Allgemeine Sattelfrage: Tiefer Sitz vs. flache Sitz

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Moderator: ninischi

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loisachqueen
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Allgemeine Sattelfrage: Tiefer Sitz vs. flache Sitz

Beitrag von loisachqueen »

Hallo zusammen,
was ich mich ja immer wieder frage, wenn ich mir aktuelle Sattelmodelle (besonders Dressur) ansehe. Warum werben alle Firmen mit dem extra tiefen Sitz? Die Sitz- und Sattelexperten dagegen predigen das Gegenteil.
Aber warum?

Gut bei mir steht momentan kein Sattelkauf an und ich bin relativ zufrieden mit meinen Sätteln. Beide übrigens eher flache Modelle. War am anfang teilweise gewöhnungsbedürftig, aber inzwischen kein Problem mehr.

Sieht man sich alt Bilder an, sind alle Sättel (Dressur) früher (im letzten Jahrhundert) flach gewesen. Bei noch älteren Bilder (noch früher:)) hatten die Sättel vorne und hinten teils ziemlich große Galerien. Die Leute musste ja für ihre "Modelle" einen Grund gehabt haben.

Was meint ihr zu dem Thema? Flach oder tief? Oder sind die Tiefsitzsättel eine Modeerscheinung?

Wie sieht es hier mit den so genannten aktuellen "barocken" Sättel aus? Tief oder flach? Wie viel machen da die Galerien aus?

Würd mich freuen, wenn ihr eure Meinung dazu schreiben könntet...

Servus
Loisachqueen
spatz
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Beitrag von spatz »

Hi,
also ich glaube das das momentan einfach eine "Modeerscheinung" ist.
Allerdings darf man auch nicht vergessern das sich das reiterliche Niveu nicht unbedingt zum besseren entwickelt hat. Also brauch Otto Normalverbraucher, mit nicht so tollen Sitz einen Sattel der dieses Manko kaschiert.
Denn man muss mal ganz ehrlich sein, wenn man in einen totalen Freizeitreiter Stall reingeht, wie viele von denen haben denn noch wirklich von der Pike auf reiten gelernt???? Richtig, die wenigsten und die die es gelernt habe sind dann meist Leute die der Turnierzene den Rücken gekehrt haben.
Was ich zu den "Barocken" Sätteln zu sagen habe ist folgendes, diese Sättel haben sich aus Jahrhunderten von Jahren in der Praxis entwickelt, sprich die Galerien waren als Sicherheit für den Ritter da, um gelinde gesagt nicht aus den Sattel katalputiert zu werden. Natürlich haben sich auch schon damals verschiedene Sättel entwickelt, so gab es für jeden Zweck den passenden Sattel. Der Sattel ist halt aus der Praxis entstanden, wie es für die Reiter damals am logischsten erschien. In dieser Epoche hätte man kein Reiter gesehen der mit aufgesetzten Bananenpauschen vorn und hinten reitet.

Ich selber kann in Sätteln mit großer Pausche gar nicht sitzen, wenn dann flacher oder halbtiefer Sitz mit mini Pausche. Aber am liebsten sind mir immer noch Spanische oder wie du sie nennst "Barocke" Sättel. Die engen meine Beine nicht ein, habe sehr lange schlanke Beine und da reagiere ich in den meisten Fällen bei Druck auf den Knien allergisch, blockiere dann gleich in der Hüfte und neige dann zum Holkreuz.
Also für mich entweder einen Sattel mit Galerien ohne Pausche oder eine flache Bratpfanne :lol:
Liebe Grüße
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich bin gerade beim Stöbern auf einen sehr interessanten Link gestoßen, ich kannte diesen Sattelhersteller bisher nicht, aber ich finde die Erklärungen auf der Seite sehr interessant.
Hier wird davon ausgegangen, dass die unterschiedliche Beckenform von Männern und Frauen und die unterschiedliche Beinaufhängung am Becken und das bei Frauen kürzere Steißbein unterschiedliche Bedürfnisse beim Sitz und der Unterstützung des Sitzes benötigen. Finde ich logisch und sehr vernünftig.
http://www.schleese-gmbh.de/saettelfrauen.html
Viele Grüße
Sabine
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loisachqueen
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Beitrag von loisachqueen »

@Max1408: Ich habe mir mal die Graphik in deinem Link näher angeschaut. Die werden mit ihren Behauptungen schon Recht haben, allerdings glaube ich auch, dass viel was inzwischen als sogenannte "Frauen"-Sättel verkaufen Marketing ist.

