Die Stete der Reiterhand

Rund um die klassische Reitkunst

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Ulrike
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Die Stete der Reiterhand

Beitrag von Ulrike »

Basierend auf der GUTEN!!! Diskussion im Jungpferdethread

möchte ich noch mal das Thema gezielt herauspicken: Die Stete der Reiterhand.


Meine Hand ist nicht stet im Sinne, das sie das Gewicht, das über die HH an das Gebiss heranwirkt, nicht aufnimmt.
Ich neige wohl dazu, das Pferd in dieser Beziehung nicht zu begleiten und somit nicht zu fördern.

Aus Panik, dem Tier im Maul zu zerren, lasse ich das sein und gebe auch sofort komplett nach.

Von mir kann ich sagen, das meine Hand nicht rückwärts wirkt und auch nicht aktiv versucht, irgendwas zu erreichen.

Mein Sitz gilt, nach Aussage meiner Umgebung (auch der kritischen) als zügelunabhängig, ich brauche die Zügel nicht, um mich festzuhalten.

Also, was kann ich in meinem Kopf bewegen und was kann mich unterstützen, meine Hand so stet zu schulen, das ich meinem Pferd helfen kann, seine Kraft zu kanalisieren?

Ein Thema, welches sicher nicht nur mich bewegt; hoffe ich zumindest! :wink:

LG Ulrike
oecone
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Beitrag von oecone »

Hallo Ulrike!

Die stete Hand hat immer den gleichen Zug/Kontakt zum Pferdemaul - im Idealfall in jeder Situation.

Ich versuchs mal mit holpriger Erklärung:
Meint, dass man ein wenig, wirklich nur so ein bischen entspannten Unterarm gibt, wenn das Pferd ans Gebiss herantritt. Meine RL nennt das schon loslassen. Der Rahmen aus Zügeln und Schenkeln bleibt dabei immer konstant bestehen. Zuweilen kommt bei gerade solchen 'weichen' Jungpferden richtig Druck auf die Zügel, weil sie sich wirklich darüber stabilisieren. Die Kunst ist dann, über sanfte Paraden und entsprechendes Loslassen das Pferd dazu zu bewegen, sich doch ein wenig selber zu tragen.

Im Idealfall hat man auch auf beiden Zügeln immer den selben Druck. Aber nur, wenn das Pferd bereits gerade ist. Beim Jungspund ist meist auf der Zwangsseite mehr Druck drauf. Anja Beran erklärt das m. E. ganz gut in der 'Klassischen Reitkunst'. Beim Lesen habe ich auch erst richtig verstanden, was ich da immer so gefühlt habe.

Vielleicht gibt es in Deinem Umfeld ein Pferd, welches Du reiten darfst, und diese konstante Anlehnung mal fühlen kannst. Ich finde, dass man das nur äußerst unzureichend erklären kann.

LG
oecone
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Ich glaube, der passende Begriff ist eher stetig als stet.

Michael Putz sagt dazu immer, man soll "dem Pferd ganz sanft im Mäulchen hängen und sich weich mitnehmen lassen". Finde ich eine ganz schöne Beschreibung.

Ulrike, bei dem unteren von dir eingestellten Bild wirkst du doch aber sehr deutlich nach innen-hinten ein, dazu mit festgestelltem Handgelenk - sicher wendest du dabei keine große Kraft an, aber dennoch ist es eine aktive und auch rückwärts wirkende Einwirkung, während der äußere Zügel keinen Rahmen bietet.

Da finde ich es ehrlich gesagt auch nicht verwunderlich, dass es Probleme mit der Richtungsgebung, Balance und Stabilität gerade eines jungen Pferdes gibt. Sonderlich sanft ist das leider auch nicht, auch wenn du wie gesagt bestimmt (über)vorsichtig bist - oder gerade deswegen. Ich würde mich einfach mal beim Reiten darauf konzentrieren, das Tier im Hals gerade zu halten und von dir aus einen möglichst gleichmäßigen, weichen Zügelkontakt zu halten, ohne dauernd was am Pferd "korrigieren" zu wollen. Wobei ich nur zu genau weiß, wie schwer das besonders auf der Zwangsseite ist, nicht zu "fuckeln" und zu überstellen.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

