Immer nur "lieb, lieb"

Rund um die klassische Reitkunst

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Gawan
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Beitrag von Gawan »

amara hat geschrieben:
Gawan hat geschrieben:Noch zur Vorstellung, das Pferde von sich aus nur darauf aus sind, Energie zu sparen (ich frage mich, ob hier nicht menschliche Vorstellungen von Gemütlichkeit / Faulheit auf die Pferde projiziert werden): Mein Pferdl geht ja z.B. am Putzplatz meist auf Standby, und ist auch sonst eher ein Energiesparmodell, doch wenn der richtige Kollege dabei ist, kann er mit viel Energie und Ausdauer mit diesem spielen, bis er total verschwitzt ist. Auch bei wild lebenden Pferden üben ja zumindest die Junghengste, wie man mögliche Konkurrenten beeindruckt, zudem scheint in der Natur die offensichtliche Verschwendung von Energie die Damen zu beeindruckten, man schaue sich nur mal an, welchen Aufwand die Männchen teilweise betreiben.
Ich kann doch aber bitte nicht _ausgerechnet (??!)_ den Sexualtrieb - und im Spielen der Junghengste damit auch die Vorbereitung FÜR das Durchsetzen und Befriedigen sexueller Bedürfnisse - nicht mit einer Reiteinheit vergleichen???
Immerhin ist der Sexualtrieb direkt nach dem Überlebenstrieb der stärkste Trieb, den Tiere haben. Dass die hierfür mal "den Hintern hochbekommen" :lol: ist doch völlig nachvollziehbar!
Na ja, meiner hat ja mangels Eiern schon seit Jahren keinen (sichtbaren) Sexualtrieb mehr, spielt aber trotzdem mit Begeisterung mit manchen seiner Kollegen, strengt sich dabei deutlich an, nimmt dabei auch immer wieder mal Gewicht auf die Hinterbeine, obwohl er dazu seine Muskeln einsetzen muss. Der Unterschied zur Reiteinheit liegt für mich nicht in der Anstrengung (= Belastung des Kreislaufs + Arbeit der Muskeln), sondern darin, dass beim Reiten im Gegensatz zum Spielen die Bewegungsabläufe stärker fremdbestimmt sind, mehr reguliert werden, auch über längere Zeit in gleicher Form wiederholt werden etc., altmodisch ausgedrückt, mehr Disziplin verlangt wird.
amara hat geschrieben:Wohl keiner der Reithengste empfindet eine Reiteinheit aber stets als Vorbereitung zum Rangkampf, und wenn doch, dann hat man ein echtes Problem.
Wie weiter oben erwähnt hat meine RL in der letzten Stunde erzählt, wie ihr Hengst durch das Training gegenüber anderen Pferden selbstbewusster wurde, sie hat aber deswegen keine Probleme mit ihm bekommen, im Gegenteil. Warum sollte ein Pferd nicht merken, dass es durch die Übungen, die der Zweibeiner neben oder auf ihm von ihm verlangt, ausdauernder, beweglicher, geschickter wird? Setzt allerdings voraus, dass das Training auch wirklich diese für das Pferd positiven Folgen hat.
amara hat geschrieben: Ich finde es ja auch ok, dass ich Dinge tun muss, die ich ansich gar nicht so gerne mag. Und zu denen mich auch KEINER richtig motivieren kann. Ich tue sie halt, weil ich sie tue, weil sie jemand verlangt, und im allerbesten Fall finde ich später einen Benefit darin. *schulterzuck*
