Immer nur "lieb, lieb"

Rund um die klassische Reitkunst

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Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Alkasar hat geschrieben: Wann ist eine Strafe eine Strafe und wann ist es Signal oder Korrektur oder eine Konsequenz auf das Verhalten des Pferdes?
Z.B. ich möchte, dass mein Pferd ruhig bei mir steht und mich bitte nicht abrüsselt und mir auf die Pelle rückt. Nun kann ich bei ungewünschter Annäherung 100x nein sagen und den Kopf des Pferdes von mir wegwenden. Im Zweifel wird das Pferd das als lustiges Spiel auffassen. Ich kann aber auch meinen Individualbereich 'verteidigen'. Mit dem Seil, dem Ellenbogen, Gertenknauf oder ähnlichem. Pferd kommt in diesen Bereich und holt sich jedesmal einen Nasenstüber o.ä. ab. das ist keine Strafe sondern eine Konsequenz seines Handelns. Und das wird von Pferd auch überhaupt nicht als Agression seitens des Menschen gewertet. Das ist etwas, was sie sofort verstehen. Strafe? Für mich nicht.
:D
Zum "auf die Pelle rücken":
Das kann ich nur bestätigen!
Sehr hilfreich finde ich z.B., nicht ständig quasi auf Tuchfühlung zum Pferd zu stehen, wenn man irgendwo warten muss. Sondern: Zügel runter, lang gefasst und das Pferd entsprechend weit entfernt parken. Wenn es rankommen will, per Handzeichen verbieten. Ergebnis: Pferd versteht es sofort und nimmt die Ruhehaltung ein. Es scheint sogar erleichtert über diese klare Regel zu sein. Das hat mich anfangs ziemlich erstaunt.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

das mit dem stehen bleiben kann mansich ja einrichten, wie man möchte. wenn man mag, dass das pferd brav steht, dann bietet sich konsequenz an und auf kleinste anzeichen des weglaufens einzugehen.


mein pferd braucht nicht stehen zu bleiben... wir üben das ab und zu, damit es , wenn notwendig funktioniert, im alltag nutzen wir es nicht. da gibts viele verschiedene möglichkeiten. die wenigen minuten zum satteln bleibt er jetzt schon ordentlich stehen, zum putzen gehen wir raus und er darf dabei grasen. frei. angenehm für uns beide. jeder, wie er mag!
esge
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Beitrag von esge »

Mal weg von Lob und Strafe, Renitenz und Nicht-Verstehen, hin zum körperlichen Training:

Ein Trainingszuwachs - Muskulär oder auch in Sachen Ausdauer - findet nur statt, wenn man die Grenzen des Komfortbereichs immer wieder ausdehnt. Sprich: Man muss sie sachte überschreiten. Nicht zuviel, sonst wird der Effekt negativ sein und die Motivation geht flöten. Aber ein bisschen darüber hinaus muss man immer wieder gehen, sonst kommt man nicht voran.
So ist das bei der Ausbildung eines Pferdes auch. Jedenfalls wenn man ein bisschen mehr möchte, als nur am langen Zügel ins Gelände schlendern und hoffen, dass Ponylein schon lieb sein wird. Wer in Pferdeausbildung auch Training sieht und das ein bisschen ernst nimmt, muss das Pferd also immer wieder dazu bringen, über seinen Komfortbereich hinaus zu arbeiten. Aus Erfahrung am eigenen Körper kann ich sagen, dass dies immer eine Mischung aus Motivation und Zwang ist. Da Pferde sich diesen zwang nicht selbst auferlegen - "ich hätte gern eine schmalere Taille und einen knackigeren Po, um die Stute nebenan zu beeindrucken" - bleibt dem Menschen hier nichts anderes übrig, als das Pferd ebenfalls mit einer Mischung aus Motivation und ja, einem gewissen Zwang, darüber hinaus zu heben. Geht er geschickt, gefühlvoll und sachlich richtig dabei vor, wird das Pferd das nicht als Zwang in dem Sinne empfinden. Aber einen tiefen Doppelschnaufer oder ein Grunzen kann es schon mal von sich geben. :wink: Und wenn nach einem gewissen Kick auch wieder ein dickes Lob kommt, ist das ok, wie ich finde.
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Jen
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Beitrag von Jen »

