Fragen zum Tempo (innerhalb einer Gangart)

Rund um die klassische Reitkunst

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Medora
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Fragen zum Tempo (innerhalb einer Gangart)

Beitrag von Medora »

Mich würde mal Eure Meinungen und Erfahrungen zum Thema "Tempo" (innerhalb einer Gangart) interessieren.

Hier geht ja das, was man so hört, irre weit auseinander von "Immer ordentlich vorwärts" über "das Persönliche Tempo des Pferdes finden" bis hin zu "Gezielt untertourig reiten".

Wie haltet Ihr das? Wann reitet Ihr bewusst schneller, wann nehmt Ihr das Tempo raus und jeweils warum? Lasst Ihr das Pferd bei der Tempowahl mitentscheiden? Wenn ja, in welchen Fällen? Haltet Ihr das in den verschiedenen Gangarten unterschiedlich?


Medora
lalala

Beitrag von lalala »

Ich bin von der Fleissig-vorwärts-aber nicht-über-Tempo-Fraktion...untertourig macht sie nur klemmig und da lässt sie nicht los und schleift die HH nur hinterher. Sie muss von Anfang an auf Zug sein und ist ja eh ein sehr motivierter und fleissiger Vertreter. Wir reiten aber auch sehr selten mehr als eine lange Seite in der selben Gangart.

Beim springen reite bewusst auf mehr Frische ab, viel Galopp im leichten Sitz und Tempounterschiede innerhalb der Gangart...sie soll ja auch im Parcours frisch sein und durch die Übungsreihen etc. bekommt man sie ja fast automatisch mehr aufs Hinterbein.

Im Gelände ist meist auch alles frischer, da darf sie selber entscheiden - wir sind auch schon im "Schulpferdezockeltrab" neben anderen hergezockelt und wenn sie in dem Moment entspannt und zufrieden ist finde ich es okay. Wichtig ist, dass sie sich da nicht selbstständig macht, sie muss kontrollierbar bleiben und gerannt wird erst auf mein Kommando
Zuletzt geändert von lalala am Do, 05. Jul 2007 19:15, insgesamt 1-mal geändert.
Wolke

Beitrag von Wolke »

Mein Pflegepferd löst sich innert kürzester Zeit, wenn ich sie im Trab untertourig laufen lasse. Für die Lösungsphase wähle ich deshalb im Moment hauptsächlich untertouriges Tempo. Sobald sie losgelassen ist, variiere ich das Tempo. Dabei achte ich aber darauf, dass ich sie nicht so sehr vorwärtsschicke, dass sie aus dem Gleichgewicht kommt und sich auf den Zügel legt, was recht schnell der Fall ist. Ich kann mir denken, dass das bei ihr auch mit der rückständigen Stellung der Vorderbeine zusammenhängt, dass sie recht schnell aus dem Gleichgewicht kommt.
Im Unterricht beim neuen Reitlehrer müssen wir dagegen von Anfang an ständig vorwärts reiten, weil ihm der Takt so wichtig ist. Da habe ich grundsätzlich nichts dagegen, aber ich ich habe Mühe damit, wenn man dadurch Ungehorsam des Pferdes herausfordert, wie meine, die dann ins Rennen kommt. Die Aufforderung des RLs, ich solle sie vorne besser aufnehmen, weil sie auf der Vorhand sei und mir davonrenne, ist zwar nett gemeint, aber Linda kann diese Hilfe in dem Tempo ganz einfach nicht umsetzen.

Ich finde, man muss da aufs Pferd Rücksicht nehmen. Für die einen ist langsames Tempo besser zum Lösen, die anderen müssen gut vorwärtsgehen.
Fuchsstute
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Beitrag von Fuchsstute »

Also ich reite bewußt sehr langsam!

Sie schwingt sehr dolle und es gab eine Zeit da konnte ich sie absolut nicht aussitzen!

( ich muß aber mal kurz erwähnen, das sie ein totales korrektur Pferd war, sprich sie war schief geritten, total aus dem eigenem Gleichgewicht)

Jetzt wo sie wieder gerade ist (endlich nach 2 Jahren harter Arbeit) und wo sie selbst ihr Gleichgewicht wieder hat klappt alles ganz prima und ich kann jede Gangart verscheiden schnell reiten!

Jedoch mag ich es persönlich immer sehr gerne langsam im Takt, wo man jede Bewegung vom Pferd in sich aufnehmen kann und das Pferd unter sich spührt !
Ihr tut es auch gut, sie ist immer ganz entspannt dabei löst sich schnell und kaut fleißig im Takt mit! :D

Lieben Gruß
Elke!
Zuletzt geändert von Fuchsstute am Do, 05. Jul 2007 19:54, insgesamt 1-mal geändert.
Reiten ist erst dann eine wahre Freude,wenn du durch eine lange Schule der Gedult, der Feinfühligkeit und der Energie gegangen bist, die dir das Pferd erteilt.