Mein Leben ist ja auch kein rosa Zuckerschlecken, und trotzdem finde ich, es geht mir gut, es macht mir Spaß, und ich tu auch mal Dinge, die ich nicht verstehe, die nicht Spaß machen, und die nicht motivierend sind. Ich find das nicht mal furchtbar schlimm.
Ich finde es ausgesprochen heikel, in dieser Form von einem selbst auf das Pferd zu schliessen. Das Pferd ist in keiner Weise moralisch dazu verpflichtet, zu tun, was wir von ihm verlangen, es hat ja keinen Arbeitsvertrag mit uns geschlossen; das Pferd in irgendeiner Form zu benutzen ist eine rein menschliche Idee, für die das Pferd nichts kann. Auf der anderen Seite ist es unsere moralische Verpflichtung, wenn wir schon das Pferd benutzen, dies so zu tun, dass das Pferd dabei zumindest keinen Schaden davonträgt, im Idealfall sogar davon profitiert, indem es z.B. körperlich stärker wird. Dazu sollten wir möglichst viel über Pferde, etwa ihre Biomechanik und ihr Verhalten, wissen, damit wir es so manipulieren können, dass am Ende das rauskommt, was wir gerne hätten, ohne das Pferd unnötig zu stressen. Apropos Stress, ich sehe es da ähnlich wie Phanja: Ich erwarte von den Pferden, mit denen ich umgehe, dass sie mich beispielsweise nicht anrempeln. Mir aus dem Weg zu gehen ist meiner Ansicht nach kein grösserer Stress als einem anderen Pferd aus dem Weg zu gehen. Wenn ich vom Pferd aber Dinge verlange, die im Grunde nicht pferdegemäss sind, etwa, eine Höhle zu betreten oder eine Last zu tragen, dann muss ich sehr sorgfältig vorgehen, weil ich sonst eine Art von Stress auslöse, mit der das Pferd als Pferd gar nicht richtig umgehen kann bzw. die im schlimmsten Fall traumatisch wirkt.
amara hat geschrieben:Auch Pignon sagt - die Kunst liegt im beständigen Wechsel zwischen Spiel und Arbeit. Und nicht im nur Spiel.
Schön ausgedrückt; leider arbeiten manche Reiter so verbissen mit dem Pferd, dass das Spielerische komplett verlorengeht ("Ich muss ja den ganzen Tag malochen, du nur eine Stunde, da musst du jetzt durch ...").
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Mir hilft die Vorstellung vom Schüler (BB) oder Fitness-abgeneigten-couchpotato (Vorbesi) dabei die nötige Einstellung zu haben. Ich will ein guter Lehrer sein bzw. ein fordernder aber geschätzter Motivationstrainer. So wenig Stress wie möglich bei maximaler (Tagesformgemäßen) Leistung. Wo da im einzelnen die Prioritäten gesetzt werden, spielt da mMn keine Rolle. Manches ist auch für das eine Pferd ein Klacks, ein anderes wiederum braucht massive Unterstützung. Für MICH steht da aber wirklich das Teamwork im Vordergrund. Was anderes sind "Meinungsäußerungen" (wie Ausschlagen etc) beim Reiten - um das mal unter einen Hut zu bringen - das wird natürlich unterbunden. Aber einem Pferd Leistung abfordern, sprich z. B. das HB richtig unterzusetzen erreicht man doch am ehesten, wenn man "erklärt" was man will und lobt. "Eine drüber ziehen" - als extrembeispiel - hat bei mir noch nie aus einer Sandschaufel einen Schweber gemacht. :-D Maximal ne Sandschaufel mit höherer Frequenz und beleidigt obendrein. :-P Da braucht es doch mehr...


