Kandare und schlechte Gewissen

Rund um die klassische Reitkunst

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pepe
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Beitrag von pepe »

Was ich jetzt mal machen werde ist die U-Trense in die Trense (blödes Deutsch, ich weiß) einschnallen. Mit dieser Stärke, bzw. mit dem Umfang des Gebisses scheint er kein Problem zu haben.
Der größte Unterschied zwischen Kandare und Trense liegt in der Konzentration meines Pferdes. Diese Momente der Feinheit auf Trense habe ich nur geschafft wenn ich mit der Einstellung "heute nehme ich nichts in die Hand" aufgesessen bin. Bei einem sehr guckigen, gerne verspannten Pferd daß in solchen Augenblicken rüpelig wird, nicht ganz einfach. Und nach den Pausen (jede Arbeitsreprise zwischen 5 und höchstens 10 Minuten) war es immer "neues Spiel, neues Glück", also nichts Kontinuierliches. Mit Kandare bleibt er mit seinen Gedanken bei mir.

Was ich mir auch schon überlegt habe: die Kandare wirkt als Flaschenzug und zwar schon bevor der Zügel überhaupt gespannt wird (Herr Stahlecker hat mal eine sehr schöne Abhandlung zu diesem Thema geschrieben). Gibt mein Pferd dann evtl. dem Druck im Genick nach? Wäre dann nicht eine Baucher- Trense sinnvoll?

Ich möchte nicht hin- und herprobieren, aber es bleibt mir wohl zunächst nichts anderes übrig. Ich bin es leid nicht zu wissen was ich morgen reiten kann, da der gnädige Herr evtl. wieder Gespenster sieht. Natürlich stelle ich mich tagtäglich auf mein Pferd ein, aber ich möchte eine klare Linie in unsere Arbeit reinbringen und Lektionen aufeinander aufbauen können. Sonst bleiben Erfolge in der Losgelassenheit und Kadenz Zufälle.

Ich habe in meiner Gebißsammung auch alle Variationen von "dick und noch dicker". Die bleiben aber im Schrank, das tu ich den Pferden nicht mehr an.
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Junito
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Beitrag von Junito »

Aus der Ferne dazu was zu sagen, ist schwierig. Das mit der Kandare haben wir momentan ziemlich durch. Ich meinte auch irgendwann, dass ich mal ein Hebelstangengebiß (portugiesisches Pelham 4-zügelig) ausprobieren mußte. Oh Wunder, Junito schien zunächst tatsächlich feiner zu reagieren. Es schien alles schneller zu gehen.

Da habe ich allerdings einen Fehler gemacht: Meine Trense komplett weggelassen (hatte eine RL, die das befürwortete). Kraft und Balance waren damals noch lange nicht gegeben.

Ich konnte mir solange in die Tasche lügen, bis es an den Galopp ging: Nach einer Zeit war dann nur noch Renngalopp möglich. Die Übergänge wurden immer schlechter, Junito begann gegen den Zügel zu büffeln.

Da blieb mir nichts anderes übrig, als nochmal von vorne anzufangen. Mit der "gewöhnlichen" Wassertrense. Unter fachkundiger Anleitung gelang es uns dann, unsere Rückstände aufzuholen und vor allem war mein Hoppa gezwungen, wirklich seinen Popomotor zu benutzen, da er sich nun nicht mehr aufs Gebiß stützen konnte und ich mir nicht mehr in die Tasche lügen. Wenn Junito übrigens ganz korrekt geht, ist auch eine Piaffe am durchhängenden Zügel (mit Trense) drin.

Vielleicht solltest du dich wirklich mal mit beiden Gebissen (oder jetzt mit allen 3) filmen lassen. Dann hast du eher eine Chance zu sehen, was wirklich los ist.
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Also, ich habe mit sweet-iron Westerntrensen gute Erfahrungen gemacht. Novaja mag dicke Wassertrensen nicht besonders. Als ich sie bekam, weigerte sie sich überhaupt den Mund beim Auftrensen zu öffnen. Ich habe es dann eben mit Sweetiron versucht, und schon wurde es besser. Vielleicht wäre sowas einen Versuch wert? Und kann es vielleicht sein, daß Du mit Kandare konzentrierter reitest und sich das überträgt?
Liebe Grüße
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pepe
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Beitrag von pepe »

Ich denke Konzentration ist das Zauberwort.

