Immer nur "lieb, lieb"

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Motte
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Beitrag von Motte »

Naja, gehen wir mal davon aus, dass der durchschnittliche Reiter (hoffentlich) mehr Grips im Kopf hat, als ein Pferd:
Dann sollte man dies doch auch nutzen, oder?
Indem ich - vielleicht - "um die Ecke denke", um dann auf anderem Wege, als mit der direkten Konfrontation, zum Ziel zu kommen.
Weil: manchmal gibt es ja Situationen, da befürchtet man, die direkte Konfrontation nicht zu gewinnen. Und das ist blöde, weil DAS merkt das Pferd.
Also geht man dann einen kleinen "Umweg", um doch zum Ziel zu kommen.
Da ist ja nix Schlechtes bei. Und letztendlich auch konsequent.
charona
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Beitrag von charona »

Irgendwo hab' ich mal einen weisen Spruch gelesen: man sollte sich nur dann auf einen Kampf mit dem Pferd einlassen, wenn man weiss, dass man gewinnen kann.

In diesem sinne sind Umwege, die zum Ziel führen eben oft das Mittel der Wahl
bubi9191
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Beitrag von bubi9191 »

Ach herrje,

ich wollte eigentlich keinen Thread über mich machen oder irgendwelche "Probleme" gelöst haben, sondern grundsätzliche Meinungen hören.
Ich fande die letzten Beiträge auch sehr interessant.

Nochmal kurz zu mir: Meine Stute ist absolut unkompliziert und brav. Sie rempelt nicht, sie steht still am Putzplatz, beim Aufsteigen (egal wo), beim Satteln, beim Abspritzen, etc.
Natürlich gibt es bei einem jungen Pferd Dinge die man üben muss (z.B. das Hänger fahren), aber ich denke das ist normal.
Jedes Kind kann mein Pferd auch ohne Strick zur Weide führen und von der Weide runterholen, putzen, etc.
Gestern sind wir das erste Mal mit Halfter und Strick und ohne Sattel geritten, auch das ging problemlos.
Ich schätze meine Stute für ihr braves und sehr lernfähiges Wesen sehr. Sie ist nie aufdringlich, aber immer aufmerksam und neugierig, wissbegierung und versteht Dinge sehr schnell.


So und dann zu mir:
Auch wenn ihr sagt das hätte nichts mit "klassisch" zu tun: Ich sage: Doch! Nach der FN, in gängigen Reitställen lernt man es so.
Als ich relativ früh mit Zirzensik, Longenkurs, Bodenarbeit, Freiarbeit anfing, wurde ich komisch angeguckt.
Mein Pony wurde nur ohne Ausbinder longiert, ich ritt viel mit Halsring, ohne Sattel, er konnte Langzügelarbeit, "Tricks" wie "Kompliment", ließ sich in Planen einwickeln etc.
Und ging nebenbei erfolgreich auf Turnieren in L in beiden Sparten.
Ich wurde oft belächelt, oft wurde mir gesagt ich würde nicht genug fürs Turnier trainieren und mein Pferd in Watte packen.
Glücklicherweise (!) interessierte mich das nicht die Bohne, war mir doch die Beziehung zu meinem Pony viel wichtiger. Nie fiel ich von ihm runter. Nie! Ich musste ihn nicht hauen, anschreien, diskutieren. Und ehrlich gesagt habe ich eine zeitlang versucht den anderen meine Meinung klar zu machen, warum ich das so handhabe, habs dann aber schnell abgetan.

Genauso auch mit unserer Blüterstute, die Ansätze zum Steigen machte sobald man aufsaß, alles anspannte was sie konnte, anfangs auch mal durchging oder einfach Panik bekam, ansonsten im Umgang "erlernte Hilflosigkeit". Ein halbes Jahr später war dieses Pferd nicht wieder zu erkennen. Longenkurs, Langzügelarbeit, Halsringreiten und sogar Springen das ging alles! Und wir hatten sie zum Schlachtpreis bekommen weil dieses ehemalige int. Springpferd als "lebensgefährlich" beim Springen galt.