Rudolf G. Binding
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Hallo,
nachdem ich überwiegend nach Racinet reite, heißt es für mich "Balance vor Bewegung". Das ist aber nicht dasselbe wie untertourig, der Motor sprich die Hinterbeine sollen schon arbeiten und nicht rumschlurfen. Je nachdem, wie die Tagesverfassung ist, bin ich aber im Trab schon mal dabei, das Tempo zu variieren und auch mal ein paar Meter Tritte verlängernd zu reiten (eben überwiegend, aber nicht nur Racinet). Und wenn ich das Gefühl hab, daß gar keine Energie oder aber auch zu viel Energie da ist, dann lasse ich eine lange Seite auch mal Galopp zulegen im Leichtsitz (da unser Reitplatz leicht hängt, ist das dann quasi bergauf). Damit kann ich oft einiges auflösen und fällt auch eher in die Anfangsphase. Bei der Arbeitsphase bleibe ich eher im (von außen gesehenen) slow-motion-modus. Tempoveränderungen nur, um die Aufmerksamkeit des Pferdes (wieder)zu erhalten oder um einen Knoten aufzumachen.
Grüsse von
ottilie
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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Mara
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Beitrag von Mara »

Ich halte es auch mit "Takt vor Tempo"

Meinen reite ich oft untertourig, weil er dann locker wird. Ausserdem muss ich Rücksicht auf seinen Spat nehmen. Bei Tempo lahmt er eindeutig mehr da ihm das nach hinten raussschieben schwerfällt.
Also WENN ich ihn mal reite....

Im Gelände (wo er eindeutig lauffreudiger ist) darf er auch schon mal das Tempo bestimmen, solange er nicht rennt.


Sonst muss man das halt von Pferd zu Pferd sehen, in welchem Tempo es am besten mit dem Takt klarkommt.

Es soll ja RLs geben, die meinen, man müsse IMMER einen Tick schneller als das Pferd will. Dabei kommt aber meist nur hektisches Gerenne raus.... so zumindest meine Erfahrung.
Reiter, die ihre Pferde frei lassen, sind es, welche die Genüsse der Reitkunst zu empfinden vermögen.
(Nuno Oliveira)
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Jen
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Beitrag von Jen »

Das ist wie mit der Kopfhaltung. Wenn ein Pferdli den Kopf in einer hübschen Haltung "einrastet" und daraus nicht mehr loskommt und sich festmacht, nützt die netteste Haltung überhaupt nix. Genauso ist es mit dem Tempo. Es nützt nichts, wenn ein Pferd sich nur in einem Tempo reiten lässt, denn dann macht es sich darin auch fest. Wenn man das Tempo (auch nur einen Tick) erhöhen will, wird das Pferd klemmig, wenn man es etwas aufnehmen will entweder bulldozert es weiter oder stellt gleich jede Aktivität ein. Mein Ziel ist es, genauso elastisch das Tempo bestimmen zu können wie die Kopf-Halshaltung (welche dann auch oft mit einhergeht) und dass ich dabei das Gefühl habe, dass das Pferd von sich aus alleine läuft. Also nicht dass ich bei jedem Schritt dasGefühl habe, ich müsse das Pferd antreiben, sonst fällt es in die niedrigere Gangart zurück, aber trotzdem muss ich bei jedem Schritt das Gefühl haben, dass ich in die niedrigere Gangart zurückschalten könnte, wenn ich wollte (Pferd nicht davonrennt und Bremsweg verlängert). Wie ich das bei einem Pferd erreiche, ist vom Ausbildungsstand, von der Tagesform und vom Gemüt des Pferdes abhängig. Da kann ich überhaupt keine Regel geben, das ist gefühlsabhängig und kann von Tag zu Tag, ja manchmal von Minute zu Minute variieren.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Kann Jen nur zustimmen. Nichts sollte konstant sein. Das Pferd würde über längere Zeit ermüden und die Lockerheit verloren gehen.
Es ist viel schwieriger, das richtige Tempo in dem jeweiligen Moment für eine Lektion zu finden, weil alles zusammenhängt. Es gibt nicht DAS Tempo eines Pferdes. Es variiert sehr nach Lektion, Ausbildung, Lockerheit etc. In einer Volte fällt dem Pferd die Biegung schwer und Pferd beginnt die Hinterhand nicht mehr so aktiv einzusetzen. Es fällt auseinander und das Tempo wird geringer. Aber einfach zulegen würde wieder nicht genügen, weil das Tempo nur die Folge und nicht die Ursache ist.

Ich denke auch ein Pferd, welches bewußt ständig unterschiedliche Tempi kennt, erlernt ein viel besseres Körperbewußtsein. Und da finde ich, ist es besser einen Gang mal zurückzuschalten (Gefühl für die bewußte Bewegung zu bekommen), um dann wieder frisch in das alte Tempo zu starten.

