Immer nur "lieb, lieb"

Rund um die klassische Reitkunst

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padruga
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Beitrag von padruga »

Ja, der Sparmodus ist immer da. Sehr ausgeprägt (hüstel, bei mir auch) Aber Pferde sind begeisterungsfähig, vielleicht nicht so wie Hunde, aber dennoch in nicht zu geringem Maße. Und lernfreudig und neugierig. Ich denke man verspielt sich diesen Kanal, indem man immer "arbeiten" und "gehorchen" im Kopf hat. Beim Hund hat man diese Motivation immer (oder zumindest sehr oft) beim Pferd nur gelegentlich bzw. eingeschränkt, weil es unabhängiger ist. Wenn ich es da aber erwische und bei ihm den Stolz über das Lob oder das Geschaffte installiere, breitet sich das immer mehr aus.
padruga
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Beitrag von padruga »

Persönlich denke ich, das Tiere erst einmal nicht mehr tun wollen als im Moment geboten. Das ist effizienter Umgang mit den hauseigenen Energien.
Auch das sehe das etwas anders. Wenn ich nicht zuallererst gleich die Komfortzone allzusehr einschränke, oder die Pferde gerade "wichtigere Dinge zu tun haben" sind Pferde schon sehr interessiert an neuen Sachen. Das Problem sehe ich eher darin:
Dann kommen wir: Wir wollen was, das Pferd erst mal (noch) nicht.
Ich glaube wenn man erst einmal die Grundhaltung beim Pferd gelegt hat "Au fein, Mensch kommt, das macht Spaß" dann akzeptiert es auch all die Einschränkungen und Mühen die man ihm auferlegt viel leichter. Vielleicht ist es auch eine Zeitaufteilungsfrage. Wieviel Zeit widmet man der Arbeit, wieviel der Beziehung und dem zweckfreien Miteinander. Klar, wenn ein Pferd meine Grenzen nicht akzeptiert, mich umrennt oder so, sind sehr klare (und durchaus auch "eindrückliche") Konsequenzen angesagt. Alles andere sehe ich eher locker.
esge
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Beitrag von esge »

Geolina, vielleicht hat sich da in den letzten 30 Jahren ja wirklich entscheidend was verändert. Ich habe Schule leider nur als demotivierend in Erinnerung und bin im Grunde meiner Seele immer noch überzeugt davon, ein Versager zu sein, bloß weil ich da einer war. Ungeachtet dessen, dass ich auf anderen Gebieten durchaus fähig und leistungsfreudig bin. Das kann ich der Schule leider nicht verzeihen.

Und nein, nein, nein, nicht jedes junge Pferd ist erpicht darauf, mit dem Menschen zu arbeiten. Der Vergleich zum Hund hinkt enorm. Erstens, weil Hunde Hunde sind und zweitens weil kaum jemand von uns mit seinem Pferd so eng zusammenlebt wie mit seinem Hund. Und drittens verlangen die wenigsten von ihren Haushunden Leistung. Sorry, Sitz, Platz, Bleib ist keine LEISTUNG. Solche Dinge kriege ich auch dem Pferd antrainiert, indem ich ausschließlich mit Lob und Leckerchen arbeite. Aber versucht mal, einen gemütlichen Hund dazu zu bringen, einen flotten Agilityparcours zu laufen oder einen halben Tag Fährte zu gehen. Da gibt es dann bei Hundebesitzern und Hunden genauso häufig Frustration wie bei den Reitern und Pferden.

