neue Skala der Ausbildung nach von Ziegner

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Puppa99
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neue Skala der Ausbildung nach von Ziegner

Beitrag von Puppa99 »

In der pferdiathek ist folgender Artikel erschienen: http://www.pferdiathek.tv/de/blog/show/ ... egner.html

Was denkt Ihr dazu?

Mir gefällt, dass von Ziegner betont, dass die einzelnen Punkte nicht isoliert betrachtet werden sollen und immer ineinander fließen, dass man nicht einen Punkt allein bearbeiten kann.

Es kommt mir aber merkwürdig vor, den Takt hinter die Anlehnung zu setzen. Hier frage ich mich, wie sinnvoll es ist, Anlehnung herstellen zu wollen, wenn das Pferd nicht taktmäßig läuft. Kann es dann überhaupt gleichmäßig an die Hand herantreten?
Ansonsten sehe ich Takt und Losgelassenheit persönlich zusammen an erster Stelle, denn ohne diese beiden Voraussetzungen geht gar nichts.

Läuft ein Pferd unter dem Reiter nicht im Takt und kennt die Anlehnung auch noch nicht, würde ich eher nochmal am Boden weiterarbeiten, oder die Reiteinheiten extrem kurz halten (5 Minuten vielleicht).
Julia
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Beitrag von Julia »

Ich finde es sinnvoll die Anlehnung vor den Takt zu stellen da ich ja nicht mit hängenden Zügeln reite bis das Pferd seinen Takt gefunden hat. Das halte ich schlichtweg für nicht reel. Ich stelle natürlich auch direkt eine weiche Zügelverbindung her - und schon haben wir die Anlehnung.... Und es ist dem Pferd schon leichter seinen Takt zu finden (dazu gehört ja schon auch eine gewisse Balance mit dem Gewicht obenauf) wenn es einen weichen Rahmen eben durch die Anlehung erhält. Und eigentlich abe ich noch kein Pferd erlebt dass beim aufnehmen der Zügel und der Herstellung einer Verbindung anfängt zu hirschen. Die meisten Pferde finden wenn man sie lässt direkt den Weg in die Dehnung weil es einfach ihrer Natur entspricht ihre Haltung so zu wählen dass es ihnen am einfachsten fällt das Gewicht des Reiters zu (er)tragen.

Ob ich es sinnvoll finde die Losgelassenheit davor zu stellen.. da denke ich mal noch ein wenig drüber nach :D
Liebe Grüße, Julia
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Ja, gar nicht so leicht zu beantworten, wenn man mal drüber nachdenkt. Vielleicht kommt es auch auf das Pferd an: wenn man auf einem Pferd sitzt, das total hektisch unterwegs ist, wird man es wohl nicht ohne Hilfeneinwirkung - und hier unter Benutzung der Zügel - zu einem ruhigeren Tempo überreden können.

Dass ein Pferd beim ersten vorsichtigen Zügelaufnehmen den Kopf hochreißt, habe ich auch noch nicht erlebt. Ich habe den Zügelkontakt aber auch immer schon vom Boden aus dem Pferd vorgestellt. Es kannte also das Gefühl.

Bisher habe ich vier Ponys/Pferde eingeritten. Bei allen hingen die Zügel bei den ersten Reiteinheiten fast die ganze Zeit durch, wurden nur zum Lenken etwas zur Hilfe genommen. So hatte ich es halt gelernt. Und ich muss sagen, das funktionierte gut, die Pferde fanden sich allmählich mit meinem Gewicht zurecht und konnten - teilweise hinter einem Führpferd - taktmäßig Schritt gehen und auch kurz mal traben. Erst als das klappte, habe ich die Anlehnung hinzugefügt. Bei drei der vier Pferde wurde die angebotene Anlehnung sofort angenommen, und sie gingen praktisch von Beginn an ganz gut "am Zügel". Nur beim vierten Tierchen waren wir uns gar nicht einig, wie das mit der Anlehnung und später der Beizäumung genau aussehen soll - bis heute haben wir diese Diskussion mehr oder weniger ausgeprägt immer noch beim Reiten. Das hätte sich auch nicht geändert, wenn die Anlehnung früher dazugekommen wäre.