S&P hatte vor ein paar Jahren einmal so eine Beschreibung gebracht, die mir bei meinem "schlecht kanalisierbaren" Pferd gut weiter geholfen hat.
Sie lautete in etwa, man solle dem Jungen Pferd in jeder Haltung mit den Händen so folgen, als sei das Maul die Spitze eines Pfeiles und die Hände die Enden davon (wenn ich mir das richtig gemerkt habe). Dabei werden die Hände etwas breiter auseinander gehalten.
So bin ich dann mit diesem "Pfeil" über unsere große Wiese geritten, mit ganz ruhiger Hand und der Wahrnehmung einer ständigen, leichten aber konstanten Verbindung. Egal, ob es geradeaus oder auf gebogener Linie ging, immer mit unverändertem Pfeil. Das Pferd traute sich dabei, das Maul ziemlich weit vor zu nehmen. Das sah zwar recht "eselig" aus, aber wenigstens hatte ich die konstante Verbindung. Das v/a konnte ich später bei diesem Pferd am besten aus dem Schenkelweichen heraus erarbeiten, weil es damit am besten locker wurde.
Auch heute noch ist bei jeder Spannung sofort der Übergang in einige Tritte SW angesagt. Dabei kaut er sofort und dehnt sich an den Zügel heran.
Klassikfjord
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Beitrag von Klassikfjord »

Ich finde Oecane's Vorschlag gut. Am besten auf einem erfahrenen, durchlässigen Pferd, was gelernt hat, sich an die Reiterhand zu dehnen, fühlen üben. Wenn man's ein paar mal erfühlt hat, macht man es automatisch richtiger, egal auf welchem Pferd. Ist ein bisschen wie der schleifende Punkt der Kupplung, den man als Fahranfänger bei jedem anderen Auto, das man fährt, erstmal suchen muss.

Natürlich muss das (junge) Pferd auch erstmal gelernt haben, auf Paraden am Zügel und gleichzeitig treibende Schenkelhilfe nachzugeben. Was eine gewisse Grundgymnastizierung voraussetzt. Und natürlich ist das je nach Ausbildungsstand des Pferdes - ist es z.B. bereits über den Sitz zu versammeln - eine ganz andere "Stete" am Zügel.

Ich finde, ein gleiches Maß der Stete gibt es nicht für jedes Pferd. Zumal rennige Pferde (die sich eher auf den Zügel legen) anders in die Anlehnung zu reiten sind, als triebige (die sich eher hinter dem Zügel verkriechen). Deswegen finde ich es auch schwer, Pauschal-Tips zu geben.

So oder so - es ist weder gut, "tust du mir nichts, tu ich dir nichts" zu spielen, noch zu dulden, dass ein Pferd nicht auf Zügelhilfen reagiert und mit Dauerzug am Maul läuft.

Wie gehst du das denn generell bei deinem Youngster an, oder was sagt dein Reitlehrer dazu?
Ponyreiter aus Überzeugung
Julia
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Beitrag von Julia »

Rapunzel hat geschrieben: Michael Putz sagt dazu immer, man soll "dem Pferd ganz sanft im Mäulchen hängen und sich weich mitnehmen lassen". Finde ich eine ganz schöne Beschreibung.
Ein schönes Bild
Ulrike, bei dem unteren von dir eingestellten Bild wirkst du doch aber sehr deutlich nach innen-hinten ein, dazu mit festgestelltem Handgelenk - sicher wendest du dabei keine große Kraft an, aber dennoch ist es eine aktive und auch rückwärts wirkende Einwirkung, während der äußere Zügel keinen Rahmen bietet.
Das habe ich leider auch gedacht. Dem Männeken würde es schon viel helfen wenn die innere Hand einfach neben der äusseren bleiben würde. Vorerst.
Ich würde mich einfach mal beim Reiten darauf konzentrieren, das Tier im Hals gerade zu halten und von dir aus einen möglichst gleichmäßigen, weichen Zügelkontakt zu halten, ohne dauernd was am Pferd "korrigieren" zu wollen.