Ich denke aber, dass hier im Grunde nur um mm bzw. Gefühlssachen diskutiert wird ;-)
Es grüßt Nadine

*******************
so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
********************
esge
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Beitrag von esge »

Eine Seite zurück sagte Motte, dass Dressurreiten ja nicht vornehmlich aus Lektionen besteht, sondern aus losgelassenem schreiten, traben, galoppieren. Und das kann man, meiner Meinung nach, nicht anclickern. ich musste heute daran denken, während ich meinen Schimmel ritt. Der ist ein Kandidat, den ich nie sich selbst überlassen kann. Jeder Schritt, Tritt oder Sprung will von mir geformt werden. Ansonsten läuft das Pony schief, latschig und auf der Vorhand. Es mag Pferde geben, die zumindest im Arbeitstempo von sich aus losgelassen, im Gleichgewicht und geradegerichtet laufen können. Ich habe solche Pferde sogar schon geritten. Aber meines - und viele andere - gehören nicht dazu.
Wir sind hier weit entfernt von Zwang ausüben, um den von mir gewünschten Spannungsbogen zu erhalten. Aber ein ständiges Dran erinnern muss schon sein. Und bedingt, dass ich dies mit meinem eigenen Körper auch ständig tue.
ich habe jetzt mal grad die Knutschkugel von S+P vor Augen. glaubt da wirklich jemand, dass dieses Pferd ohne Unterstützung so läuft wie es jetzt läuft? Kann man auch fragen, wo der "Zwang" anfängt und aufhört. Diese Stute arbeitet sich zwar den Wolf für S+P - aber einfach so freiwillig würde sie immer noch in den Boden rollen.
Loslassen hilft
Phanja

Beitrag von Phanja »

Ich klinke mich an der Stelle aus. Ich habe einfach keine Idee mehr, wie ich noch besser erklären kann, was ich meine. Habe aber leider das Gefühl, es versteht mich kaum jemand.
Motte
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Beitrag von Motte »

Phanja,

manchmal habe ich durchaus Momente, wo ich dich sehr gut verstehe. Und dann schreibst du wieder Dinge, die ich in dem Zusammenhang so gar nicht verstehen kann :wink:
Phanja hat geschrieben:Korrekte Lektionen sind das Ergebnis korrekter Hilfengebung.
Ohne jetzt kleinlich werden zu wollen, stimme ich dem nicht zu. Korrekte Lektionen sind immer (!) das Ergebnis korrekter Vorbereitung.
Phanja hat geschrieben: Wenn das Pferd meiner Hilfengebung nicht folgt, ist sie entweder zu schlecht von mir ausgeführt oder das Pferd hat keine Lust meinem Sitz, Schenkel, Zügel zu folgen.
Oder ich habe das Pferd nicht richtig auf die Hilfen vorbereitet. (Durchlässigkeit, Rittigkeit etc).
Phanja hat geschrieben: Ich habe also entweder ein Verständnisproblem oder ein Motivationsproblem.
Oder ein Gehorsamsproblem - kann man aber durchaus mit dem Motivationsproblem in Verbindung setzen.
Phanja hat geschrieben: Keines davon kann ich mit mehr Druck lösen. Ich kann mit mehr Druck evtl. eine korrekte Reaktion hervorrufen, aber weder Verstehen noch Lust produzieren.
Gut - und hier ist dann der Punkt, wo ich dann nicht mehr folgen kann.
Natürlich kann ich mit Druck in dem Moment eine korrekte Reaktion hervorrufen (wenn z.B. Ungehorsam, Abgelenktheit im Spiel ist). Druck in der Form, dass man einfach nachdrücklicher auf seine Gegenwart aufmerksam macht.
Verstehen und Lust produzieren?? Hmm - ehrlich, das bringe ich da jetzt überhaupt nicht in Zusammenhang. Das Lob/die Bestätigung ist doch, dass der Druck nachlässt, wenn die richtige Reaktion erfolgt. Das alleine ist es doch schon. Also die Belohnung.
Also ich persönlich habe jetzt keinen Ehrgeiz darin, meinen Pferden irgendwie ein "Verstehen" nahezubringen. Was genau meinst du damit? Vielleicht liegts einfach am Wort/an den Worten - ich bin da ja eher pragmatisch gestrickt...
Phanja hat geschrieben: Ganz anders schaut es aus, wenn das Pferd mich bedrängt, zwickt oder dergleichen. Das ist eine Verletzung unserer Regeln und wird auch entsprechend mehr oder weniger bestraft.

Jo, völlig d'accord.