Ich persönlich weiß nicht, ob ich den Takt bei einem gerade eingerittenen Pferd über die Anlehnung positiv beeinflussen könnte. Hängt dann wohl auch vom Reiter ab, wie man das sieht.
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jannie
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Beitrag von jannie »

Einfluss auf den Takt kann der Reiter aber erst nehmen, wenn er - wie beschrieben - sein Pferd „An den Hilfen“ hat. Deswegen steht Takt an dritter Stelle der Skala.
so gesehen macht das schon Sinn. Gleichzeitig steht da auch, dass die Taktreinheit Basis für die gesamte Ausbildung ist - also schon auch irgendwie an erster Stelle steht. Nur das Einfluss nehmen auf den Takt sollte nicht an erster Stelle stehen.

zumal es ihm - laut Artikel - ja auch nicht darum geht eine "Anlehnung herzustellen" sondern
Jetzt ist es für den Reiter an der Zeit, dem Pferd die Hand anzubieten

und schlussendlich erscheint es mir wichtiger, die Zusammenhänge wahrzunehmen als sich zu überlegen welcher Punkt wo steht in der Reihenfolge. Eben weil:

Mir gefällt, dass von Ziegner betont, dass die einzelnen Punkte nicht isoliert betrachtet werden sollen und immer ineinander fließen, dass man nicht einen Punkt allein bearbeiten kann.
Julia
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Beitrag von Julia »

Puppa99 hat geschrieben:...wenn man auf einem Pferd sitzt, das total hektisch unterwegs ist, wird man es wohl nicht ohne Hilfeneinwirkung - und hier unter Benutzung der Zügel - zu einem ruhigeren Tempo überreden können.
Moment, ich schrieb nicht davon über die Zügel in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen in Form von einer Benutzung als Bremspedal o.ä.!

Ich meine ausschließlich dem Pferd einen leichte Anlehnung anzubieten. Alles andere mache ich über die Stimme und soweit möglich und schon verstanden, den Sitz.
Pferd die sehr heiss sind und die Flucht nach vorne suchen arbeite ich sehr lange am Boden und sehr lange mit Bodenpersonal dass so lange dabei bleibt und auch wieder stimmlich führt bis die Pferde runter kommen.

Das finde ich eh das A und O. Die Pferde müssen supergut auf die Stimmkommandos trainiert werden. Vorher setzte ich mich nicht drauf.
Liebe Grüße, Julia
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Julia hat geschrieben:Moment, ich schrieb nicht davon über die Zügel in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen in Form von einer Benutzung als Bremspedal o.ä.!
Darin sind wir uns einig! Ich meinte natürlich nicht, dass man am Zügel ziehen soll, sondern dachte eher an einen Versuch der Einflussnahme über vorsichtiges "Spielen" am Zügel, gepaart mit Gewichtseinwirkung.
Julia hat geschrieben:Das finde ich eh das A und O. Die Pferde müssen supergut auf die Stimmkommandos trainiert werden. Vorher setzte ich mich nicht drauf.


Da stimme ich Dir vollkommen zu. Die Stimme ist bei den ersten Reiteinheiten die wichtigste Hilfe überhaupt.
grisu
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Beitrag von grisu »

Puppa99 hat geschrieben:
Julia hat geschrieben:Moment, ich schrieb nicht davon über die Zügel in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen in Form von einer Benutzung als Bremspedal o.ä.!
Darin sind wir uns einig! Ich meinte natürlich nicht, dass man am Zügel ziehen soll, sondern dachte eher an einen Versuch der Einflussnahme über vorsichtiges "Spielen" am Zügel, gepaart mit Gewichtseinwirkung.