Pepe ist von seinem Ausbildungsstand soweit, ich mauschel nicht, das ist schon in Ordnung so (s. meinen anderen Thread zur Kandarenreife).
Es ist auch keine Frage des Materials. Wenn ich könnte würde ich ihm so ne Kunststoffgeschichte zwischen die Kiemen schieben, nur Nathe gibts ja heute nur noch mit Apfelgeschmack- jech!

Ich bin in meiner Umgebung die Einzige die regelmäßig mit vier Zügeln reitet. Ich bin auch die Einzige die Seitengänge reitet. Überhaupt bin ich ein ziemlich schräger Vogel mit diesem Schecken. Gurkt da so mit langem Zügel durch die Gegend ("Ei, willsch den einfahre?")..., reitet auch so komisch "du worum hengt no do dr Ziegel schier durch? Willsch den net mehr uffnemme?"

Es ist schwer oft außerhalb der Schablone "Normalität" zu stehen. Wie oft ist zu oft? Ich habe niemanden außer Branderup und Hinrichs gehabt die mir bzgl. Kandare auf die Pratzen geschaut haben (Manolo Oliva hat sich meine Handarbeit angeschaut und sie abgesegnet). Ich weiß daß ich ein bißchen was kann- aber diese verdammte Unsicherheit: "mach ichs richtig oder bin ich jetzt überheblich?"
Vielleicht fehlt mir das "Role-Model" (oje, jetzt wirds psychologisch...)
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Manfred

Beitrag von Manfred »

pepe hat geschrieben:Ich bin in meiner Umgebung die Einzige die regelmäßig mit vier Zügeln reitet.
Und ich bin bei uns der Einzige, der regelmäßig mit Hoppas spazierengeht.

Da wird dann gefragt, ob dem Pferd was fehlt oder so ähnlich ...

Ach und wenn ich dann mal ein Hoppa unter eine Plastikplane locke und es damit zudecke, wird gefragt, ob ich es als Geschenk verpacken möchte.

Lass doch die Leute reden, mich kratzt das nicht die Bohne. Hauptsache mein Pferd macht all diese Dinge gerne mit mir und läuft nicht davon.

Liebe Grüße
Manfred
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Junito
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Beitrag von Junito »

Naja Pepe, da hast du wohl einen ähnlichen Effekt gefunden wie andere, wenn sie z.B. ein Ballkleid zum Tanzen anziehen. Und dass du dich selber hinterfragst, zeigt, dass das so in Ordnung ist.
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

pepe hat geschrieben:I

Ich bin in meiner Umgebung die Einzige die regelmäßig mit vier Zügeln reitet. Ich bin auch die Einzige die Seitengänge reitet. Überhaupt bin ich ein ziemlich schräger Vogel mit diesem Schecken. Gurkt da so mit langem Zügel durch die Gegend ("Ei, willsch den einfahre?")..., reitet auch so komisch "du worum hengt no do dr Ziegel schier durch? Willsch den net mehr uffnemme?"

Es ist schwer oft außerhalb der Schablone "Normalität" zu stehen. Wie oft ist zu oft? Ich habe niemanden außer Branderup und Hinrichs gehabt die mir bzgl. Kandare auf die Pratzen geschaut haben (Manolo Oliva hat sich meine Handarbeit angeschaut und sie abgesegnet). Ich weiß daß ich ein bißchen was kann- aber diese verdammte Unsicherheit: "mach ichs richtig oder bin ich jetzt überheblich?"
Vielleicht fehlt mir das "Role-Model" (oje, jetzt wirds psychologisch...)
DAS kenn ich. Du hast: "Juckl doch nicht so untertourig rum!" und "Für Seitengänge ist es noch viel zu früh!" vergessen. Was über meine Bodenarbeit gesagt wird und mein unausgebundenes Caveconlongieren will ich gar nicht wissen. Andererseits ist der Ruf erst runiert, lebt's sich herrlich ungeniert - und so eine gewisse Narrenfreiheit a la "die reitet Barock, die ist nicht zurechnungsfähig" hat auch was. Was ich auch kenne sind diese aufkeimenden Selbstzweifel - Rezept dagegen hab ich leider keins (außer vielleicht ein Stierle oder zwei?!)

