz und Ausdruck und - je nach Pferdetyp und Veranlagung - Dynamik. Und trotzdem liegt eine Ruhe und eine Entspanntheit in richtig gerittener Versammlung. Weil das Pferd, wie der hier bereits zitierte Paul Stecken sagt, nur die Muskulatur benutzt, die es in diesem Moment benötigt, und die restliche Muskulatur entspannt.

Und im Training ist es immer wieder erforderlich, nach einer Reihe versammelnder Lektionen, das Pferd ins frische Vorwärts zu entlassen - eine lange Seite mittlere Verstärkung, mehr muss nicht sein. Genau aus dem oben genannten Grund: es entspannt die Muskulatur, die kurzzeitig durch Versammlung oder Lektion stärker beansprucht war.

Versammlung heißt nicht langsamer Reiten. Nirgendwo, in keiner Stilrichtung! Versammlung heißt, dass die Kräfte des Pferdes stärker ver- oder gesammelt werden, damit die Bewegung mehr nach oben geht und weniger nach vorne. Das nennt man Kadenz. Dabei fließt noch immer die Bewegung frei und locker durchs Pferd, vom Hinterhuf bis ins Maul und von dorthin zurück in die Reiterhand, die mit stetiger Hand und Anlehnung (die im Idealfall im Grammbereich liegt) diesen Schwung und diese Dynamik weich abfängt und zielgerichtet im Einklang mit den anderen Hilfen kanalisiert.

Darüber sind sich übrigens die guten Vertreter der deutschen und der französischen Schule einig. Die Unterschiede liegen in einem anderen Verständnis bestimmter Teilaspekte eines größeren Ganzen.
Viele Grüße
Sabine
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sab
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Beitrag von sab »

Hallo,


also, noch mal zu den guten alten Zeiten; ich finde schon auch, dass der moderne Pferdesport sowohl im Turnierbereich als auch im Freizeitbereich ziemlich gruselig ist. Im Turnierbereich, weil Pferde da oft als strampelnde oder springende Geldschränke behandelt werden und im Freizeitreiterbereich, weil es da soviel Mist aus Unkenntnis gemacht wird.

Aber dass es Pferden früher besser ging ? Ich bezweifele das sehr. man denke nur an die vielen, vielen Pferde, die ihr Leben in den letzten zwei Kriegen für das Vaterland lassen mussten und es vermutlich nicht süss und ehrenvoll fanden, so zu sterben. Oder der Reitsport in den 70zigern ; ich habe in einem renommierten Reitverein (Hannoverscher Reitverein)damals reiten gelernt. Es war völlig selbstverständlich, dass die Schulpferde in Ständern standen. Genauso selbstverständlich war es wirklich kein Pferd jemals auf eine Weide oder ein Paddock kam - das gab es natürlich nicht ! Was sicherlich besser zu der Zeit war, waren die Ausbilder. In den Jahren gab es in meinem Reitverein wirklich gute Ausbilder, dass war ganz anders als heute. Der Ton war manchmal rauh, aber das hat mich persönlich nicht sonderlich gestört.

LG

Sabine
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Max1404 hat geschrieben: Trotzdem (und ich wähle das Beispiel nur zur Verdeutlichung, nicht um den Grabenkampf weiter anzufachen): Wenn, wie bei vielen vermeintlichen Klassikreitern, die ihre Videos ins Netz stellen, die Hinterhand völlig im Nirvana weilt, das Pferd noch darüber hinaus am hingegebenen Zügel (aber einhändig auf blanker Kandare) vor sich hin auf der Vorhand schlurft (mit Vorliebe dann noch irgendwie ständig seitwärts), dann ist auch der Rücken nicht dabei, weil das gesamte Pferd völlig auseinandergefallen ist. Und wenn man sich dann noch vorgaukelt, das Pferd sei durch die Versammlung so bequem zu sitzen und so leicht an der Hand, zeugt das von ziemlicher Realitätsferne. Möglicherweise mag das langfristig für das Pferd schonender sein als deftiges Vorwärtsgeschrubbe - richtig ist es deshalb noch lange nicht, und ich weigere mich, von zwei Übeln das vermeintlich geringere für besser und pferdeschonender zu halten.