...
@ Puppa Anlehnung bedeutet aber keine Einflussnahme, sondern lediglich den gleichmäßigen Kontakt mit dem Pferdemaul unabhängig von der Kopf- Halshaltung.
Was du da beschreibst, ist der Versuch, das Pferd über die Hand beizuzäumen. Das ist es eben nicht, was Anlehnung heißt.
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

grisu hat geschrieben: @ Puppa Anlehnung bedeutet aber keine Einflussnahme, sondern lediglich den gleichmäßigen Kontakt mit dem Pferdemaul unabhängig von der Kopf- Halshaltung.
Was du da beschreibst, ist der Versuch, das Pferd über die Hand beizuzäumen. Das ist es eben nicht, was Anlehnung heißt.
Nein, so meinte ich es auch nicht, ich stelle es mir eher an einem etwas längeren Zügel vor. Also nicht: den Kopf beizäumen, sondern eher, etwas Aufmerksamkeit vom Pferd bekommen.

Nun ja, ist aber auch echt schwierig, das schriftlich so auszudrücken, wie ich es mir denke... Doch das sollte ja hier keine Diskussion über "was ist Anlehnung" werden, sondern um den Vorschlag von Herrn von Ziegner. :wink:
grisu
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Beitrag von grisu »

Puppa99 hat geschrieben:
grisu hat geschrieben: @ Puppa Anlehnung bedeutet aber keine Einflussnahme, sondern lediglich den gleichmäßigen Kontakt mit dem Pferdemaul unabhängig von der Kopf- Halshaltung.
Was du da beschreibst, ist der Versuch, das Pferd über die Hand beizuzäumen. Das ist es eben nicht, was Anlehnung heißt.
Nein, so meinte ich es auch nicht, ich stelle es mir eher an einem etwas längeren Zügel vor. Also nicht: den Kopf beizäumen, sondern eher, etwas Aufmerksamkeit vom Pferd bekommen.

Nun ja, ist aber auch echt schwierig, das schriftlich so auszudrücken, wie ich es mir denke... Doch das sollte ja hier keine Diskussion über "was ist Anlehnung" werden, sondern um den Vorschlag von Herrn von Ziegner. :wink:
Aber, wenn du Anlehnung anders definierst als Ziegner, macht eine Diskussion nicht wirklich Sinn.

von Ziegner schreibt: "Jetzt ist es für den Reiter an der Zeit, dem Pferd die Hand anzubieten; d.h. das Pferd soll die Hand suchen, finden und schätzen lernen, dabei im Genick nachgeben und mit geschlossenem Maul anfangen zu kauen."

Und du schreibst was von spielenden Fingern, um die Aufmerksamkeit vom Pferd zu bekommen - das sind zwei unterschiedliche Dinge.

Was du beschreibst ist von vorne nach hinten geritten, was von Ziegner beschreibt von hinten nach vorne geritten - Anlehnung eben. :wink:
Wuschel

Beitrag von Wuschel »

Kann sein, dass ich mich wieder höllisch blamiere, aber blamieren geht über studieren, oder so.... :roll:
Könnte mit Anlehnung nicht schon der Zustand gemeint sein, wo das Pferd sich in den Zügel hineindehnt und so aktiv durch den Körper arbeitet, dass es den Rücken hebt? Also vielmehr den Hals stabil gerade über die Schultern stellt und durch den Körper schwingt und trägt?
horsman
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Beitrag von horsman »

Ich denke, irgendeine reihenfolge in eine "skala der ausbildung" hinein reden zu wollen ist ungefähr so ergiebig wie die diskussion über das ei und die henne.

Übrigens hat v ziegener "seine" skala schon vor 10-20 jahren in seinem buch beschrieben. Neu ist die also auch nicht
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

Nur ganz kurz...Ich finde ausgesprochen positiv, dass das Geraderichten vor dem Schwung kommt. Auch sein Begründung dazu finde ich sehr gelungen!
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Wuschel hat geschrieben:Kann sein, dass ich mich wieder höllisch blamiere, aber blamieren geht über studieren, oder so.... :roll:
Könnte mit Anlehnung nicht schon der Zustand gemeint sein, wo das Pferd sich in den Zügel hineindehnt und so aktiv durch den Körper arbeitet, dass es den Rücken hebt? Also vielmehr den Hals stabil gerade über die Schultern stellt und durch den Körper schwingt und trägt?
Ich denke, Wuschel, das ist eher eine Umschreibung von beginnendem Schwung....