Aber ich denke Hinrichs hätte Dir auf die Pratzen gehauen, hätte er Deinen Umgang mit der Kandare nicht gut gefunden :wink: . :D
Liebe Grüße
Susanne
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FoxOnTheRun
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Beitrag von FoxOnTheRun »

Susanne hat geschrieben:
pepe hat geschrieben:I

Ich bin in meiner Umgebung die Einzige die regelmäßig mit vier Zügeln reitet. Ich bin auch die Einzige die Seitengänge reitet. Überhaupt bin ich ein ziemlich schräger Vogel mit diesem Schecken. Gurkt da so mit langem Zügel durch die Gegend ("Ei, willsch den einfahre?")..., reitet auch so komisch "du worum hengt no do dr Ziegel schier durch? Willsch den net mehr uffnemme?"

Es ist schwer oft außerhalb der Schablone "Normalität" zu stehen. Wie oft ist zu oft? Ich habe niemanden außer Branderup und Hinrichs gehabt die mir bzgl. Kandare auf die Pratzen geschaut haben (Manolo Oliva hat sich meine Handarbeit angeschaut und sie abgesegnet). Ich weiß daß ich ein bißchen was kann- aber diese verdammte Unsicherheit: "mach ichs richtig oder bin ich jetzt überheblich?"
Vielleicht fehlt mir das "Role-Model" (oje, jetzt wirds psychologisch...)
DAS kenn ich. Du hast: "Juckl doch nicht so untertourig rum!" und "Für Seitengänge ist es noch viel zu früh!" vergessen. Was über meine Bodenarbeit gesagt wird und mein unausgebundenes Caveconlongieren will ich gar nicht wissen. Andererseits ist der Ruf erst runiert, lebt's sich herrlich ungeniert - und so eine gewisse Narrenfreiheit a la "die reitet Barock, die ist nicht zurechnungsfähig" hat auch was. Was ich auch kenne sind diese aufkeimenden Selbstzweifel - Rezept dagegen hab ich leider keins (außer vielleicht ein Stierle oder zwei?!)

Aber ich denke Hinrichs hätte Dir auf die Pratzen gehauen, hätte er Deinen Umgang mit der Kandare nicht gut gefunden :wink: . :D
Hey, willkommen im Club! Allerdings habe ich wirklich ein paar Vorteile: In meinem Stall sind ein paar Leute, die auch gerne klassisch mit ihren Pferden a.rbeiten würden. D.H. sie wissen, was ich da tue und akzeptieren das. Allerdings sind dann da auch so leute wie meine Mutter, die früher mal nach alter englischer Schule geritten ist, die dann meinen: "Der geht ja gar nicht am Zügel, warum faßt Du nicht kürzer?" Und ich nur denke, tolle Dehnungshaltung und viel Rücken!

Mein zweiter großer Vorteil ist, daß ich mit wenig zutun sehr viele LEute, die nichts davon verstehen, von meiner Arbeit überzeugen kan, denn sobald man mein Pferd ein wenig in die Versammlungbringt, macht er einen Kragen, um den ihn so mancher Hengst neidisch wäre. Und zusammen mit seinem hübschen Köpfchen kann er da schon sehr viele Leien blenden. Aber wehe jemand, der sich auskennt sieht hin.

Tja und ganz abgesehen davon, tränen mir jeden Tag die Augen, wenn ich sehe, wie die ach so Pferdefreundlichen freizeitreitern mit ihren Pferden "arbeiten"

Ich bin in unserem Stall die einzige, die sinnvolle Bodenarbeit macht (Parelli mal außen vor), die einzige, die versucht mit ihrem Pferd sinnvoll an der Longe zu arbeiten (nicht: Ich hab heut keinen Bock auf reiten, ich scheuch den Gaul heut etwas im Kreis) und die einzige, die denkt, die Piaffe ist eine reel erreichbare Lektion. Immerhin hat letztens eine externe Bereiterin erkannt, daß ich versuche, mein Pferd am Boden anzupiaffieren. *Juhu*.