Für mich brach dann eine Welt zusammen, als ich dann meine 5jährige Stute bekam.
Ich bin viele junge Pferde geritten, angeritten, anlongiert, auf ersten Turnieren vorgestellt.
Meine 5jährige war aber anders. Sie war gnadenlos frech. Ich versuchte es wirklich - die Dinge im Keim zu ersticken - aber ich konnte es nicht, konnte nicht voraussehen was sie als nächstes tat. Im einen Moment stand sie seelenruhig entspannt ruhend am Putzplatz im nächsten drehte sie sich blitzschnell um und schlug aus. Ohne, dass man sich bewegte o.Ä.
Viele nannten sie "das shizophrene Pferd". Was tat ich? Unmengen Geld in der Klinik lassen für Untersuchungen, meine Gesundheit aufs Spiel setzen. Bis ich mich irgendwann entschied mich zu trennen. Ich hatte wirklich alles versucht, aber das war wirklich lebensgefährlich. Manchmal war sie so sanft, wir schmusten in der Box wenn sie lag, sie kam brummeld zum Tor wenn sie mich sah. Dann plötzlich schlug sie beim Führen mit der Vorhand nach mir, und auch wenn ich wirklich deutlich wurde mit Gerte o.Ä. - sie wurde dann nur noch schlimmer. Ignorieren brachte uns nicht weiter, Strafe auch nicht, Clickern nicht. Nichts. Ich war mit diesem Pferd absolut überfordert. Immerhin haben wir es geschafft, dass sie hinterher ganz einfach aus der Box zu holen und zu putzen war, auch Abspritzen war kein Problem mehr. Aber führen? Nur mit Trense oder Kette! Ich habe sie aufgrund ihres großen Potentials an einen internationalen Profi verkauft. Auch da versucht sie die Steigerei etc. immer wieder - dort wird sie aber "zahm" gehalten dadurch, dass der Profi einfach häufig von oben Gerte in eine Hand nimmt und draufzimmert. Habe ich versucht, aber erfolglos.

Und da war dann der Punkt wo ich eben anfing nachzudenken, ob es immer mit "lieb lieb" gehen muss. Ich bin mir ziemlich sicher - bei diesem Pferd nicht. (Übrigens hat sie 3 Vollbrüder. Zwei davon gekört. Ein gekörter lebt nicht mehr, den haben sie wegen seines Verhaltens schlachten lassen - die beiden anderen sind auch wirklich gefährlich teilweise und die sind zwischen 8-12).

Also bitte, bitte nicht denken, dass ich keine Bodenarbeit oder so mache. Das mache ich durchaus, wie hoffentlich jetzt hervorging (irgendwo müssten auch Fotos davon hier sein - wenn nicht versuche ich mal was einzustellen).
Ich finde Bodenarbeit durchaus spannend, und sie hat mich definitiv weiter gebracht - meine Pferde haben immer FÜR mich gearbeitet, auch unter dem Sattel. Und auch meine jetzige Kleine versucht immer alles richtig zu machen.

Ich habe nur die Befürchtung, dass ich zu lieb bin und vielleicht doch häufiger mal "durchgreifen" sollte. Bzw das einfach notwendig ist.
Dazu zähle ich übrigens durchaus meinem Pferd den Gertenknauf vor die Nase zu geben wenn es mir zu nahe kommt. Mit durchgreifen ist kein Anschreien, Draufhauen oder Ähnliches unbedingt gemeint.

Ich hatte jetzt verschiedene mobile Reitlehrer, eine davon auch TGT Trainerin - mir sagt das einfach nicht zu.
Meine jetzige Stute wird - bedingt durch ihre Halsung und leichte Ganasche - gerne minimal (!) eng. Dazu muss man sagen, sie ist 8 Wochen erst unter dem Sattel.
Die letzte Trainerin wollte, dass ich erst außen minimal vorgebe und dann innen.
Irgendwann hingen meine Zügel durch und ich glaube nicht, dass meine Stute dadurch lernt, dass sie im Genick etwas mehr öffnen soll.
Seitdem bin ich wieder auf der Suche. Meine Stute öffnet jetzt im Genick, ich muss allerdings auch wirklich drauf achten.

Leider habe ich noch keine Reitstunde/Lehrgang/Seminar gehabt/mitgemacht wo ich dachte "ja, so willst du das".
Ich werde im September als Zuschauer bei einem Richard Hinrichs Kurs sein und hoffen, dass ich früh genug dran bin, um vielleicht nächstes Jahr mitzureiten.