Richtiges Vorwärts hat noch nie einem Pferd geschadet! Damit meine ich das individuelle Arbeitstempo des Pferdes, wobei die Hinterbeine einen kleinen Tick mehr aktiviert werden sollten, als das Pferd von alleine zu geben bereit ist - nur das stellt sicher, dass das Pferd nicht doch auf die Vorhand abkippt. Wenn man sich dabei dann nicht am Zügel festhält und gleichzeitig hinten die Sporen reinbohrt, sondern sicherstellt, dass das Pferd eine stetige, leichte Anlehnung hat und locker über den Rücken schwingt und von alleine fleißig vorwärts will, ist das die beste Voraussetzung, um ein Pferd bis ins hohe Alter fit zu halten.

Genau das oben beschriebene Arbeitstempo ist Voraussetzung, damit ein Pferd eine wahre Versammlung lernen kann. Das lernt es nicht, wenn es ständig ganze Bahn Runde um Runde vorwärts geschickt wird, damit es "treten" lernt (davon wird es nur steif wie eine Bahnschwelle und total verspannt), das lernt es aber auch nicht, indem es lahmar**ig, völlig auseinandergefallen seitwärts vor sich herschlappt. Richtige Versammlung hat Kadenz und Ausdruck und - je nach Pferdetyp und Veranlagung - Dynamik. Und trotzdem liegt eine Ruhe und eine Entspanntheit in richtig gerittener Versammlung. Weil das Pferd, wie der hier bereits zitierte Paul Stecken sagt, nur die Muskulatur benutzt, die es in diesem Moment benötigt, und die restliche Muskulatur entspannt.

Und im Training ist es immer wieder erforderlich, nach einer Reihe versammelnder Lektionen, das Pferd ins frische Vorwärts zu entlassen - eine lange Seite mittlere Verstärkung, mehr muss nicht sein. Genau aus dem oben genannten Grund: es entspannt die Muskulatur, die kurzzeitig durch Versammlung oder Lektion stärker beansprucht war.

Versammlung heißt nicht langsamer Reiten. Nirgendwo, in keiner Stilrichtung! Versammlung heißt, dass die Kräfte des Pferdes stärker ver- oder gesammelt werden, damit die Bewegung mehr nach oben geht und weniger nach vorne. Das nennt man Kadenz. Dabei fließt noch immer die Bewegung frei und locker durchs Pferd, vom Hinterhuf bis ins Maul und von dorthin zurück in die Reiterhand, die mit stetiger Hand und Anlehnung (die im Idealfall im Grammbereich liegt) diesen Schwung und diese Dynamik weich abfängt und zielgerichtet im Einklang mit den anderen Hilfen kanalisiert.

Darüber sind sich übrigens die guten Vertreter der deutschen und der französischen Schule einig. Die Unterschiede liegen in einem anderen Verständnis bestimmter Teilaspekte eines größeren Ganzen.
So sieht es aus :D
Jen: Da habe ich mich heute Morgen missverständlich ausgedrückt bei meinem spanischen Beispiel von der Passage. Es ging nicht darum, mit einem jungen Pferd die Pa zu schrubben, der Arbeitstrab sah nur wie eine sehr verunglückte solche aus, weil er schlicht extrem untertourig geritten wurde. Mit HH im Stall (und bei diesem Beispiel lag der Stall gleich einen ganzen Berg weit weg :D )
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
Bebe
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Beitrag von Bebe »

Hallo ihr Lieben.
Ich war gestern auf dem Turnier wo Dressurpferde A und Reitpferde geritten wurden. Ich habe mich direkt neben die Richter gesetzt, um zu hören was sie sagen. :D

Es waren einige GANATEN Pferde dabei.
Am häufigsten hörte ich ( als die beiden sich besprochen hatten)

Zum einen:Schade, hätte sie nicht schon von Anfang an soviel Gas gegeben, hätte sie im Mitteltrab( was ja eigentlich Tritte verlängern ist) noch mehr zeigen können. Sie sagten auch das es kein Arbeitstempo war!
Beim anderen hieß es: ( also unter sich)
Sehr sehr schade das Pferd hat Potenzial, aber leider wurde sie vorne zu eng gemacht, das die Hinterhand nicht ganz durch kam.
Abzug in der Note, weil es zu eng war. Auch das Zügel aus der Hand kauen klappte bei den meisten nicht, weil sie nicht an die Hand ran ziehen. ( m.E. helten die vorne fest, um das Pferd unter Kontrolle zu halten.