Ja! Mein Gedanke war auch gerade im Hals halten. Das gibt Dir auch die Möglichkeit Dich auf 2 Hände die nebeneinander bleiben zu konzentrieren. Und die Hände nicht zu nah beieinander halten. Wenn Du es dann noch schaffst eine konsequente Verbindung zu schaffen bist Du um Meilen weiter.
Es gibt da so viele Bilder die funktionieren können, das hängt einfach ganz vom Kopf ab. Die einen können gut ein Tablett tragen, andere in jeder Hand eine Tasse Kaffee, der nächste muss für die Verbindung in jeder Hand eine Milchtüte tragen um das Maul zu spüren, oder mit 2 "Stangen reiten" die den Kopf nach vorne unten schieben und wieder ein anderer braucht ein ganz anderes Bild. Das finde ich schwer zumal ich eh Schwierigkeiten habe diese Dinge niederzuschreiben. Auf dem Platz kann ich das besser. :oops: [/quote]
Liebe Grüße, Julia
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Eine hilfreiche Übung finde ich auch, mit einer Person des (reiterlichen) Vertrauens ein Paar Zügel jeder am anderen Ende zu fassen und die andere Person den "richtigen" Druck aufnehmen zu lassen. Einfach, um stetigen Kontakt zu fühlen.
Natürlich gibt es nicht "den richtigen Kontakt", der sich in Maßzahlen ausdrücken lässt. Aber ich glaube, dass viele Reiter, die das Reiten mit feinen Hilfen anstreben, aus lauter Streben nach Leichtigkeit zu wenig Kontakt zulassen.
*aufsichzeigt*
"Reiten ist die Suche nach Schönheit, Geradlinigkeit und Wahrheit."
Nuno Oliveira
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Rabano26
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Beitrag von Rabano26 »

ninischi hat geschrieben:Eine hilfreiche Übung finde ich auch, mit einer Person des (reiterlichen) Vertrauens ein Paar Zügel jeder am anderen Ende zu fassen und die andere Person den "richtigen" Druck aufnehmen zu lassen. Einfach, um stetigen Kontakt zu fühlen.
Natürlich gibt es nicht "den richtigen Kontakt", der sich in Maßzahlen ausdrücken lässt. Aber ich glaube, dass viele Reiter, die das Reiten mit feinen Hilfen anstreben, aus lauter Streben nach Leichtigkeit zu wenig Kontakt zulassen.
*aufsichzeigt*
dem stimme ich zu, hab leider auch lange genug so geritten. Fazit: kein Pferd mit Spannung, und gesund ist es auf Dauer auch nicht.

Manolo hat es dann bei mir auch gemacht - ich musste den Druck Spüren, den er vorne am Gebiss aufbaut. Ich bin auch eher von der Sorte Reiter "bloss nicht zuviel Druck auf den Zügel". Bei meinem musste ich nun lernen, das ich erst drei vier Std brauchte, wo mehr Druck drauf ist, danach gings quasi wie von selbst mit dem Kopf unten lassen (habe den Typ Giraffe mit starkem Hals im Stall stehen). Nun tritt er schön ran, wenns anstrengend wird legt er sich jetzt drauf, da hilft dann nur von hinten nachtreiben.

Manolo und auch Horst Becker erklären das auch gerne so, das man zum einen ja auch eher dem vertraut, der den beständigen Händedruck hat (und nicht denen mit einem laschen Händedruck), Manolo legt zur Demonstration gerne die Hand auf das Bein des Reiters, dieser soll den Druck spüren, die diese Hand ausübt, dann die Augen schließen und merken wie es sich anfühlt, wenn kein stetiger Kontakt da ist, dieser dann zum Beispiel plötzlich ganz schnell kommt - so fühlt sich das Pferd, wenn es lose Zügel hat und plötzlich Kontakt hergestellt wird - es wird überrumpelt. Fand da Bild sehr einleuchtend, seitdem achte ich noch mehr auf eine stete Verbindung.
in unserer ersten Std meinte ich zudem zu ihm "Peije ist sehr stark gerade in der Hand" und er meinte (was logisch war im nachhinein) "er weiss nicht, was er soll, er muss es erst lernen".
Es grüßen aus dem schönen Rheinland

Ellen, Peije und Rabano
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Guten Morgen,


also, ich arbeite an der Hand. Mit meiner Stute klappt das um Meilen besser, weil sie viel mehr Ruhe im MAul mitbringt.