Sonst habe ich eine gute Trainer Idee von Marquisa bekommen, der ich nachgehen werde und noch eine zweite Idee.

Also: Bitte unterhaltet euch allgemein über das Thema und nicht über mich :) Ich versuche mein bestes und es ist nicht so, als finde ich Bodenarbeit überflüssig oder sonstiges.
Und jeder, der meine Pferde kennt, weiß, dass sie absolut höflich und gut erzogen sind und ich in meinem Stall (50 Einstaller) mit 100%iger Sicherheit die bin, die am seltesten mal "laut" werden muss.

P.S.: Ganz kurz, da viele die Putzkastenaktion aufgreifen: Ich stelle den Putzkasten IMMER weg von meinem Pferd, nie in die Reichweite. Mir ist das zu gefährlich.
Tess
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Beitrag von Tess »

bubi9191 hat geschrieben: Ich habe nur die Befürchtung, dass ich zu lieb bin und vielleicht doch häufiger mal "durchgreifen" sollte.
Sorry, einmal muss ich noch auf dich persönlich eingehen. Wegen dieses Satzes :wink: .

Genau um diese Frage zu klären lohnt es sich absolut mal einen Kurs/Unterricht bei jemandem zu machen der da mal draufschaut.
Das nimmt einem Unsicherheit bzw. gibt einem Gewissheit ob man richtig handelt oder nicht. Und wenn nicht bekommt man Lösungswege aufgezeigt inwiefern man an sich und dem Pferd arbeiten kann.
Ich hab da selber mal durchschlagende Erfahrungen gemacht.

Hab auch lange überlegt, ob ich den Kurs (Schwerpunkt Freiarbeit) mitmache (war mit 300 Euro auch nicht gerade ein Schnapper) - aber im Nachhinein waren das die 300 am besten investierten Euros meiner Kurslaufbahn. :wink: .
Es hat mir unheimlich viel Sicherheit gegeben zu wissen wann ich nicht richtig reagiere und wie ich eigentlich reagieren sollte. Ich bin nicht mehr ständig am hinterfragen, ob die Reaktion meinerseits jetzt zielführend war oder nicht. Ich WEISS es inzwischen - auch wenn ich trotzdem noch häufig falsch reagieren :lol:
Und für den Rest meines Lebens weiss ich woran ich an mir arbeiten muss.
:lol: :lol:
Motte
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Beitrag von Motte »

Hmmm.

In meinen Augen hat das primär jetzt nix mit "immer nur lieb-lieb-lieb" oder "auch mal draufhauen" zu tun.

Es gibt einfach Kombinationen, da passt es nicht. EGAL wie du es anstellst. Daraus sollte man nun nicht folgern, seinen kompletten Umgang mit Pferden an sich in Frage zu stellen. Man hat halt so seinen Typ Pferd - andere Menschen haben einen anderen Typ Pferd.
Was meinst du, warum eine Meredith Michaels-Beerbaum auch immer nur mit Pferden erfolgreich ist, die von sich aus richtig "Go" haben? Was soll denn der Zwerg auf nem 1,75 Pferd tun, wenn das einer ist, dem man jeden Galoppsprung aus den Rippen bitten muss?
Oder eine Isabell Werth (jetzt mal ganz ohne Wertung) - die hat doch auch immer einen Typ Pferd, wo man normalerweise sagt: Watt willste mit der Futterkiste?? - die KANN damit aber umgehen.

Ist doch bei Menschen genauso - da hat man doch auch seine Präfenrenzen. Mit manchem "Typ" Mensch kann man einfach nicht.
Deswegen muss man sich doch nicht krumm machen?
Phanja

Beitrag von Phanja »

Mein Männe liest gerade Achtung, Respekt, Würde von Frédéric Pignon und Magali Delgado und hat mir einen - wie ich finde - sehr gut hierher passenden Ausschnitt vorgelesen:

"Ist der Druck gewaltsam und schmerzhaft, mag das Pferd sehr wohl tun, was Sie verlangen, doch es gehorcht lediglich, weil es "aufgibt".....
Durch diese Behandlung haben Sie es erniedrigt. Die Tatsache, dass der Reiter seinen Willen erfolgrich durchgesetzt hat, ist hierbei irrelevant; dies hat Schaden verursacht und Konflikte geschürt. Menschen sind dem Irrglauben anheim gefallen, dass man jede "Meinungsverschiedenheit" mit dem Pferd "gewinnen" muss - doch dies ist kein Krieg. Und manchmal müssen Sie einfach bereit sein, auch einmal zu "verlieren".