Es gibt auch Firmen die nur Sättel mit breiten Sitzflächen verkaufen. Anatomic z.B. aber diese Sättel finde ich furchtbar, viel zu breit, man sitzt da wie auf einem Plattau.

In der Fahrradindustrie kommen Mediziner inzwischen wieder von den "reinen" Frauen- und "reinen" Herren-Sätteln weg, sondern messen zb die Sitzbeinbreite und suchen dementsprechend den Fahrradsattel aus. Ich denke, die Methode ist für die Sattelbreitenbestimmung eher eine Methode, als reine Frauensättel zu verkaufen, schließlich ist nicht jede Frau mit eine gleich breiten bzw. schmalen Becken gesegnet. Bei Männern ebenfalls.

Ich führe die Entwicklung zu den Tiefsitzern auch auf die allgemeine Entwicklung zurück, dass in der allgemeinen Ausbildung zu wenig Wert auf einen guten ausbalansierten Sitz wertgelegt wird. Wer geht heute schon in eine Reitschule, bei der am Anfang 10 und mehr Longenstunden auf dem Programm stehen. Man will schließlich Reiten ... und nicht auf einem Pferd im Kreis rumschauckeln. Das heisst die wenigsten Reitschulen bieten das an, weil die Nachfrage nicht gegeben ist. Leider!
Ich nehme mich da leider nicht aus. Ok mein reiterlicher Werdegang war ein bisschen anders, aber trotzdem geht mir diese Basis ab. Nachholen ist meistens nicht mehr möglich oder nur schwer möglich.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Loisachqueen, ich wollte keine Diskussion über das Marketing von Frauensätteln beginnen, sondern fand die Erklärungen inklusive Fotos auf der Homepage sehr interessant. Leider habe ich keine Zeit, ewig nach neutralen wissenschaftlichen Studien zu googeln. Das ist der einzige Grund, warum ich diesen Link (und keinen anderen) eingestellt habe.

Früher war auch nicht alles besser, das kannst Du mir glauben, ich war dabei. :wink:
Ich habe in den 70er Jahren reiten gelernt, und zwar in Flachsitzern und Vielseitigkeitssätteln, in einem Stall mit hervorragendem Ruf. Der RL hat mich oft ohne Steigbügel reiten und sehr lange ohne Steigbügel leichttraben lassen. Ist heute in Zeiten von DSDS, in der jeder in Lichtgeschwindigkeit zum "Superstar" für 5 Minuten mutiert, nicht mehr in, das ist mir klar. :P Es ist Zeitgeist, dass Leute ohne großen Aufwand gerne ganz schnell ganz viel erreichen wollen. Aber damit belügen sie sich nur selbst. :wink:

Ich reite heute in einem Monoblattsattel mit tiefem Sitz, der mich in keinster Weise einengt, aber der mich in noch nie zuvor gefühlter Weise direkter ans Pferd bringt als jeder Sattel vorher.
Ich könnte mein Pferd aber in jedem Sattel sitzen (und das ist eine Herausforderung bei einem schwungvollen WB mit einem Stockmaß deutlich über 1,80 m!), einfach, weil er gut geritten ist und über den Rücken geht. Aber ich habe in meinem Leben auch noch nie das Problem gehabt, dass ich irgend ein Pferd nicht sitzen konnte.