Das gruseligste war, wo die Zügel länger wurden und das Pferd sich immer mehr ein Rollt und vor der Brust abknickte.

Grausam und konnte ich mir nicht ansehen.
Morgen werde ich wieder hin gehen da sind L Dressuren mal sehen was dort zu finden ist.

Es ist nicht Pauschal, darum sollte man sich hier nicht aus einander pflücken, denn ich denke, die die hier im Forum sind haben viel Erfahrung und reiten eben NICHT SO!!
Man kann von einander lernen wenn der eine seine Reitweise hat, kann man schauen, was dort gutes drin ist, und vielleicht ist etwas positives dabei.

Reitweise hin oder her ich möchte Pferdegerecht und mein Pferd Gesund erhalten.
Und die, die es nicht einsehen, werden es spätestens dann lernen, wenn ein Fehler passiert ist.
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Ravina
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Beitrag von Ravina »

:o Aber ist das, was du von den Richtern gehört hast, nicht eine gute Sache :roll:
Diese haben doch genau das bemängelt, was wir hier im Forum als "nicht-pferdegerecht" anprangern. Wenn die Herren/Damen Richter das mit ihren Noten begleiten und deutlich in's Protokoll schreiben, könnten sie die Reiter auf den richtigen Weg schicken :wink:

8) Ich meine, dass ich das in meinem Bereich schon erkennen kann :idea:
Anneli
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ravina hat geschrieben::o Aber ist das, was du von den Richtern gehört hast, nicht eine gute Sache :roll:
Diese haben doch genau das bemängelt, was wir hier im Forum als "nicht-pferdegerecht" anprangern. Wenn die Herren/Damen Richter das mit ihren Noten begleiten und deutlich in's Protokoll schreiben, könnten sie die Reiter auf den richtigen Weg schicken :wink:

8) Ich meine, dass ich das in meinem Bereich schon erkennen kann :idea:
Anneli
Eben - immer werden die "falsch" wertenden Richter bemängelt, dann muß man es als einen guten Anfang werten, wenn die umdenken, sehe ich absolut so.

Denn eins ist mal klar: wenn die Leuts mit wursteligem Gereit nicht mehr erfolgreich sind, dann wird die Reiterei sich allmählich anpassen, das sollte doch eher positiv bewertet werden. :)
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Auch wenn es nicht zur Diskussion gehört: gestern wurde auf Clipmyhorse eine A-Dressur aus Lingen mit Reitern bis Jahrgang 1996 gezeigt. Es war durchweg schönes Reiten mit Pferden mit Nasen vor der Senkrechten und einer fairen guten Benotung.

Aber in diesem Thread geht es nicht um die Entwicklung des Turniersports, also bitte back zu topic
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
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*Claudius*
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Beitrag von *Claudius* »

zur Zeit lese ich die "Irrwege" von PK und bin gerade über einen Satz gestolpert, indem er schreibt, dass die FN für sich in Anspruch nimmt, auf La Guérinière zu beruhen und sich von Baucher distanziert.