Esge, da stimme ich dir zu! Gerade heute hab ich auch einer Kundin erklärt, dass sie ihr Pferd immer wieder dazu motivieren muss, sich selber mehr zu tragen, damit es sich halt eben nicht so auf die Vorhand fallen lässt und sich besonders in den Übergängen weiter trägt. Ist ja auch schlussendlich ein gesundheitlicher Aspekt, dass die Gelenke geschont werden etc. Da ist man wie ein Fitnesstrainer, der neben einem steht und sagt: und noch eine Kniebeuge, und noch eine, komm du schaffst das... Da besteht natürlich ein gewisser Druck vom Reiter. Aber das ist mit einer positiven Grundstimmung und Fröhlichkeit verbunden. Und nicht wie der Armeetyp, der einen anbrüllt, dass man gefälligst den Hintern hochheben soll, man sei ja so ein Waschlappen... ;)
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esge
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Beitrag von esge »

Richtig, da liegt der Unterschied.
Tatsache ist aber, dass viele Reiter, in dem Bestreben immer nur NETT zu sein, ihre Pferde gar nicht fördern, weil nicht fordern.
Bei vielen Reitern entspringt das leider der Idee, dass sie sich auch selbst nicht fordern wollen...
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Motte
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Beitrag von Motte »

esge hat geschrieben:Richtig, da liegt der Unterschied.
Tatsache ist aber, dass viele Reiter, in dem Bestreben immer nur NETT zu sein, ihre Pferde gar nicht fördern, weil nicht fordern.
Bei vielen Reitern entspringt das leider der Idee, dass sie sich auch selbst nicht fordern wollen...
Boah ey - soviel Einigkeit hier im Moment - ich bin ganz irritiert.... :wink: :lol: :lol:
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Der Irritation von Motte schließe ich mich gerade mal an. :P :P :P
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Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Hallo,


Vielleicht passend dazu,


Heute bin ich nach einer Woche Pause, wegen der Zahnoperation, wieder auf den Dreijährigen gestiegen.

Ers longieren, er geht fast schon zu ausgeglichen, dann aufgestiegen, nicht, ohne vorher klar zu stellen, das er am Tritt STEHEN soll.

Dann Schritt geritten und angetrabt.

Er kann den Trab noch nicht lange durchhalten, deshalb arbeite ich an immer länger werdenden Trabreprisen.

Heute wollte er aber so gar nicht, und da begann der Gedankengang:

Um ihn vorwärts zu kriegen, hätte ich richtig drauf Semmel müssen, für mein Gefühl.

Will ich aber um's. Verrecken nicht, weil ich es einerseits nicht will andererseits auch die Reaktion fürchte.

So aufhören konnte ich aber auch nicht.

Also, bin ich wider abgestiegen, habe ihn an die Longe genommen und Übergänge geübt, sprich, SOFORTIGES Antraben auf meine Hilfen hin, eine Zirkelrunde, Durchparieren.

Dann bin ich wieder aufgestiegen, habe ihn zweimal rechts, zweimal links deutlich besser antraben können, dann war Ende und Schluss.
Mit Lob bin ich abgestiegen.

Dann, auf meiner kiebigen Auffahrt, da hat er mir dann gezeigt, wieviel Kilo Äpfel er mit sich geschleppt hat, die drückten, die er irgendwie heute auch nicht losgeworden ist.


Hätte ich also drauf gesemmelt, dann hätte ich ihm doch Unrecht getan,
So habe ich die Arbeit noch mal kleiner gestückelt und wir sind zu einem positiven Abschluss gekommen.

In meinen Augen habe ich ihn gefördert und gefordert, ein stärkerer Reiter hätte ihn wohl auch durchtreiben können.