Aber ich stelle mehr und mehr fest, dass wohl schon die Grundeinstellung, was ich von meinem Pferd (und Hund) erwarte, völlig verschieden ist von der vieler anderer (hier und anderswo). Wenn ich an Reiten denke, denke ich an Leistung und Leistungssteigerung. Ich betrachte mich nicht als Privatentertainer meines Pferdes, sondern eben als sein Trainer und Chef. Motivieren, aktivieren, ja. Entertainen, nein.
Loslassen hilft
Phanja

Beitrag von Phanja »

Da bin ich durchaus anders gestrickt als esge.
Mir schuldet das Pferd gar nichts - auch wenn es hier ein schönes Leben lebt, alles hat, was es braucht und ich mich bemühe, es zufriedenen zu machen, habe ich nicht den Anspruch, dass es sich dann eine Stunde am Tag für mich anstrengen soll.
Ich muss auch nicht unbedingt täglich Leistung haben oder Leistungssteigerung im Fokus sehen. Im Grund genommen versuche ich, dass wir beide (das Pferd und ich) Spaß an unserer gemeinsamen Zeit haben und dabei beide möglichst gesund bleiben.
Ich erwarte respektvollen und achtsamen Umgang von beiden Seiten miteinander - ich erwarte aber nicht, dass das Pferd mich als Befehlsgeber sieht und gehorcht.
Motte
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Beitrag von Motte »

Das kommt ja auch ein bisschen darauf an, wohin man selber will. Will man sich und das Pferd reiterlich verbessern, kommt man nicht umhin, die "Komfortzone" immer mal stückchenweise zu verlassen. Das betrifft nebenbei eigentlich weniger das Pferd, sondern eher den Reiter, weil: wenn ich das richtig mache, ist es für's Pferd viel leichter. Und damit motiviere ich das Pferd und behindere es nicht, was zu Frust führt.
Das "richtig machen" ist aber bekanntermaßen gar nicht so einfach. :wink:
Phanja

Beitrag von Phanja »

Eben - und weil es nicht so einfach ist, sehe ich es als meine Aufgabe, zu schauen, dass die Fehler, die ich unweigerlich machen werde, zu möglichst wenig Frust beim Pferd führen.
Ich finde nicht, dass sich reiterliche Verbesserung und sehr partnerschaftliche Beziehung widersprechen.
Motte
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Beitrag von Motte »

Phanja hat geschrieben: Ich finde nicht, dass sich reiterliche Verbesserung und sehr partnerschaftliche Beziehung widersprechen.
Nö, das hat ja auch niemand behauptet (jedenfalls hab ich das nicht so verstanden). Aber auch in einer partnerschaftlichen Beziehung kann man Forderungen stellen. Das ist vielleicht der etwas unterschiedliche Ansatz :wink:
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

Phanja, ich mag deine beiträge grad sehr.

so ähnlich sehe ich das auhc. mein oberziel ist grad, dass mein pferd spaß an der arbeit hat. :-) er ist an einer stelle immer ein bisschen widersetzlich: wenn ich die halle verlassen möchte mit ihm. das kann kein so schlechtes zeichen sein. :-)

ich frage mich natürlich einfach auch, wieso ich mich als freizeitreiter in einen leistungsstress begeben soll? ich will ordentlich reiten und dazu tue ich alles, was ich kann. aber am ende des tages tue ich das, damit mein pferd und ich spaß haben (ohne schlechtes gewissen wegen schmerz oder verschleiss und mit der freude an (irgendwann) einigen lektionen, die ich halt spannend finde. da ich keine bunten schleifchen benötige, kann ich das ja im Sinne des "der weg ist das ziel" angehen und wir können den spaß mitnehmen. das macht zumindest derzeit strafen total überflüssig (außer, wie gesagt in erziehungsthemen, da folge ich auch herrn pignon, natürlich).

als rennreiter fand ich immer arrogant , dass dressurreiten "l'art pour l'art" darstellt. ein kleines bisschen hab ich diese einstellung grad wieder.... ich möchte dressurreiten aus folgenden gründen:

* weil ich daran spaß habe und LERNEN will
* weil ich viele Ansätze und lektionen gesundheitserhaltend und logisch udn sinnvoll finde
* weil es für mich das beste system der ausbildung ist, nahc meinem kenntnisstand und derzeitiger meinung
*weil ich gerne mit spaß zeit mit meinem pferd verbringe - darum gehts ja beim freizeitpferd

da liegt das investieren in ausgesprochen partnerschaftliche mechanismen des "zusammen lernens" irgendwie nah. und das ist mir an sich das wichtigste :-)
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Jen
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Beitrag von Jen »

Für mich geht es hier um die Frage der eigenen Weiterentwicklung. Die wenigsten werden kleine Pignons. Die Pignons verbringen auch einen Grossteil der Zeit mit ihren Pferden. Die leben mit ihnen. Dadurch lernen sie die so gut kennen, dass sie sie in ihren Reaktionen voraussehen können. Ich kann das rein logistisch gar nicht umsetzen, ich muss einen Grossteil meiner Zeit arbeiten. Deswegen werde ich nie so gut sein, wie sie. Aber ich kann solche Leute ja trotzdem zu meinen Vorbilder/Lehrmeister machen. Das bringt mich weiter als mich mit dem aktuellen Zustand einfach zufrieden zu geben. Ich könnte ja auch einfach dem nächstbesten RL glauben, dass man halt immer wieder "durchgreifen" muss und dass das normal ist und mich mit dem zufrieden geben. Aber ich für mich selber frage mich, warum kann es denn ein Pignon (oder wer auch immer) ohne dies so offensichtlich zu müssen? Und DAS interessiert mich dann. Da will ich mehr herausfinden. Das bringt mich doch viel mehr weiter, als in einem Forum bestätigt zu bekommen, dass es schon ok ist drauf zu hauen, wenn sich das Pferd unangenehm verhält. Plump ausgedrückt. Versteht man, was ich sagen möchte? Wenn ich selber glaube, es geht nicht anders, dann wird es auch nie anders gehen. Und da setzt halt jede/r andere Prioritäten und sucht sich dementsprechend andere Vorbilder. Je nach Lebensphase ändern sich Prioritäten/Vorbilder auch wieder. Und ja, manchmal ist es auch schwierig diese zu finden.
Liebe Grüesslis, Jen
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

guter beitrag!!

ja, es kommt drum, an sich selbst zu arbeiten. genau.
an pignon fasziniert mich die einstellung und er ist natürlich meilenwert entfernt. schön, wunderbare vorbilder auf bestimmte aspekte hin anschauen zu dürfen
Phanja

Beitrag von Phanja »

Ach Jen - du hast mal wieder voll getroffen, was ich denke :D

Natürlich werden die wenigsten kleine Pignons - aber man kann für sich den Ansatz verfolgen und zumindest versuchen, die Philosophie umzusetzen.
Und ich gebe dir völlig recht - es macht schon einen riesen Unterschied wieviel Zeit man mit den Pferden verbringen kann.
Wir haben die Pferde ja nun seit einem guten Jahr bei uns zuhause - und DAS ist schon ein riesen Unterschied zu vorher, wo man eben zum Pferd fährt, etwas "sinnvolles" tut und dann wieder weg ist. Alleine z.B. der Fakt, dass ich jetzt fast jederzeit Abends auch mal eine halbe Stunde einfach so im Offenstall sitzen kann, ist deutlich in meiner Beziehung zu den Pferden spürbar.
Ich denke, dass das einerseits daran liegt, dass man für die Pferde "präsenter" ist, aber auch daran, dass ich die Pferde noch viel viel besser kennenlerne und sie besser verstehen kann.