Nachtrag:
Vielleicht liegt's auch einfach an dem unterschiedlichen Verständnis von Druck. Ich empfinde Druck per se jetzt nicht grundsätzlich als schlecht. Im Gegenteil - ich persönlich weiß von mir, dass ich immer einen bestimmten Druck brauche, um zu Höchstformen aufzulaufen.
Und ich bin sicher, ich bin da nicht die Einzige. Und warum sollte es Pferden nicht auch so gehen? Wenn man ihnen keine Herausforderung stellt, lernen die auch nix. Und manchmal muss man auch nachdrücklicher Überzeugungsarbeit machen (nein, der weiße Strich da auf dem Boden, der frisst dich nicht! GEWISS NICHT!) :wink:
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

Leute,jetzt ganz im Ernst:
Durchlässigkeit muss ich erarbeiten,gymnastizieren und konditionieren.
Die kann ich nicht anspielen.
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

ich denke, da prallen einfach welten aufeinander und ich denke auch, dass man soetwas nur in begrenztem rahmen kommunizieren kann. babette hat durch ihre arbeit ja schon mal durchaus ausführlich einen begehbaren weg aufgezeigt. wer den nicht nachvollziehen kann oder möchte, dem wird ein forumsbeitrag vermutlich auch nicht weiter helfen :wink:
xelape

Beitrag von xelape »

Ich finde der Artikel passt ganz gut.

http://pferdespuren.de/marlitt-wendt-na ... /#more-192
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

Ja,das sehe ich genauso,einfach weil das Anspruchsdenken ein ganz anderes ist.
Ohne da jetzt eine Gewichtung reinzubringen ist Dressurreiten für mich mit dem Wort Durchlässigkeit unabdingbar verbunden.An dieser arbeite ich beständig und diese ist die Grundvoraussetzung dafür,dass ich mein Pferd ausbildungstechnisch voranbringe.

Für andere Leute spielt sie lediglich eine untergeordnete Rolle,da diese nie das Bedürfnis haben,Lektionsfolgen zu reiten und sich einfach daran erfreuen können,wenn ihr Pferd einige isolierte Lektionen zeigt,ohne vielleicht eine korrekte L Dressur gehen zu können von Punkt zu Punkt.

So what? Jedem Tierchen sein Plaisierchen.Das eine ist doch nicht besser oder schlechter als da andere.
Es ist halt "anders" :wink:

Benötige ich für mich grundsätzlich keine "Verfügbarkeit" über das Pferd zu einem definierten Zeitpunkt,brauch ich mir gar keine Gedanken über Maßregelungen jeglicher Art zu machen,ganz einfach weil die Grundlage dafür fehlt.

Wie und in welcher Art bei der anderen Fraktion diese Maßregelung ausfällt,liegt einzig und allein im ethischem Ermessen jedes Einzelnen.
Ich möchte nur anmerken,dass so ein Pferd nicht zwangsläufig eine bedauernswerte,geknechtete Kreatur sein muss.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

marquisa hat geschrieben: Ohne da jetzt eine Gewichtung reinzubringen ist Dressurreiten für mich mit dem Wort Durchlässigkeit unabdingbar verbunden.An dieser arbeite ich beständig und diese ist die Grundvoraussetzung dafür,dass ich mein Pferd ausbildungstechnisch voranbringe.

Für andere Leute spielt sie lediglich eine untergeordnete Rolle,da diese nie das Bedürfnis haben,Lektionsfolgen zu reiten und sich einfach daran erfreuen können,wenn ihr Pferd einige isolierte Lektionen zeigt,ohne vielleicht eine korrekte L Dressur gehen zu können von Punkt zu Punkt.