Aber, nichts, was es nicht zu verfeinern gilt.

Beim Jungen bin ich nun auch noch achtsamer dran. Was treibe ich, wo reagiere ich zu prompt, etc.

Durch diesen hypermobilen Körper gibt es echt wieder viel zu lernen und zu üben. Spannend.


LG Ulrike
horsman
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Beitrag von horsman »

Wenn mit der "steten" Hand die sog. "main fixe" gemeint ist, dann gehört zur "steten" Reiterhand unbedingt auch das abkauende Maul, also die Kieferflexion. Beides geht Hand ich Hand: hört das Pferd auf zu kauen, weil die Hand unstet wird, wird die Anlehnung zäh. Wird die Hand unstet, hört das Pferd auf zu kauen und das Maul wird leblos.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Horseman,


so, wie ich die "main fixe" verstanden habe, ist diese an einen bestimmten Ort positioniert, an dem das Pferd sich dann lösen kann, indem es sich an diese Position der Hand herantastet.

Die stete Reiterhand hier wäre eine ruhige Hand, die das Pferd den Kontakt finden lässt, damit es sich dann lösen kann.
Der Reiter hier " hält hin", wie es in der Reitliteratur so schön heißt.

Für mich ist die " main fixe" eher eine Steigerung der steten Hand.

LG
Ulrike
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Bei deinem letzter Satz, Ulrike, dachte ich spontan : " Ja, das sehe ich aus so!".
Aber bei weiterem Nachdenken, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die main fixe etwas anderes ist. Es steckt eine ganz andere Idee dahinter, auch, wenn ein ähnliches Ergebnis angestrebt wird.

Die main fixe, stellt passiv einen Rahmen, die Aktivität liegt beim Pferd, welches diesen ausfüllen (lernen) soll. Die Kontaktaufnahme geht vom Pferd aus. Es ist im Grunde das Prinzip "Ausbinder". Die ähnliche Bezeichnung spricht für sich : "main Fixe" und "rein fixe" :wink:


Die stete Hand hingegen, lädt aktiv das Pferd ein, sich in den danach angestrebten Rahmen ein zu finden. Die Aktivität, die Kontaktaufnehme, erfolgt durch den Reiter.

Ich selbst bevorzuge die stete Hand, weil sie mir kommunikativer und weniger autoritär erscheint und mir das eher liegt. Für mich ist eine sich anbietende, fragende Hand immer ein Unterrichtskernpunkt, den ich explizit zu erarbeiten suche, nicht auch zuletzt, weil dies zu einer Unabhängigkeit der Hand führt und das Reitergefühl dahingehend schult.

Die Gefahr bei der m.f. liegt in meinen Augen in einer starren, nicht fühlenden Hand.

Bei der s.H. hingegen, in einer herumeiernden, dem Pferd durch über-bemühtes, nicht passendes Mitgehen-wollen, einen falschen Rhythmus oktroyierenden Hand. Oder schlicht in Unruhe. :?

Beides ist ungut.

Und wie in allen Dingen : Kaum macht man´s richtig, schon klappt´s ...

.. jemand, der gekonnt die main fixe nutzt, dessen Pferde werden damit wunderbar zurecht kommen.

Ein Pferd, das bereits Anlehnung sucht, Selbsthaltung verinnerlicht und ein nachgiebiges Maul hat, kommt mit der main fixe nach meiner Erfahrung besser zurecht, als eines, welches das sich Einfinden in den Rahmen erst lernen muss.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

witzig, s&p,

als ich den post schrieb, habe ich mir auch noch weitergehende Gedanken gemacht und hätte mir auch eine ähnliche Antwort gegeben.


Das ist das Schöne an diesem Forum, es lädt zum Nachdenken ein.


LG Ulrike
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