Alexandertechnik

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Moderator: Josatianma

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kosima
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Beitrag von kosima »

Danke Jen, das hast Du super gut erklärt, für jeden verständlich. Ich bin auch seit kurzer Zeit durch gute Bekannte auf diese Bewegungstechnik aufmerksam geworden. Vorher hatte ich noch nie etwas davon gehört. Den ersten Termin der AT hatte ich leider absagen müssen, aber beim nächsten Mal bin ich dabei! Es wird sich wohl so einspielen, dass diese Sequenzen wohl einmal im Monat stattfinden werden
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Hier entnommen:
saltandpepper hat geschrieben:...Und "nur Körperübungen", das sehe ich nicht ganz so. "Nur Körperübungen" gibt es meiner Meinung nach nicht. Alle Formen von Körperarbeit- z.B. Alexandertechnik oder Dorntherapie oder, oder... haben Wirkung und trotzdem völlig unterschiedliche Ansätze. Nicht nur Feldenkrais wirkt tief und nachhaltig...
Jen hat geschrieben:psst... Alexandertechnik ist KEINE Körperarbeit! Leider wird das eben viel zu oberflächlich angeschaut, abgeschaut und dann "weiterentwickelt" obwohl man die grundlegenden Prinzipien überhaupt nicht erfasst hat... schade sowas und wird der Methode (egal jetzt welcher) auch nicht gerecht...
saltandpepper hat geschrieben:Warum denn nicht ? Mein Lehrer nennt das so ?! Was stört dich an dem Begriff ?
Jen hat geschrieben:Weil es halt eben nicht stimmt! Es würde nun viel zu weit gehen, das alles zu erklären, aber bei der AT geht es um die bewusste Kontrolle seines Selbst. Das heisst: Integration von Geist und Körper: Stichwort Psycho-physisch! Und eben nicht "nur" Körper. Es ist eine äusserst komplexe Angelegenheit, die sich in profunder Weise nicht in 2-3 Sätzen erklären lässt. Und ganz ehrlich, der Herr Alexander würde sich im Grab umdrehen, wenn ein Meyners oder ein Riegler mit solchen Übungen kommen würde. Denn er ist ganz klar der Ansicht, dass solche separatistischen Körper-Übungen nicht hilfreich (sondern sogar eher schädlich) sind, da sie die Kinästhetik nicht verändern und keinen integrativen Ansatz haben, wie es die AT anstrebt.


"The fact, almost always overlooked when the how of improving human behaviour is discussed, that a human being functions as a whole and can only be fundamentally changed as a whole."

Ein paar Körperübungen ändern nichts an den grundlegenden psychophysischen Gewohnheiten eines Menschen, weil sie am falschen Ende ansetzen. Diese Erfahrung musste ich (leider ) selber auch schon machen und bin deshalb da auch ganz seiner Meinung. Aber ich denke, wir driften etwas zu sehr ins OT ab...
Bitte weiter im Text, Jen :wink:
Es grüsst ottilie
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Jen
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Beitrag von Jen »

Gerne, einfach nicht mehr jetzt. JEtzt muss ich aufs Pferd! :D
Liebe Grüesslis, Jen
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Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Wenn jemand gezielte Fragen zur Wirkung der Feldenkraismethode hat, gebe ich gerne Auskunft! Ansonsten ist das hier ja der "Alexandertechnikthread" :D
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

8) Bitte hier entlang zum Thema Feldenkrais!
Es grüsst ottilie
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Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Das ist ja ein Service :D , danke Ottilie! Werde mir das beizeiten mal durchlesen...
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Aber gerne doch *säusel*
:D
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

Was ist denn der grundlegende Unterschied zwischen Feldenkrais und der Alexandertechnik?
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
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Beitrag von Belfigor »

Das sagt ein Feldenkraislehrer dazu (habe dies aus einem Artikel rauskopiert):

"Der deutlichste Unterschied besteht darin, dass es Feldenkrais um Bewusstheit durch Bewegung geht und F. Alexander um den Moment, bevor die Bewegung beginnt (oder auch nicht beginnt)."

Von der Anwendung her kann ich folgende Unterschiede schildern:

Feldenkrais orientiert sich in den unterrichteten "Bewegungseinheiten" beispielsweise an der Kindheitsentwicklung, also wird zunächst im Liegen gearbeitet, Drehbewegungen, Aufrechtes Stehen/Gehen, all das wird in einem individuellen Ablauf erarbeitet, so wird an die Art des Lernens angeknüpft, die man als Kleinkind durchlaufen hat. Hat man beispielsweise das Krabbeln übersprungen (was eine ganze Reihe von Kindern machen), können in der Feldenkraismethode die Elemente des Krabbelns "nachgearbeitet" werden, so kann eine "Nachreife" entstehen.