So what? Jedem Tierchen sein Plaisierchen.Das eine ist doch nicht besser oder schlechter als da andere.
Es ist halt "anders" :wink:

.
Sehe ich ähnlich wie Du, Marquisa. Mit einer Ausnahme: Ich finde nicht, dass man Durchlässigkeit nur braucht, um Lektionen auf den Punkt zu reiten (dafür natürlich in hohem Maße). Aber für mich ist schon ein Übergang ohne Durchlässigkeit irgendwie nicht denkbar und den reiten wir hier doch wohl alle regelmäßig. Darüber hinaus macht das Arbeiten an der Durchlässigkeit in meinen Augen auch das Leben für das Pferd leichter. Wenn es weiß, dass es mir soweit vertrauen kann, dass ich es weder überfordere, noch mit irgendwelchem Hilfenunsinn überfalle, muss es auch nicht irgendwelche Ratespielchen veranstalten, sondern kann mir einfach in dem, was ich möchte, folgen. Durchlässigkeit ist allerdings in meinen Augen nix, was man durch Druck erreicht, im Gegenteil: der eine Pferdetyp wird darauf mit Resignation und Abstumpfung reagieren, der andere mit Rebellion. Wohl aber ist ist Durchlässigkeit ein Ergebnis von freundlicher Konsequenz. Wie heisst es dazu so schön in der SdA: „Ein Pferd ist durchlässig, wenn es die Hilfen des Reiters zwangslos und gehorsam annimmt.“ Allein gehorsam reicht nämlich nicht.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

marquisa - prinzipiell gut beschrieben, unterschreibe ich sofort.
aber: man kann auch im positiven trainingsbereich sehr exakte und zuverlässige leistungen erzielen - als beispiele dienen da zb. servicehunde oder minensuchratten. ein fehler wäre bei diesen tieren fatal. auch pferde kann man prinzipiell so trainieren, wenn man das möchte und sich mit dem dahinter stehenden konzept wohl fühlt.
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

Genau: Fehler können sich immer fatal auswirken,die allerschlimmsten geschehen aus Ungerechtigkeit.

Das Beispiel mit der Ratte ist zwar anschaulich im Sinne von ausschließlich positiver Verstärkung,dennoch hinkt der Vergleich:
Wenn die Ratte halt mal nicht auf diesen Reiz anspringt,wird sie gegen die nächste ausgetauscht.
Mein Pferd hab ich aber nun mal.Und ob es nun zu höheren Weihen in der Dressur geboren ist,oder nicht,benötige ich schon für korrekte,geschmeidige Übergänge von einer Gangart zur anderen eine zuverlässige Reaktion des Pferdes auf meine Hilfe und diese Zuverlässigkeit muss sich mit jeder Anspruchsstufe verfeinern.

Da stellt sich die Frage,inwieweit ich da ohne jeglichen Druck,oder sagen wir besser "fordern" auskommen kann,wenns mal richtig anstrengend wird?

Und ja,da kommen wir an einen Bereich,wo ich wieder sagen muss: Ja,das ist durchaus auch schon mal sportlich! Nicht ausschließlich reinste Kunst.Das ist anstrengend für Pferd und Reiter.
Dafür muss ich aber mein Pferd weder hauen noch knebeln.
Es muss mich einfach als Führungspositionsinhaber akzeptiert haben,um sich vertrauensvoll in meine Obhut begeben zu können.

Das ist wie bei meinem Mops,den hab ich auch voll im Griff:
Sag ich: Mach Sitz,oder nicht,macht der Sitz oder nicht ! :lol:

Funktioniert immer und da bin ich sowas von konsequent! :lol:
Phanja

Beitrag von Phanja »

