Jean Claude Racinet - ein subjektiver Kursbericht

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Moderator: Josatianma

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chica
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Jean Claude Racinet - ein subjektiver Kursbericht

Beitrag von chica »

Die Oberlausitz liegt in der südöstlichsten Ecke Sachsens, im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien. Eine teils hügelige, südlich Zittaus auch gebirgige (bis 793m!) anmutige Landschaft. Mittendrin liegt Leutersdorf, wo vom 24. bis 27. Juni Jean Claude Racinet einen seiner seltenen Kurse außerhalb der USA abhielt. Weswegen auch allerlei Volk aus anderen Ecken Deutschlands kam, so aus Göttingen oder Offenburg. Und auch ich kam, allerdings ohne Pferd. ( )
Als alter Wanderfreund hatte ich mir übrigens von vornherein vorgenommen, am dritten Kurstag (Montag) das Zittauer Gebirge zu besuchen.

Erstmal aber war Samstag, 10 Uhr, Ankunft im Reitstall, eine schöne, nette kleine Anlage außerhalb des Dorfes, idyllisch gelegen inmitten von Wald und Wiesen, mit nahegelegenem Teich und einer frisch gesprengten Halle, in der sich ein iberischer Schimmel samt Reiterin tummelte. Dann kam noch ein älterer grauhaariger Mann dazu und los gings. Ach nein, los ging gar nichts so recht. Der Schimmel wurde ein paar wenige Runden bewegt, woraufhin sich der alte Mann (Racinet himself) und die Reiterin samt Pferd im hinteren Teil der Halle platzierten und dort geraume Zeit plauderten. Dank der Übersetzung von Pascale Berthier hatten wir Zuschauer wenigstens eine kleine Chance mitzubekommen, was im hinteren Hallendrittel geschah. Monsieur Racinet monierte, dass der Schimmel zu laut kaue, und begann schlussendlich, sich in den Sattel schwingend, daran zu arbeiten. Nun ritt er allerhand Bahnfiguren, flexionierte auch vom Sattel aus, es folgten ein paar Lektionen, aber der Schimmel klapperte nach wie vor mit dem Gebiss. Und die Zuschauer waren teils ratlos, teils sprachlos. Schon war eine Unterrichtsstunde um, das nächste Paar kam, nach ein paar Runden saß Monsieur wieder im Sattel und der Besitzer resp. die Besitzerin stand daneben. Ein Schema, dass sich bei jedem Pferd wiederholte.

Schwerpunkt war dabei die Leichtheit im Maul, die durch Flexionieren erreicht wurde. Nun bin ich ja als Karl-beeinflusster Reiter damit durchaus vertraut, doch wird das Flexionieren bei Karl etwas anders und in meinen Augen pferdeschonender betrieben. Bei Racinet hätte ein unbedarfter Zuschauer schon mal denken können, dass Flexionieren etwas mit Riegeln oder einseitigem Ziehen des Pferdekopfes bis zum Sattelblatt zu tun haben könnte. Alles zum Zwecke der Leichtheit im Maul. Hm *kopfkratz*

Unter anderem wurde auch eine 18 jährige Stute so „behandelt“, die sich ihrerseits sehr beharrlich weigerte, nachzugeben. Wie ich fand, durchaus zu recht. Wenn P.K. davon spricht, das Maul sei der Schlüssel zum Pferd, dann hat sich Racinet hier m.E. wie ein Einbrecher verhalten. Mit groben Werkzeug hat er versucht, diese Tür zu öffnen, wo ein Schlüssel sinnvoller gewesen wäre.
Dazu kommt, dass er mehrfach für sein Reiten Applaus einforderte, was ihn mir recht unsympathisch erscheinen ließ. Das möchte ich doch noch selbst entscheiden können, wem ich wann applaudiere!
An der 18jährigen Stute demonstrierte er auch das ramener outre, die übertriebene Beizäumung, die in seinem Baucher-Buch auf Seite 74 ff erklärt wird. Ein unerfahrener Betrachter könnte es leicht für eine Variante der Rollkur halten. Das Pferd wird deutlich hinter die Senkrechte gebracht, bis es sich in die Brust beißt, und zwar nicht nur für kurz, sondern es waren mindestens 5 Minuten, wahrscheinlich mehr (ich habe nicht auf die Uhr geschaut), gefolgt von einem ebenso übertriebenen Öffnen des Genicks. Diese beiden Übungen gehören untrennbar zusammen. Laut Racinet/Baucher wird so jeder Widerstand gegen die Reiterhand beseitigt und die Position des Kopfes zwischen diesen beiden Extremen für immer positioniert.
Bei der alten Stute hat es nicht funktioniert.

Der zweite Kurstag verlief so ähnlich wieder erste, nur ritt Monsieur nicht mehr ganz so viel. Am dritten soll er sogar die Reiter auf ihren Pferden unterrichtet haben. Aber das weiß ich nicht, da war ich ja wandern.