Also warum sollte ich auf einen Sattel verzichten, der für mein Pferd und mich perfekt passt, und in dem ich mich wohlfühle? Nur aus "Ideologiegründen"? Aus dem Alter bin ich raus. :wink:

Und es ist ja nicht gerade so, dass die barocken Schulsättel nicht auch gewaltige Pauschen aufweisen. Sie liegen nur an anderen Stellen. :wink:
Aber Pauschen engen den Reiter nur ein, oder sie blockieren die Hüfte nur dann, wenn die Lage und Größe der Pauschen sowie die Steigbügellänge nicht zur Reiterfigur passt und wenn sie die Bewegungsfreiheit einengen. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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padruga
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Beitrag von padruga »

Interessantes Thema!
ich denke die Frage ob Flach- oder Hochsitzer ist ebenso subjektiv wie die Frage ob der Sattel nun eher brücken soll (damit der Sattel in der Bewegung optimal sitzt wenn das Pferd den Rücken aufwölbt) oder genau im Gegenteil sogar kippeln darf und vorn und hinten kaum Berührung mit dem Pferd hat (damit dort kein Druck entsteht, wenn das Hauptgewicht des Reiters in der Mitte den Sattel runterdrückt, und damit die Auflage dann schön sanft ausschwingt.
Ebenso die Frage wo denn bitte jetzt der breitere Teil des Sattelkanals sein soll: Eher hinten, damit da die Wirbelsäule sich dort in Wendungen biegen kann... oder eher in der Mitte, da der Sattel ja hinten aufliegt und die Hauptbeweglichkeit hinter dem Widerrist ist wo der Reiter sitzt... oder ganz gleichmäßig wie heutzutage, da man ja eh der Meinung ist dass im Rücken keine Biegung möglich ist...
Und dann haben wir noch die Frage wie breit die Kissen sein dürfen. Nur bis Ende des Rückenmuskels, aber keinesfalls weiter darüber auf die Rippenmuskeln sagen die einen, als Pferdeschonend preisen wieder andere ihre breiten Komfortkissen an, möglichst weit zur Seite reichend.
Ach ja, und enden sollen sie natürlich vor der 18. Rippe, da danach der Rücken kaum tragfähig ist. 1000e von Trachten-und Westernsättel müssten damit vom Markt...?
Und hinter der (nach hinten rotierten) Schulter müssen sie sitzen... plötzlich messen verzweifelte Leute für ihre Kurzrücker bis zur letzen Rippe nur eine mögliche Auflageflächen von 24 cm!!
Für alles gibt es Argumente, alle für sich allein gesehen sind sie voll logisch und einsehbar! Selbst wenn sie widersprüchlich sind.
Und alles unterliegt auch einer Art Mode. Im Moment ist es IN, Tiefsitzer mit Pauschen grundsätzlich als Sitzprothese zu verpöhnen, ebenso scheinen die französischen/Bananenkissen das einzige Wahre und Keilkissen nur schrecklich zu sein. Wobei die ja auch mal extra als so pferdefreundlich konstruiert wurden, um das Gewicht des Reiters besser zu verteilen...
In ein paar Jahren schaut alles wieder anders aus.
Letztendlich entscheiden tut das Pferd was ihm gefällt und der Reiter, worin er ungezwungen und ohne Blockierungen sitzt. Und das kann bei allen Pferden ganz anders sein. Man bräuchte also die Möglichkeit viele Testsättel ausgiebig auszuprobieren vor dem Kauf eines Sattel.
Was ich erschreckend finde ist nur, wieviel schrottige Sättel auf dem Markt und auf den Pferden zu sehen sind!
loisachqueen
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Beitrag von loisachqueen »

Oder Sättel einfach so bei großen Reitsportläden (ich will jetzt mal keine Namen nennen) über den Tresen gehen, ohne das er je auf dem Pferd angepasst worden ist.

Und leider bekommt man als Reiter bei den wenigsten Sattlern mehr als 2-3 Marken zum testen und wehe da passt keiner so richtig, der Sattler verkauft einem trotzdem irgendetwas nicht passendes, schließlich will er auch Geschäft machen.

Eine weitere Unsitte, die ich immer wieder sehe: Sättel werden zur Korrektur eingeschickt. Wie kann da bitte individuell auf den Pferderücke eingegangen werden, wenn die Person, die den Sattel verändert, das Pferd nie sieht. Da braucht man sich dann auch nicht wundern, wenn der Sattel hinterher nicht beser passt als vorher. Außerdem sind dann auch meisten 2-3 Wochen vergangen in denen das Pferd nicht geritten wurde, was auch nicht wirklich förderlich für die Muskelatur ist.
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