Motte hat geschrieben:Phanja,

manchmal habe ich durchaus Momente, wo ich dich sehr gut verstehe. Und dann schreibst du wieder Dinge, die ich in dem Zusammenhang so gar nicht verstehen kann :wink:
Phanja hat geschrieben:Korrekte Lektionen sind das Ergebnis korrekter Hilfengebung.
Ohne jetzt kleinlich werden zu wollen, stimme ich dem nicht zu. Korrekte Lektionen sind immer (!) das Ergebnis korrekter Vorbereitung.
Phanja hat geschrieben: Wenn das Pferd meiner Hilfengebung nicht folgt, ist sie entweder zu schlecht von mir ausgeführt oder das Pferd hat keine Lust meinem Sitz, Schenkel, Zügel zu folgen.
Oder ich habe das Pferd nicht richtig auf die Hilfen vorbereitet. (Durchlässigkeit, Rittigkeit etc).
Phanja hat geschrieben: Ich habe also entweder ein Verständnisproblem oder ein Motivationsproblem.
Oder ein Gehorsamsproblem - kann man aber durchaus mit dem Motivationsproblem in Verbindung setzen.
Phanja hat geschrieben: Keines davon kann ich mit mehr Druck lösen. Ich kann mit mehr Druck evtl. eine korrekte Reaktion hervorrufen, aber weder Verstehen noch Lust produzieren.
Gut - und hier ist dann der Punkt, wo ich dann nicht mehr folgen kann.
Natürlich kann ich mit Druck in dem Moment eine korrekte Reaktion hervorrufen (wenn z.B. Ungehorsam, Abgelenktheit im Spiel ist). Druck in der Form, dass man einfach nachdrücklicher auf seine Gegenwart aufmerksam macht.
Verstehen und Lust produzieren?? Hmm - ehrlich, das bringe ich da jetzt überhaupt nicht in Zusammenhang. Das Lob/die Bestätigung ist doch, dass der Druck nachlässt, wenn die richtige Reaktion erfolgt. Das alleine ist es doch schon. Also die Belohnung.
Also ich persönlich habe jetzt keinen Ehrgeiz darin, meinen Pferden irgendwie ein "Verstehen" nahezubringen. Was genau meinst du damit? Vielleicht liegts einfach am Wort/an den Worten - ich bin da ja eher pragmatisch gestrickt...
Phanja hat geschrieben: Ganz anders schaut es aus, wenn das Pferd mich bedrängt, zwickt oder dergleichen. Das ist eine Verletzung unserer Regeln und wird auch entsprechend mehr oder weniger bestraft.

Jo, völlig d'accord.

Nachtrag:
Vielleicht liegt's auch einfach an dem unterschiedlichen Verständnis von Druck. Ich empfinde Druck per se jetzt nicht grundsätzlich als schlecht. Im Gegenteil - ich persönlich weiß von mir, dass ich immer einen bestimmten Druck brauche, um zu Höchstformen aufzulaufen.
Und ich bin sicher, ich bin da nicht die Einzige. Und warum sollte es Pferden nicht auch so gehen? Wenn man ihnen keine Herausforderung stellt, lernen die auch nix. Und manchmal muss man auch nachdrücklicher Überzeugungsarbeit machen (nein, der weiße Strich da auf dem Boden, der frisst dich nicht! GEWISS NICHT!) :wink:
Wenn das Pferd auf die Hilfengebung nicht richtig vorbereitet ist, habe ich vorher schon einen Fehler gemacht, den ich durch Hilfengebung hätte abstellen müssen. Insofern - ist das Pferd schlecht vom Reiter vorbereitet, kann es nicht optimal auf die gegebenen Hilfen reagieren. Was bedeutet, dass man in dem Moment etwas verlangt, was das Pferd gar nicht "gut" ausführen kann.

Für mich gibt es kein "Gehorsamsproblem". Kein Pferd ist ungehorsam, weil es grade Lust hat, den Menschen zu ärgern. Ich denke, dass es immer einen guten Grund gibt, wenn das Pferd nicht reagiert wie der Mensch sich das wünscht. Und es ist in meiner Welt Aufgabe des Menschen, den Grund zu finden, anstatt dem Pferd zu sagen, dass der Grund den es hat, unbedeutend ist.

Mit "Verstehen" meinte ich, dass das Pferd tatsächlich versteht, was ich will und was es soll. Wenn das Pferd eine Hilfe nicht versteht, kann es auch nicht wissen, wie es darauf reagieren soll. Und durch mehr Druck erreicht man auch nicht, dass das Pferd besser versteht, was es soll. Ich vergleiche das gerne beim Menschen mit Fremdsprache. Es nützt gar nichts, wenn mich jemand in einer Sprache, die ich nicht spreche immer lauter anplärrt - deswegen verstehe ich die Worte trotzdem nicht und kann mit dem Inhalt nichts anfangen.