Tja, das macht es nicht leichter, denn manchmal wäre es schon schön, jemanden zu haben, mit dem man solche Probleme auch vor Ort diskutieren könnte. Pepe, unsere Pferde sind sich denke ich, nach allem, was DU hier so geschrieben hast, sehr ähnlich. Und auch ich denke, WIR könnten die Kandarenreife mittlerweile vom Ausbildungsstand erreicht haben, obwohl es oft (nicht immer) mit der Trense noch hakt. Mein Pferd ist sehr launisch und manchmal macht er einfach dicht. Manchmal sitze ich auch oben und lächle. Und reite einfach. Ohne was zu tun.

Wir sollten viel mehr auf unser GEfühl und die innere Stimme hören. Heißt es nicht immer, fürs Reiten braucht man viel Gefühl? Also, wer Gefühl hat, sollte es auch benutzen!

Sorry für den Roman, der teilweise offtopic ist. Aber das mußte ich mal loswerden!
LG Foxi
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Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Hallo,
ich bin heute das erste Mal mit einer portugisischen Kandare 4 zügelig geritten. Meine Stute büffelte zuvor sehr auf dem doppelt gebrochenen Gebiß und auch sonst hatte ich das Gefühl, daß sie es am liebsten ausspucken wollte. Dazu kamen noch häßliche Zungenspielereien und ich bin wirklich keiner , der hart mit der Hand ist, im Gegenteil, meine Leinen sind meistens eher zu lang. Meine jetzige Reitlehrerin überzeugte mich, daß mein ?ferd nicht mit Trense glücklich werden muß. Warum sollte sie auch ! Ja, warum eigentlich muß ihr das Gebiss gefallen und warum sollte ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben, daß der heutige Tag mir ein sehr schönes Reitgefühl vermittelte. Der Kandarenzügel hing durch und sie war locker im Unterkiefer und gab schön nach. Ohne ständige Abspielerei. Und die Zunge blieb ruhig im Maul.
Fakt ist wohl: Es gibt Pferde, die mögen eine Stange lieber, weil sie das bewegliche Gebiss stört.
Nein, deswegen will ich mich nicht grämen, sondern vorsichtig an diese neue Sache herangehen.
Und bitte, warum sollte ich mir damit eines in die Tasche lügen ?

LG
Anchy
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
Unbek. Ecuyer
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Beitrag von Big Mama »

Ach ja, einfach mal schnell im Stall mit Gleichgesinnten klönen wird für die meisten hier ein ewiger Traum bleiben. Das wäre so schön....
Aber dafür ist ja das Forum da, hurra!!!!
Big Mama
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Larry
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Beitrag von Larry »

Guten Morgen!
Pepe, schon mal nachgebohrt, ob Du Dich filmen lassen kannst?
LG Larry
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

pepe hat geschrieben: Der größte Unterschied zwischen Kandare und Trense liegt in der Konzentration meines Pferdes.
...ehrlich gesagt bin ich sicher, dass Du da 100%ig richtig liegst. Der einzige Grund, warum ein Pferd eine Kandare lieber "mag" als eine Trense ist der Reiter. Bei der Trense hat das eine oder andere Pferd wesentlich weniger Respekt vor der Hand und widmet sich lieber anderen Reizen. Der Reiter reagiert dann oft falsch, indem er mehr Druck mit der Hand ausübt, das stört dann wieder die Kommunikation.

Barbier, Oliveira und Co. schreiben eigentlich alle am Anfang Ihrer Bücher einen klitzekleinen Satz, der gerne überlesen oder nicht richtig ernst genommen wird. Sie schreiben, bevor man mit der Ausbildung beginnt, müssen Pferd und Reiter einen sog. Urvertrag schließen. Dieser hat einen sehr einfachen Inhalt: "Das Pferd hat sich während der Ausbildung nur auf den Reiter zu konzentrieren und auf nichts, absolut gar nichts anderes" ... Und wie ist die Realität?

Es ist lediglich der Respekt vor der Hand, der den trügerischen Eindruck erweckt, das Pferd sei gerade zu verrückt nach der Kandare und lehnt die Trense ab. Man sollte nicht die Fehler des Reiters beim Pferd suchen. :wink:

Aber wie erreicht man, dass das Pferd auch aufmerksam ist, wenn es nicht in ständiger Angst vor der Kandare läuft? Der Trick - auch wenn ich jetzt wieder gesteinigt werde - heißt Anlehnung, man könnte auch sagen "Vertrauen zur Hand und Respekt vor dem Reiter". Wenn man sich nur auf die Wirkung der Kandare verläßt, führt das dazu, dass die Hand die einzige Hilfe ist, die alles bestimmt, selbst wenn man subjektiv den Eindruck hat, man reite nur mit dem "Gewicht der Zügel".