Ich finde, das ist ein sehr gutes Buch zu diesem Thema, weil sowohl behandelt, wie man Regeln aufstellt und umsetzt und gleichzeitig darauf achtet, dem Pferd gewisse Freiheiten einzuräumen und es zu motivieren.
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Klingt alles gut, so lange man ein Pferd im Fohlenalter bekommt. Bekommt man aber eines mit bestehenden Unarten wie oben von Cubano beschrieben, würde ich da auch nicht lange fackeln. Klar ist es kein Krieg. Aber ich lasse mich von keinem Pferd unter irgendwelchen Umständen beißen oder treten. Natürlich versuche ich, durch die Bildung von Vertrauen und Zuneigung nicht in solche Situationen zu geraten (unsere Pferde würden sowas bei mir niemals tun), aber wenn sowas doch passiert, knallt es kurz und prägnant, danach ist wieder alles gut - genau wie bei gut sozialisierten Pferden untereinander auch.
"Reiten ist die Suche nach Schönheit, Geradlinigkeit und Wahrheit."
Nuno Oliveira
esge
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Beitrag von esge »

Tja, da bestehen halt die eklatanten Unterschiede zwischen Ein-Pferd-Besitzern und solchen Leuten, die viele verschiedene Pferde zu arbeiten haben und nehmen müssen was kommt.
Trotzdem finde ich es gerade dann immer wieder wichtig klar zu haben: Das hier ist KEIN Krieg! Ich muss das Pferd nicht besiegen. Das bedeutet nicht, dass keine auf die Mütze geben kann. Aber es darf nicht persönlich werden. Das Pferd tut das nicht, um MICH zu ärgern! Und nein, der will mich nicht verarschen, wie so viele Leute immer wieder gern sagen. Das Pferd tut genau das, was seine Erfahrungen es gelehrt haben, womit es den subjektiv bequemsten Weg geht. Es wird aufmerken, wenn es feststellt, dass das mit mir kein bequemer Weg ist. und genau dieses Aufmerken brauche ich unter Umständen, um seine Aufmerksamkeit für neue Wege zu bekommen. Ich habe das schon oft erlebt: Pferd tut blöd, wie gewohnt. Es knallt kurz und heftig. Pferd scheint regelrecht aufzuwachen aus seiner Trance der Gewohnheit und stellt fest: "Ups, da ist ja jemand! Ja wer ist denn DAS?" Und genau hier habe ich dann die Chance auf erheblich nettere Art und Weise zu zeigen, dass es auch anders geht. Aber dieses "ups, da ist ja jemand" muss ich erstmal kriegen.

Davon abgesehen: WER von uns hat die Ausstrahlung eines Pignon? Wer von uns ist rein körperlich einem Pferd derartig gewachsen wie er? Springt ihr aus dem Stand auf einen Pferderücken? Sorry, ich schaff das nicht.
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

am ende kann man immer nur über eine kombination aus genau einem pferd n genau eine menschen diskutieren. ich hab nur von mir erzählt, um meine einstellung zu erläutern. ich hatte gar keine vermutugn, wie andere agieren..

für mich ist das thema eben grad sehr wichtig
Phanja

Beitrag von Phanja »

Auch ein Pignon lässt sich weder beißen noch treten und straft solche Respektlosigkeiten. :roll:
Und auch da sind nicht alle Pferde von klein auf dabei gewesen und sozusagen "fehlerfrei".
Ich kann nur empfehlen, das Buch mal zu lesen ...