@gimlinchen
Das unterschreibe ich! Wenn das Pferd keine Freude an dem empfindet, was ich mit ihm tue, ist für mich die ganze Sache sinnlos.
padruga
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Beitrag von padruga »

Ja, Phanja, so geht es mir auch, jede Zeit die man zusätzlich am Pferd verbringt ohne etwas zu "arbeiten" bringt einen um einiges näher an sie ran. Bzw. ist einfach anders: Ich habe ja früher öfters mal gewechselt, die Pferde eingestellt oder in Eigenregie gehabt. Ausbildungstechnisch waren sie im Einstellstall besser (keine Winter- und Bremsen-bedingte Reitpausen), gestrahlt und brilliert haben sie mehr im eigenen Stall. Da hat man auch mehr Möglichkeiten seinen eigenen Impulsen bei der Reiterei und im Umgang einfach nachzugehen, was in größeren Einstellställen oft schwieriger ist.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

esge hat geschrieben:Der Vergleich zum Hund hinkt enorm. Erstens, weil Hunde Hunde sind und zweitens weil kaum jemand von uns mit seinem Pferd so eng zusammenlebt wie mit seinem Hund. Und drittens verlangen die wenigsten von ihren Haushunden Leistung.
Ich betrachte mich nicht als Privatentertainer meines Pferdes, sondern eben als sein Trainer und Chef. Motivieren, aktivieren, ja. Entertainen, nein.
Moins,
das unterschreibe ich mal. Darüber hinaus muss man auch unterscheiden: Macht ein Pferd, was ich möchte, oder macht es das, so optimal es eben geht. Und ich bin davon überzeugt, dass kein Pferd auf der Welt nun wirklich unter den Schwerpunkt fußt, sich versammelt und was es an für ihn anfangs schwierigen Dingen noch so gibt, nur weil es seinen Menschen so schrecklich gern hat.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
padruga
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Beitrag von padruga »

Dass Pferde nicht mit Hunden vergleichbar sind, ist klar. Und da bin ich auch deiner Meinung:
Und ich bin davon überzeugt, dass kein Pferd auf der Welt nun wirklich unter den Schwerpunkt fußt, sich versammelt und was es an für ihn anfangs schwierigen Dingen noch so gibt, nur weil es seinen Menschen so schrecklich gern hat
Aber es kommt darauf an wie man es erreicht , wie man die einzelnen Schritte aufbaut, wie man es ihm erklärt, wie man die Zeit strukturiert, die Übungen aufteilt, wie man das Pferd dafür lobt und und und. Man kann das Ganze etwas "netter" und respektvoller gestalten und dennoch den gewünschten gymnastischen Wert erreichen. Vielleicht nicht bei jedem Pferd, aber bei sehr vielen.
Ich glaube es hängt auch ein bisschen davon ab, wie man das Pferd dazu bringt, dass es selber "stolz" auf das Geschaffte ist. Nicht kognitiv, aber vom Gefühl her, das durch den Stolz/die Freude des Menschen dabei übertragen wird. Wenn der Mensch vor Glück über eine gelungene Sache jubelt und sein Pferd für das Beste der Welt hält, geht das nicht spurlos an diesem vorüber. So lässt sich oft die Motivation auch bei anstrengenderen Sachen bewahren.
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Jen
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Beitrag von Jen »

Das stimmt, kein Pferd der Welt piaffiert freiwillig über mehrere Tritte in Losgelassenheit und doch mit viel Energie. Dieses Zusammenspiel von Losgelassenheit und Energie kommt in der Natur so ja auch gar nicht vor. Aber da sind wir wieder beim Thema von vorhin, dass man auch (mehr oder weniger sanften) Druck mit einer positiven Grundstimmung ausüben kann und die Beziehung zum Pferd darunter nicht leidet, auch wenn es die Übung im Moment anstrengend und blöd findet. Aber das ist meilenweit vom ursprünglichen Thema des beissenden, auskeilenden, steigendem etc Pferd weg, wo sich das Pferd offensiv gegen den Menschen wendet. Und bis ein Pferd soweit ist, sich derart aggressiv oder allgemein unartig zu verhalten, muss ziemlich viel im Vorfeld passieren. Und das ist zu 99% des Menschen Schuld, behaupte ich mal. Und DA muss man ansetzen.
Liebe Grüesslis, Jen
***
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