So war das meine Lösung, ohne das zu viel Druck im Spiel war, ich aber dennoch mein Ziel erreichen konnte, vernünftig anzutraben.


LG
Ulrike
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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

Ulrike, das ist aber auch genau der Punkt, der eben schwierig ist.
Herauszufinden wo kann es nicht und wo sollte aber machen, das Pferd. Da braucht es Erfahrung und wir alle werden da sicher immer mal wieder ungerecht sein.
So wie Du es gelöst hast, ist das doch prima. Auf freundlichen Umwegen Dein Ziel erreicht, optimal.
„Wer nur zu seiner Freude reitet, aus Freude am Leben, aus Freude an Flur und Wald, aus Freude am Pferd, der ist ein König und ein Weiser.“ (aus: Vollendete Reitkunst, Udo Bürger, 1959)
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Danke,


es ging hier ja auch um die Frage, darf ich mal zulangen, da kam mir diese Begebenheit heute gerade recht.


LG Ulrike
esge
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Beitrag von esge »

Und gesünder ist diese Lösung im Zweifelsfalle allemal...
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

wenn die frage lautet: darf ich mal zulangen? dann wäre meine antwort, dass ich das nicht für eine gute idee halte....

wenn die frage lautet, ob man gelegentlich etwas will und gescickt durchsetzt, was das pferd grad nicht will, dann würde denken, das kann und muss man

zulangen klingt für mich nach gewalt. die brauchts nicht
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Ne, Gimli, das sehe ich echt anders. Es gibt Situationen, da lange ich zu. Ohne wenn und aber. Beispiel: Als ich unseren Schimmel gekauft habe, hatte der die Macke entwickelt, ganz gezielt mit dem Vorderbein in Richtung Knie des Menschen zu treten. In dieser Situation war es mir - mit Verlaub - völlig lattenhagen, ob das nun „tierpolitisch" korrekt ist oder nicht: So was geht einfach nicht. Und ganz ehrlich: Mit wäre angst und bange geworden, wenn das jemand zu der Zeit versucht hätte, durch diplomatisches Geschick zu lösen. Ebenso hart, aber herzlich reagiere ich übrigens auch, wenn ein Pferd versucht, mich zu beißen. Warum soll ein Pferd für ein solches Verhalten nicht genau die Quittung bekommen, die es von einem anderen Pferd auch bekommen würde? Denn die Jungs und Mädels gründen auf der Koppel bei so was auch eine Diskussionsgruppe. :P :P
Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass ein Pferd eine solche Reaktion sehr wohl einordnen kann und damit auch keinerlei Probleme hat. Anders sieht es übrigens aus, wenn ich hinlange und dabei ungerecht oder unangemessen werde.

Kleiner Nachtrag, weil es gerade so passt. Mein Ex-Freund hatte seinerzeit übrigens auch die Einstellung, man müsse solche Dinge "diplomatisch" lösen. Der hat dabei allerdings die vielen minikleinen Dinge an Respektlosigkeit meines Braunen übersehen. Bis dieser ihn beim Aufhängen der Heunetze mal richtig arg in den Oberarm gebissen hat. Warum? Weil er vor meinem Ex eben keinen Respekt hatte. Und für mich ganz persönlich kommt erst der Respekt und dann das Vertrauen…Aber ich glaube ja auch daran, dass ein Pferd nur einem Menschen vertraut, den es auch respektiert.
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

ah, cubano, das sehe ich genauso!! das fällt für mich alles unter erziehung und grenzem.


ich hatte so eine dusslige unterscheidung für mich gemacht zwischen erziehung und arbeit
loisachqueen
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Beitrag von loisachqueen »

@ulrike: Damen hoch, für deine Reaktion. Habe ich letztens ähnlich gemacht, da hat's bei Seitwärts geklemmt. Also runter und vom Boden aus übertreten lassen und als das ging, wieder raus auf's Pferd und einen ziemlich entgeisterten Blick geernte. Die Dame wollte auf partu nicht verstehen, warum ich das gemacht habe ... *KOPFSCHÜTTEL*
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