Mit "Lust" meinte ich Motivation im Sinne davon, dass das Pferd gerne arbeitet und mitmachen will. Ich kann mit mehr Druck nichts daran ändern, dass das Pferd aus sich heraus nicht will. Ich kann den Druck zwar steigern und erreichen, dass das Pferd seinen Willen aufgibt. Das ergibt aber nicht gleichzeitig, dass das Pferd dann wirklich das will, was ich will. Es hat sich lediglich meinem Willen gebeugt.

Druck beginnt für jedes Pferd woanders - ich versuche durchaus so zu arbeiten, dass das Pferd meine Hilfen oder Signale mehr als Anfrage versteht und nicht als Druck.

Und eine Ergänzung noch dazu - mir ist völlig bewußt, dass ich hier von Idealbildern spreche. Die wenigsten schaffen es wohl, ausschließlich so zu arbeiten und dabei weiterzukommen.
Ich versuche aber, dieses Idealbild, was mir vorschwebt, zu erfüllen und akzeptiere im Zweifelsfall lieber, dass eine Lektion nicht gelingt oder eine Hilfe nicht den gewünschten Effekt hat, als ständig das Pferd für etwas zu korrigieren, was ich falsch mache. Und je mehr ich es schaffe, das so umzusetzen, desto motivierter sind interessanterweise meine Pferde. Und dabei meine ich nicht motiviert für Kunststückchen oder Tricks, die wir clickern. Ich meine damit "ernsthafte" Arbeit an der Hand und gymnastizierende Arbeit vom Sattel.

Aber Hey - ich wollte mich ja eigentlich ausklinken :wink:
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Beitrag von marquisa »

Ich denke, dieses Idealziel hat hier jeder vor Augen.
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Beitrag von Cubano »

Phanja hat geschrieben:

Wenn das Pferd auf die Hilfengebung nicht richtig vorbereitet ist, habe ich vorher schon einen Fehler gemacht, den ich durch Hilfengebung hätte abstellen müssen. Insofern - ist das Pferd schlecht vom Reiter vorbereitet, kann es nicht optimal auf die gegebenen Hilfen reagieren. Was bedeutet, dass man in dem Moment etwas verlangt, was das Pferd gar nicht "gut" ausführen kann.

Für mich gibt es kein "Gehorsamsproblem". Kein Pferd ist ungehorsam, weil es grade Lust hat, den Menschen zu ärgern. Ich denke, dass es immer einen guten Grund gibt, wenn das Pferd nicht reagiert wie der Mensch sich das wünscht. Und es ist in meiner Welt Aufgabe des Menschen, den Grund zu finden, anstatt dem Pferd zu sagen, dass der Grund den es hat, unbedeutend ist.
Moins,
zum ersten Punkt: Nein, ich glaube, so hat Motte das nicht gemeint. Sondern eher so: Wenn ein Pferd sich noch nicht korrekt biegen und korrekt unterfußen kann, so dass man z.B. eine Trab-Volte ohne Ausscheren reitet, macht es wenig Sinn, von diesem Pferd ein Schulterherein im Trab zu verlangen – weil es nicht genügend auf diese Lektion vorbereitet wurde.
Und natürlich ist kein Pferd ungehorsam, weil es gerade Lust hat, den Menschen zu ärgern. Wohl aber hat ein Pferd mal einen schlechten Tag, sogar schlechte Laune habe ich bei meinen schon erlebt. Und das sind für Pferde durchaus sehr gute Gründe, nicht so zu reagieren, wie der Reiter das gern möchte. Warum sollte das auch anders ein: Immerhin haben Pferde ja auch Tage, da haben sie richtig Lust was zu machen und sind sozusagen bester Dinge. Finde ich völlig in Ordnung aus Sicht des Pferdes und dann liegt es eben an mir, auf diese Stimmungen einzugehen. Wie Amara gestern schon schrieb: Dann geht man halt eine Runde bummeln, spielen oder macht mal nix.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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