Nebenbei führte er noch eine interessante Variante des Zügelumgreifens vor und erklärte außerdem noch, wie der Daumen auf dem Zügel gehalten werden solle (angewinkelt aufgelegt, so kann er besser blockieren und die Faust kann geöffnet bleiben). Diese beiden Aspekte haben mir sehr gut gefallen, aber alles in allem bleibt ein recht schaler Geschmack zurück. 30 Euro am Tag fürs Zuschauen sind viel Geld, 120 Euro für eine Reitstunde beim Meister noch viel mehr und ich weiß, ich wäre nicht zufrieden gewesen. Sicherlich war der Sinn der Korrekturen nachzuvollziehen, aber die Art, wie sie erfolgten, fand ich unmöglich. Keine Spur von Leichtheit, statt dessen grobe Kraftreiterei. Da fehlte mir der „Respect to the horse“ von P.K. ganz gewaltig.
Ich habe keine Ahnung, ob das ein Einzelfall ist, aber mir hat das Buch („Racinet explains Baucher“) sehr gut gefallen, nur von dem, was er dort beschrieb, fand ich sehr wenig, jedenfalls keine vibrierenden Zügelhände, die das Pferdemaul zum Nachgeben bringen. Aber die hätte ich gerne gesehen! Vielleicht arbeitet jeder der vermeintlich „Großen“ hinter verschlossenen Türen so und Racinet ist nur so ehrlich, die Türen auch zu öffnen? Das fände ich gruslig!
Was mir noch auffiel: Die Pferde wurden fast gar nicht gelobt und die Racinet´sche Version der leg-lesson besteht aus einem kurzen, heftigen Gertenhieb, wenn das Pferd der Schenkelhilfe nicht sofort nachkommt. Auch das ein deutlicher Unterschied zu Philippe Karl.

Achja, die beteiligten Pferde: zwei iberische Hengste aus dem südwestdeutschen Raum, deutlich á la Karl ausgebildet und zwar, wie ich fand, sehr gut. Die Fliegenden Wechsel sahen jedenfalls sehr gut aus.
Dann ein weiterer Iberer mit Gehänge, der in seiner Ausbildung meiner Meinung nach noch nicht so weit war (was auch am Reiter lag).
Viertes Tier war eine nette Scheck-Stute aus dem Harzvorland, die ständig schaute wie „Tut mir bitte nix“. Auch schon etwas älter und bisher dank eines wohl problematischen Ausbildungsweges nicht so einfach zu händeln (scheußliche Schreibweise, aber wie grenzt man es sonst von „handeln“ ab?). Eigentlich vom Typ her ein Geländepferd, wirkte irgendwie, als wenn sie einen Westernsattel tragen müsste.
Fünftens eine sächsische Warmblutstute, 18jährig, eher wohl über lange Jahre konventionell geritten.
Als sechstes Pferd ein Schimmel(wallach?), ebenfalls bisher nach Karl ausgebildet, etwa L-Niveau (um das mal so einzusschätzen).

Ich weiß nicht, was die jeweiligen Reiter-Pferde-Paare von diesem Kurs mit nach Hause genommen haben. Ich habe bei einigen Reitern vorsichtig nachgefragt und niemand äußerte Unzufriedenheit mit dem Kurs.
Ich bin aber der Meinung, dass der Reiter mit seinem Pferd zurecht kommen muss, auch nach einem Kurs. Da ist es nicht immer hilfreich, wenn sich der große Meister raufsetzt und macht und tut. Schließlich muss der Besitzer ja auch die Korrekturen selber umsetzen können, wenn sie nachhaltig wirksam sein sollen. Dazu muss er es unter Anleitung lernen. Dafür saß J.C.Racinet an den beiden Tagen, an denen ich zugeschaut habe, einfach zu oft und zu lange auf den Pferden.
Vielleicht war auch an den beiden anderen Tagen dann alles ganz anders. Dann wäre es schade, dass ich diese Seite nicht gesehen habe. Und wie schon gesagt, das Baucher-Buch hat mir sehr gefallen. Auch bei uns im Stall sind viele von diesem Buch sehr angetan ob der Verständlichkeit und der guten Beschreibungen. Von der dort beschriebenen Reitkunst hätte ich gern etwas mehr gesehen.

Verfasser: dshengis
LG Ines
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glovedrider
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Beitrag von glovedrider »

Interessanter Bericht . Die beschriebenen Flexionen lassen mich denken , daß Herr Racinet nach dem auch in Deutschland erschienenem Ur Baucher Werk reitet.
Diese Baucher Methode finde ich immer spannender in ihrer praktischen Anwendung. Einige Baucheristen, mit denen ich mich in einem Forum über Baucher unterhalten wollte, mußten passen , da sie gar kein Baucher Buch besaßen. Eine Dame französischen Namens hat mir erklärt, daß Baucher sich in seiner 2. Manier für seine 1. Manier quasi entschuldigt hat. Daraufhin wollte ich meine 1. Manier schon indie Tonne hauen. Doch gut , daß ichdas Buch behalten habe, die 1. Manier scheint ja doch noch gut inGebrauch zu sein.
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Ghamali
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Beitrag von Ghamali »

Warum gibts denn hier auf einmal den Kursbericht aus dem Jahr 2006? Was soll denn damit wieder aufgewärmt bzw. welche Diskussion angestachelt werden?

Es wird doch schon in der Box vom Racinet-Kurs 9/2007 nicht mehr über den Kurs diskutiert.
"Reiten ist eine am Lebewesen angewandte Kunst." JCR
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

@Ghamali: Der Kursbericht ist schon die ganze Zeit hier drin gewesen. Glovedrider hat ihn nur wieder ausgebuddelt.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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Anchy
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Beitrag von Anchy »

....
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
Unbek. Ecuyer
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