Die Problematik in der Reiter Fachsprache ist, dass "Takt" Zweierlei meint.

Einmal den Grundtakt einer Gangart im Sinne von :"Trab ist eine Bewegung im ZweiTAKT, bei diagonaler Stütz-und Hangbeinphase und Schwebephase."

und zum Zweiten , der Definition aus den Richtlinien:" Takt ist das räumliche und zeitliche Gleichmaß, aller Schritte, Tritte und Sprünge...."

Der in Zusammenhang mit der Zwanglosigkeit gemeinte TAKT, ist Ersterer.

Der "errittenenTakt" im Sinne der RL-Definition hingegen, erfordert bereits Geraderichtung und damit Anlehnung .

Die Zwanglosigkeit steht VOR der Anlehnung. Der Takt im Sinne des "formbaren Bewegungsablaufes" DANACH.
grisu
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Beitrag von grisu »

horsman hat geschrieben: ...

Übrigens hat v ziegener "seine" skala schon vor 10-20 jahren in seinem buch beschrieben. Neu ist die also auch nicht
Diese Aussage ist jetzt wirklich ärgerlich! Denn was Ziegner in dem Interview sagt, ist neu und revidiert seine alte Beschreibung. Um das zu sehen, muss man sich allerdings die Mühe machen, beides anzuschauen, bevor man herablassend sagt: Kenn ich schon, alles ein alter Hut. :roll:

Ja, von Ziegner hat schon vor einigen Jahren seinen "Trainingsbaum" der Ausbildungsskala gegenübergestellt. Aber dieser Traingsbaum hatte noch die Reihenfolge: Losgelassenheit, Takt ... Anlehnung ...
Außerdem hatte er noch ein paar Punkte mehr, siehe hier
http://www.feinehilfen.com/kurd-albrecht-v-ziegner/

Also in den ersten drei Punkten zwar nicht dieselbe wie bei der FN, aber auch mit der Anlehnung an dritter Stelle. Jetzt hat er diese ersten drei Punkte in der Reihenfolge nochmals verändert.
Klassikfjord
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Beitrag von Klassikfjord »

Ich finde das, was er beschreibt, logisch.

Für mich steht Anlehnung auch ganz klar vor Takt.

Ich kann dem Pferd keinen Takt vorgeben, welches nicht über den Sitz reitbar ist, und dessen Hinterhand ich nicht sanft (!) mit den Zügeln "abfangen" bzw. dessen Kadenz/Schwung ich nicht in Ansätzen über das Zusammenspiel von Sitz, Schenkelhilfen und Zügelhilfen beeinflussen kann (das ist für mich persöhnlich Anlehnung).

"Taktklar" hieße ja überspitzt formuliert auch, dass ein Pferd giraffenartig im Trab mit festem Rücken davonprischt. Meinetwegen ein Traber auf der Rennbahn, nach welchem man ein Metronom stellen könnte.
Oder aber ein Pleasure Pferd, welches taktklar im Trab Furchen in den Boden zieht.

Das ist aber ja ganz klar nicht, was man als "Takt" erreiten möchte.

Für mich wird der Takt von der Hinterhand vorgegeben, und zwar durch Raummaß, Hankenbiegung und Gewschwindigkeit des Abfußens.

Hier als Reiter einen gleichförmigen Takt vorzugeben, dafür benötigt es schon ein Pferd, was sich anlehnen kann (auch vom Kopf her!)

Geraderichtung sehe ich eher als generelles Ziel der Dressurreiterei, Schwung und daraus resultierend Versammlung ergeben sich durch Variationen von Seitengängen etc. von selbst.
Ponyreiter aus Überzeugung
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