Die Aufmerksamkeit des Pferdes erreicht man mit einem kompromisslosen Vorwärts des Pferdes, was nichts mit Geschwindigkeit zu tun hat, im Gegenteil, je langsamer, desto mehr Vorwärts benötigt das Pferd. Das Pferd tritt an das Gebiss heran, stößt sich ab und tritt vermehrt unter. Die Anlehnung wird leicht und das Pferd bleibt aufmerksam. Wird es abgelenkt, dann kommt ein sofortiger Impuls nach vorne, der das Pferd daran erinnert, dass es im Moment eben dem Reiter zuhören soll.

Im Ergebnis hat das Pferd Respekt vor dem Vorwärtsimpuls und nicht vor der Kandare. Diese wird erst eingesetzt, wenn die Grundlage der Kommunikation, das Vorwärts und die Anlehnung wirklich stimmen. Genau das ist der Unterschied zwischen guter Reiterei und dem fortwährenden Austauschen von Gebissen mit der Hoffnung, das sich daran etwas ändert. Das ist das kleine Einmaleins der Dressur, das leider von vielen nicht mehr verstanden wird.

Pepe hat ganz intuitiv genau erkannt, worum es geht. TRotzdem würde ich jetzt erst mal eine Zeit auf Kandare reiten, einfach, damit insgesamt das Vertrauen zwischen Reiter und Pferd gefestigt wird. Dann aber muss man genau das tun, was auch schon junito und susanne geschrieben haben, wieder von vorne anfangen und den klassischen Weg der Ausbildung gehen.

Übrigens: Keine Angst, das Pferd wird die erlernten Lektionen in dieser Zeit nicht vergessen, im Gegenteil, am Ende wird man merken, wie wenig korrekt und losgelassen man früher geritten ist. Leider habe ich diese Erfahrung auch hinter mir.

Die ständige Beschäftigung mit der Frage "Was mach ich mit der Hand" führt dazu, dass man den wichtigsten Grundsatz der Reiterei verdrängt:

"Ein Pferd wird von Hinten nach Vorn geritten" Ich bin sicher, dass die allermeisten Probleme im fehlenden Vorwärts und daraus resultierend in einem falschen Verständnis von Anlehnung ihre Ursache haben und weniger durch die falsche Wahl des Gebisses begründet sind. Ein Pferd, das fleißig vorwärts geht und Vertrauen zum Reiter hand, wird sich auch mit Trense nicht auf die Hand legen. Man darf allerdings auch das "Vorwärts" nicht falsch interpretieren, wie es leider oft geschieht. Der Schlüssel ist: So langsam wie möglich und gleichzeitig vorwärts, vorwärts, vorwärts. :wink: , aber da ist ein anderes Thema.

Aktiviere dein Pferd, mache es aufmerksam, richte es gerade und reite es vorwärts, dann erst dann mache Dir Gedanken, ob dein Pferd das eine oder andere Gebiss lieber mag.
Zuletzt geändert von Steffen am Fr, 20. Okt 2006 08:50, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
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Beitrag von Larry »

"Das Pferd hat sich während der Ausbildung nur auf den Reiter zu konzentrieren und auf nichts, absolut gar nichts anderes"
Werde ich mir gleich einbrennen. Toller Satz :D -klingt nach viel Arbeit.
Wir schaffen das leider nur so ca. 20Minuten :(
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Beitrag von Steffen »

Larry hat geschrieben:Wir schaffen das leider nur so ca. 20Minuten :(
20 Minuten ist viel zu viel!

Fange an mit 5 Minuten, dann gib die Zügel hin und reite 5 Minuten am hingegebenen (nicht weggeworfenen!) Zügel Schritt. Und dann noch einmal 5 Minuten usw :wink: .
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Beitrag von Larry »

werde ich machen-fahre jetzt los.
:D
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