Was sind die entscheidenden Grundsätze der beiden (La Guérinière und Baucher)? Wo liegen ihre Übereinstimmungen, wo ihre Unterschiede?
Auch das unerfahrenste Pferd kann dem besten Reiter noch etwas lehren.
-----------------------------------
Das mir mein Pferd das Liebste sei,
sagst du oh Mensch, sei Sünde.
Das Pferd blieb mir im Sturme treu,
der Mensch nicht mal im Winde.
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Beitrag von horsman »

oha Claudius, dies zu beantworten könnte gut und gerne ein Thema für eine Doktorarbeit in Geschichte sein, wobei man sogar noch selbst recherchieren muss, weil es dazu nicht allzuviel abzuschreiben gibt :lol:

PK und noch viel mehr Racinet (im Buch Feines Reiten) gibt aber doch dazu auch einige weitere Ausführungen, wenn ich mich recht entsinne.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Claudius, schwerere Fragen kannst Du nicht stellen? :wink:

Ich glaube, dass man es hiermit auf einen sehr simplen Nenner bringen kann (auch wenn die Erklärung Lücken aufweist):

Im Prinzip arbeitete Baucher das Pferd von vorne nach hinten. Er nutzte die Aufrichtung im Hals-Schulter-Bereich, um dadurch in Folge die Hanken zu senken. Das kann nur einem ganz hervorragenden und feinfühligen Reiter gelingen. Baucher arbeitete bevorzugt im Halten und im Schritt, weil er zuerst die Balance herstellte und diese dann in die Bewegung übertragen hat. Der Schritt jedoch ist eine Gangart, deren Takt sehr leicht durch falsche Einwirkung zerstört werden kann. Bauchers Lehre ist so schwer umzusetzen, dass mittelmäßige Reiter an ihr scheitern müssen. PK hat es meiner Meinung nach jedoch geschafft, die Lehre zu ergänzen und so umzuinterpretieren, dass sie auch für schwächere Reiter zum guten Erfolg führen kann.

Die meisten anderen Reitmeister, so auch Gueriniere, arbeiten ihr Pferd von hinten nach vorne. Sie nutzen sozusagen das andere Ende des Hebels, um ihr Pferd in die gewünschte Formgebung zu bringen. Sie senken zuerst die Hanken (erreicht durch vorwärts, dann Versammlung und stärkere Lastaufnahme hinten), um in Folge die Hals-Schulter-Partie anzuheben.
Die Hauptgangart ist der Trab mit seinem gleichmäßigen diagonalen Bewegungsablauf, um durch die Bewegung Balance und Haltung herzustellen.

Das Ergebnis sollte das gleiche sein. Allerdings ist das Arbeiten von hinten nach vorne erheblich weniger fehleranfällig.

Das Thema in wenigen Sätzen abzuhandeln ist wirklich extrem schwer und sicherlich auch emotionsbelastet. Vor allem, weil der moderne Dressursport nicht immer im Einklang mit den Lehren von Gueriniere steht.

PK geht mit seinem Buch sehr kritisch (und zu Recht) mit dem modernen Dressursport ins Gericht. Er schreibt allerdings aus seiner sehr französischen Sichtweise - und wirkt dabei, als halte er das, was an zu stark forciertem Vorwärts und an Einzwängen zwischen Hand und Bein heute oft zu sehen ist, für die deutsche Reitweise à la Steinbrecht. Leider ist aber genau diese Reiterei eine massive Fehlinterpretation der Steinbrecht'chen Lehre. Was PK elegant verschweigt :wink: Trotzdem halte ich sein Buch für gut und wichtig und für einen guten Einstieg in die "französische Gedankenwelt". In einigen Punkten ist er mir persönlich jedoch zu einseitig und zu extrem.

Bitte alle anderen um Ergänzungen!
Viele Grüße
Sabine
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Kleine Ergänzung zum Thema Baucher und frühere Meister: kürzlich fand ich dieses Buch http://9thvirginia.com/nolansys.html aus dem 19. Jh., das den Einfluss des frühen Baucher auf die amerikanische Kavallerie zeigt (und Bauchers Methode als Schnellbleiche für Kavallerie-Pferde empfiehlt ...). Als Unterschied zur "alten Schule" wird in der Einführung das andere Gleichgewicht (waagrecht statt auf der Hinterhand) genannt.
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
horsman
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Beitrag von horsman »

in diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Typ Pferd sich gewandelt hatte. Von der Gineta zum eher vollblutgeprägten Pferd.
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