Vortrag von Bettina Eistel am 29.02.08 in Pfinztal

Rund ums Thema Pferd und die klassische Reitkunst

Moderator: Josatianma

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-Tanja-
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Vortrag von Bettina Eistel am 29.02.08 in Pfinztal

Beitrag von -Tanja- »

Bettina Eistel wurde 1961 kontergangeschädigt (keine Arme) in Hamburg geboren, studierte nach dem Abi Psychologie und arbeitet als Therapeutin in einer Hamburger Erziehungsberatungsstelle.

Sie reitet seit ihrem siebten Lebensjahr und hat viermal den deutschen Meistertitel der Dressurreiter mit Handicap gewonnen, des weiteren die Silbermedaille der Paralympics 2004 und ist amtierende Europameisterin.

Gestern Abend fand nun im Selmnitzsaal in Pfinztal-Berghausen bei Karlsruhe die Lesung von und mit Bettina Eistel statt. Der Saal war nahezu ausverkauft; hauptsächlich handelte es sich vermutlich um weibliche Lesefreaks, die wenigsten waren Pferdebesitzer oder Reiter.

Frau Eistel kam mit einem der Mitarbeiter des Veranstalters auf das kleine Podium und wurde von diesem kurz vorgestellt. Währenddessen legte sie ihre Umhängetasche unter den Tisch, zog ihre Schuhe aus und begann, in der Tasche nach Buch, Stift und Brille zu kramen. Schnell ergriff sie selbst auch das Wort. Man lernte eine äußerst natürliche, lebenslustige und schlagfertigte Frau kennen, die kein Blatt vor dem Mund nimmt. Und man vergaß sofort, daß vor einem ein Mensch saß, der von Geburt an keine Arme hat. Aufgrund ihrer selbstverständlich natürlichen Art, ihrer Mimik und vor allem der Gestik mit den Füßen war man überhaupt nicht versucht, ständig darauf zu achten.

Sie begann, aus ihrem Buch vorzulesen, indem sie am Anfang, ihrer Geburt, begann: sie las von den betretenen Ärzten und ihrer erleichterten Mutter, als sie nach stundenlangem Warten endlich ihr lebendes Kind in den Armen halten dürfte. Weiter ging es über die Schulzeit, den ersten Freund und schließlich zu Athen und Olympia 2005.

Zwischen den einzelnen Buchpassagen erzählte sie immer wieder Anekdoten, welche nicht im Buch vermerkt sind - lustige, traurige, aber auch empörende. Währenddessen gestikulierte sie immer wieder mit den Füßen und Zehen, zog sich die Brille von der Nase oder schob sie wieder drauf, fummelte sich einen in ihren lockigen Haaren hängenden Ohrring heraus.

In einer Pause ließ ich mir ihr von mir bereites gelesenes Buch signieren, wobei ich ihr zuvor kurz von mir erzählt habe. Sie schrieb mir: "Für Tanja und Amor - für viel Legerete von Bettina Eistel und Aaron" und malte einen Pferdekopf hinzu. Und versah mich mit dem Rat, nie zu ziehen, sondern immer und in allen Lagen mit dem Pferd leicht zu bleiben.

Nach dem zweiten Teil der Lesung konnten die Zuhörer sodann auch persönliche Fragen stellen, die von "Wie waschen Sie sich die Haare" bis "Sind Sie heute in der Contergan-Liga tätig", etc. reichten.

Ihr letztes Statement, bevor die Veranstaltung aufgelöst wurde, galt den Pferden, die ihrer Meinung nach so viel als möglich draußen sein sollten, nur sehr gutes Heu und eine artgerechte Haltung bekommen müssen. Für eine Turnierreiterin schon eine wichtige Ausnahme.

Da wir in den letzten Monaten Pech mit unserem Heu hatten, lag mir schon eine wörtliche Zustimmung auf der Zunge, die ich mir aber verbiß, nachdem die Mutter unseres Bauern auch unter den Zuhörern war. Ich bin jedoch anschließend nochmals kurz zu Frau Eistel gegangen und habe ihr dies erzählt, worauf sie herzlich lachte und meinte, vielleicht hätte doch ihr Statement schon etwas genutzt.

Ich war sehr beeindruckt von dieser Frau, die zwischenzeitlich bereits 47 Jahre alt ist, aber wesentlich und deutlich jünger wirkt und kann das Buch ebenfalls empfehlen. Insoweit würde ich mir wünschen, daß sie ihren Traum ebenfalls verwirklichen kann und Landesmeisterin unter den nichtbehinderten Reitern wird.
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
Excalibur

Beitrag von Excalibur »

Hatte beim lesen gerade das Gefühl selber da zu sein :wink: schön geschrieben und eine wirklich beeindruckende Frau
Thisbe
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Beitrag von Thisbe »

Ich habe sie auf dem Ostseeworkshop erlebt, zusammen mit dem fabelhaften Fabi, und beide haben mir sehr gut gefallen Bild
In der Seele des Pferdes findest du Saiten, die lange in dir nachklingen.
(Gunnar Arnarson)
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