Für mich war es sehr inspirierend - gerade bezüglich der Frage, wie ich das Pferd dazu bekomme, Arbeiten zu WOLLEN.
Wie Cubano weiter vorne schrieb - die meisten Pferde verfolgen eine Art Vermeidungstaktik - immer den bequemsten Weg. Ich denke, das ist etwas, was der Mensch dem Pferd unbewußt antrainiert. "Normale" junge Pferde haben in der Regel sehr viel Motivation, zu arbeiten und auch sich anzustrengen. Nur der Mensch schafft es dann mit seinem Ehrgeiz, das Pferd sauer werden zu lassen. Wenige Pferde, die ich in der Praxis sehe, haben Lust, sich für ihren Menschen anzustrengen. Und das finde ich sehr traurig, weil es auch anders geht, als einfach zu sagen "du musst das jetzt aber machen, auch wenn du keine Lust hast".
esge
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Beitrag von esge »

Hm. Im Grunde ist das doch dasselbe wie mit uns auch! Kleine Menschen lieben es in der Regel, sich zu beschäftigen, zu entdecken und auch, sich zu bewegen. Große Menschen häufig nichts mehr davon. Warum?
Weil wir Beschäftigungen nachgehen müssen, die wir nicht selbst gewählt hätten, oder zumindest nicht in dieser Frequenz (oder zu diesen Tageszeiten...), weil Entdecken und Innovation nicht belohnt wird, sondern eher im Gegenteil und weil körperliche Bewegung schon in der Schule abtrainiert wird. Also kriechen wir Montagmorgens mit dem Gefühl, die Höchststrafe bekommen zu haben aus dem Bett, schlurfen motivationslos Richtung Arbeitsplatz - ohne Bewegung, weil im Auto - und zählen nur die Stunden, die wir absitzen müssen, bis endlich Wochenende ist. Damit reduzieren wir unser Leben auf 2 Tage plus ungefähr 2 Stunden nach Feierabend.
Selbst so konditioniert fällt es sehr schwer, dem Mitarbeiter Pferd eine andere Haltung mitzugeben. Ich selbst denke in mir drin: "Das Viech führt ein Leben wie Gott in Frankreich. Für maximal eine Stunde Arbeit am Tag bekommt es Vollpension, Krankenversicherung, Altersvorsorge und Wellnessprogramm - dafür kann es sich verdammt nochmal in der einen Stunde pro Tag ein bisschen anstrengen!
Und finde diesen Anspruch durchaus legitim.

Bloß führt legitim halt nicht unbedingt zu einem motivierten Pferd.

Weil Pferde eben anders ticken. Sie sind bei weitem nicht so zivilisiert und vernünftig wie wir Menschen.... (man beachte die aktuelle Weltpolitik...).

Für mich liegt die Wahrheit übrigens in der Mitte. Ich finde es in Ordnung, dass sich ein Lebewesen für seinen Lebensunterhalt anstrengen muss. Jedes Wildtier muss das tun. Wir Menschen müssen das tun. Mein Pferd auch! (Hunde und Katzen sind da irgendwie ausgenommen, seufz.)
Trotzdem wäre es auch rein sachlich sinnvoll, mehr darüber nachzudenken, wie Menschen und Pferde ihrer Arbeit motivierter nachgehen könnten. Chefs, die jeden Anflug von Innovation und Bewegung ersticken, frustrieren ihre Mitarbeiter ungemein - und kriegen immer weniger Leistung.
Beim Reiten sind wir der Chef. Nehmen wir jedenfalls in Anspruch. Wir sollten also über unsere Führungsqualitäten nachdenken. Einfach nur Gehalt überweisen und keine Leistung verlangen ist nicht die Lösung. Mitarbeiter kaputt frustrieren aber auch nicht.
Loslassen hilft
Motte
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Beitrag von Motte »

Ich glaube nicht, dass der Mensch dem Pferd unbewusst eine Vermeidungstaktik antrainiert.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Pferde einfach so sind. Und nicht nur Pferde.
Wie sollte eine Herde/ eine Gemeinschaft sonst funktionieren?
Ein Pferd ist sich ja nicht bewusst, das es "arbeitet". Es tut schlicht nur das, was es soll, was es kann.
geolina
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Beitrag von geolina »

hallo,

einspruch - es ist nicht die schule die motivation abtrainiert. also mal ehrlich, das ist bissl zu einfach gedacht. =)

warum ist es schwer sich motivation zu erhalten - das ist eigentlich in der schule, in der arbeitswelt und auch beim reiten - beim menschen - schnell erklärt:

der lernfortschritt sinkt subjektiv betrachtet mit steigender bildung/ ausbildung.

baby: bewegen lernen bringt subjektiv unendlich viel freiheit, dafür strengt man sich auch mal so richtig an.
jugendlicher: tanzkurs - *g* welcher fortschritt an freiheit ist da schon zu erwarten. man merkt gar nicht, wie einem bewegung zu einem takt, mit einem anderen partner wirklich in der eigenen bewegung weiterbringen könnte und glaube eigentlich nichts zu lernen. weil man kann ja schon soviel *mildelächelt*. also versuchen das einige gar nicht. weil: bringt nix.