Ich hatte an der Longe sehr viel mit verschiedenen Tempi gearbeitet, als wir fortgeschrittener waren. Die Stute wurde unheimlich agil und locker. Nebenbei auch sehr konzentriert. Reiterlich war es so, dass viele andere Probleme ein konstantes Tempo gar nicht ermöglichten und ich den Takt dann zusätzlich noch gefährde, wenn ich mich nicht an den Möglichkeiten des Pferdes orientiere bzw. das ideale Tempo für die Lektion ständig suche. Es ist eine sehr komplexe und relative Sache mit sehr viel Gefühl. Und ich finde dieses Thema auch sehr schwer.

Mir ist das Tempo bei vielen Reitern generell zu hoch. Es soll nicht in die Kurve stolpern, sondern sich selbst in die Kurve tragen. Was aber nicht bedeuten soll, dass ein kleines Zulegen (wobei mir das vorsichtige einfangen immer wichtiger ist) keine gute Wirkung haben kann. Und viele verwechseln Tempo mit Hinterhandaktivität. Rahmenerweiterung (gute Gymnastizierung) erfordert klar eine größere Schrittlänge, hat aber absolut nicht automatisch etwas mit der Schwerpunksverlagerung zu tun. Gleichzeitig kann ein untertouriges Reiten genauso vorhandlastig sein. Und steife kurze unausbalancierte Tippelschritte wirken zu schnell, obwohl das Pferd mit lockeren Schritten tempomäßig viel schneller sein könnte. Es ist alles relativ und daher auch sehr schwer. Und ich versuche mir immer wieder hinter die Ohren zu schreiben, dass das Tempo die Folge und niemals die Ursache ist. Man sollte bei Tempoproblemen die Situation immer aufgliedern und die wirkliche Ursache finden.

LG Susi
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Medora
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Beitrag von Medora »

Herzlichen Dank für die vielen interessanten Beiträge!

Ich komme auch immer mehr dazu, dass das tatsächlich eines dieser vielschichtigen Themen ist, bei dem es einfach keine klaren Richtlinien gibt. Das "immer flott vorwärts" führt oft zu viel Druck und Hektik und es geht viel in der Ausführung verloren. "Untertourig" wollte ich bisher immer unbedingt vermeiden, aber manchmal ist es eben doch sinnvoll, ganz bewusst das Tempo rauszunehmen, um eine Lektion wirklich sauber zu erarbeiten.

Und so komme ich auch dazu, dass man hier wieder immer im Einzelfall und in jeder Situation neu entscheiden muss. Gerade beim Einreiten finde ich es besonders schwer :roll:

Medora
Tess
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Beitrag von Tess »

Mara hat geschrieben: Es soll ja RLs geben, die meinen, man müsse IMMER einen Tick schneller als das Pferd will.
... mein Pony teilt mir gerade mit, sie würde gerne, dass ich mir so einen RL suche :lol: :lol:
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kiki
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Beitrag von kiki »

Medora hat geschrieben:Und so komme ich auch dazu, dass man hier wieder immer im Einzelfall und in jeder Situation neu entscheiden muss. Gerade beim Einreiten finde ich es besonders schwer :roll:

Medora
Das geht mir auch so und ich glaube ich mache es auch nicht in jeder Situation immer richtig. :roll: :oops:
Ich muß dann auch an Josas Kommentar ( irgendwo anders ) denken, das die Friesen oftmals so Phlegmatisch sind, weil man sie beim einreiten in der Ausbildung nicht aufgeweckt hat. Und meiner ist auch ein kleiner Langsamer. Hier haben wir in erster Linie auf die Sicherheit geachtet, da er am Anfang so feurig und schwierig zu händeln war und es uns wichtiger ist das er ein sicheres Reitpferd wird, da ich ja noch nicht so gut reite.
Jetzt sind wir dabei ihn wieder etwas flotter zu bekommen.
Es ist ein ständiges erfühlen und aufs Pferd eingehen wie ja schon jen geschrieben hat und natürlich bei den Youngstern noch schwieriger, das empfinde ich auch so wie du medora. :wink:
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Celine
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Beitrag von Celine »

Tess hat geschrieben:
Mara hat geschrieben: Es soll ja RLs geben, die meinen, man müsse IMMER einen Tick schneller als das Pferd will.
... mein Pony teilt mir gerade mit, sie würde gerne, dass ich mir so einen RL suche :lol: :lol:
Dann reite aber bitte nur in der Halle, sonst hebt ihr noch ab.... :shock:
Wolke

Beitrag von Wolke »

Ich denke, es ist da wie beim Sitz des Reiters: Das Gleichgewicht findet der Anfänger nicht, indem er krampfhaft versucht, aufrecht zu sitzen, sondern über ständige Bewegung. Deshalb macht man ja zu Anfang auch die "Turnübungen" an der Longe. Aufs Tempo übertragen heisst das für mich, dass nicht ein richtiges Tempo zum Gleichgewicht führt, sondern ständiger Wechsel. Ständig fleissig vorwärts halte ich für genau so sinnlos wie ausschliesslich unter Tempo zu reiten.
Ich denke auch ein Pferd, welches bewußt ständig unterschiedliche Tempi kennt, erlernt ein viel besseres Körperbewußtsein.
Der Meinung bin ich auch.
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