1. klasse: lesen lernen. mit jedem buchstaben geht es voran. immer mehr wird verstanden. da lohnt sich die anstrengung jeden tag. immer gibt es was zu entdecken!
10. klasse: das schiff esperanza. herrjeh, schon wieder eine lektüre, muss das sein? was soll man denn dabei noch lernen. lesen kann man schon lange und so ein alter schinken ... davon kann man doch gar nichts lernen, weil man ja schon soviel weiss und kann. also lesen es einige gar nicht erst. weil: bringt ja nix.

reiten lernen im 1. reitkurs: man arbeitet darauf hin endlich ohne longe traben zu dürfen. endlich wie die großen zu reiten und wenn man das kann: oh man, wie genial. da lohnt sich die arbeit.
nach 5 jahren kann man dann ja reiten. man geht in allen gangarten, reitet frei. und dann kommt so ein trottel von rl daher und sagt einem, was man alles nicht kann und fordert anstrengung ein. hallo? soll sich doch das pferd anstrengen und sich zusammenschieben und sich mal versammeln. selbst gute reitstunden, in denen man sich super weiterentwickelt hat, kann man nicht mehr so gut erkennen - weil: man merkt selbst den riesenfortschritt nicht. er kommt einem miniklein vor. also warum anstrengen: bringt doch (fast) nix.

erst wenn man in etwas einen gewissen punkt überschritten hat - dann ändert sich wieder alles. dann nimmt man nuancen war, die man vorher nicht gesehen hat, dann sich darüber wie bolle freuen und dann: dann lohnt sich wieder alles! aber über den punkt, muss man irgendwann mal hinaus.

lernen ist einfach sehr output orientiert. also beim menschen ;). deswegen finde ich es extrem schwer lernen von mensch und tier in irgendeiner form zu vergleichen.

mein hund lernt zum beispiel einfach nur, weil sie sieht, dass mir das freude macht. die hängt sich total rein und denkt nie daran, was ihr das nun evtl. bringen könnte.

wenn ich auch nur ansatzweise endlich es schaffen würde, mein pferd so für sie richtig zu loben, wie ich das bei meinem hund nun raus habe, dann würde die sich auch bei *roll* im sand wälzen und dann aufstehen und mich anschauen und mit den augen fragen: na frauli, wat war ich nicht doll, ne ne?

alex
irgendwann wird`s schon nach reiten aussehen - irgendwann ...
padruga
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Beitrag von padruga »

mein hund lernt zum beispiel einfach nur, weil sie sieht, dass mir das freude macht. die hängt sich total rein und denkt nie daran, was ihr das nun evtl. bringen könnte.
So sind viele Pferde, vor allem junge, doch auch. Das kennen doch viele, dass ihre Pferde schier platzen vor Begeisterung wenn sie was "machen dürfen" und der Mensch sich tierisch drüber freut.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Guten Morgen,


was für ein spannendes Thema.

Persönlich denke ich, das Tiere erst einmal nicht mehr tun wollen als im Moment geboten. Das ist effizienter Umgang mit den hauseigenen Energien.

Dann kommen wir:
Wir wollen was, das Pferd erst mal (noch) nicht.

Also machen wir es Schritt für Schritt mit unseren Wünschen vertraut und bringen es zu immer höherer Leistung, indem wir seine Energien frei arbeiten, bis hin zum Ende der Stunde, in der wir dann die im Moment hohe Leistung abfordern.

Das wäre das Ideal, klar.


Ist die Einheit beendet, fällt das Tier nach einer gewissen Zeit in seinen alten Sparmodus zurück.


Ist bei Hund und Katz und Huhn nicht anders.



LG Ulrike
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