Das ist jetzt nur mal ein kleines Beispiel, die Theorie des Herrn Feldenkrais ist sehr komplex.

Die Alexandermethode habe ich so erfahren: entweder im Liegen, meist aber im Sitzen wird man vom Alexanderlehrer so "ausgerichtet", dass sich der ganze Körper neu organisieren kann, überflüssige Muskelspannung loslassen kann (mit den entsprechenden neurologischen Auswirkungen, denn wenn eine Muskelspannung losläßt, ändert sich hierbei auch etwas in den neuronalen Verbindungen des Gehirns; das ist aber bei Feldenkrais auch so). Das funktioniert nonverbal (im Feldenkrais gibt es neben dem nonverbalen auch einen rein verbalen Unterricht), durch Berührungen des Lehrers. Sitzt der Kopf frei auf dem obersten Halswirbel, kann sich das Skelett darunter neu orientieren, Ziel ist es eine freie aufrechte Haltung einnehmen zu können.

Genau wie Feldenkrais geht auch Alexander davon aus, dass sich Körperspannungen auf das Gemüt auswirken. In der Auswirkung auf die Einheit Körper-Geist-Seele ähneln sich die Effekte sehr. (Aufrechtes Gehen, bewegen können ohne "parasitäre" Bewegungen ausüben zu müssen gibt einem ein einzigartiges inneres Gefühl der Freiheit... Beide Methoden/Techniken haben zum Ziel eine aufrechte Haltung einnehmen zu können ohne überflüssige Muskeltätigkeit; das geschieht, wenn das Skelett in einer idealen Haltung ist und auch in der Bewegung so bleibt; nicht starr, einfach je nach Anforderung.)

Ich habe beste Erfahrungen damit gemacht beide Methoden zu kombinieren und es gibt einige Feldenkraislehrer "auf dem Markt", die zusätzlich auch Alexandertechniker sind.

Herr Feldenkrais war allerdings der Meinung, dass die Alexandertechnik "zu kurz greift", nicht in der Tiefe wirkt, wie seine Methode, die er als "Krone des Durchdachten" sah.

Muss man beides ausprobieren, um selber zu spüren. Ich finde beide Methoden genial!!! Was mir an Feldenkrais besser gefällt ist, dass mehr vom Becken aus agiert wird (weniger vom Nacken), es weniger "nur" um die Aufrichtung geht, d.h. die ganze Wirbelsäulenrotation und Beweglichkeit des Brobstkorbes meiner Erfahrung nach stärker zur Geltung kommt, hier auch einen stärkeren Effekt hat.
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Jen
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Beitrag von Jen »

DAnke Belfigor! Interessant, das aus deiner Sicht mal erklärt zu bekommen. Ich versuche das jetzt mal aus der Alexander-TEchnik-Sicht zu erklären. Wie gesagt, ist es eine äusserst komplexe Angelegenheit und ich werde es nicht schaffen, dies umfassend abdecken zu können oder gar immer die richtigen Worte zu treffen. Ich mach jetzt einfach mal einen Versuch!

Wie an anderer Stelle schon beschrieben ist die AT eine psycho-physische Methode, bei der es um das Erlangen der bewussten Kontrolle des eigenen Denkens und Handelns geht. Man kann in seinem "Selbst" GEist und Körper nicht voneinander trennen, denn der Geist, jeder Gedanke (bewusst oder unbewusst) hat immer einen Einfluss auf der körperlichen Ebene. Das fängt nicht erst beim Nägelkauen (Reaktion auf Stress) oder bei psychosomatischen Beschwerden an, sondern das passiert immer. Mal mit mehr, mal mit weniger bemerkbaren Konsequenzen. Je "unbewusster" man sich selbst ist, desto weniger spürt man etwas. Die AT greift auf der absolut grundlegendsten, elementarsten Ebene ein: auf der neuronalen Verknüpfung. Es geht darum, zu erkennen, was man im ALLTAG, in der NORMALITÄT (und das ist m.E. das absolut einzigartige an dieser Methode), also in jedem wachen Moment ZUVIEL unnötiges macht. Dieses ZUVIEL muss man ja zuerst erkennen, um es dann weglassen zu können und um dann in nächster Konsequenz präventiv agieren zu können. Es nützt mir ja nichts, wenn ich immer erst im Nachhinein gemerkt habe (wenn überhaupt) dass ich zb. meine Schultern hochziehe, wenn ich den Arm hebe. Da kann ich 100x üben Arm zu heben, das Bewegungsmuster (welches vom Hirn aus gesteuert wird) wird dadurch nicht grundlegend geändert und die Körperwahrnehmung auch nicht. Ich kann die Schulter versuchen unten zu halten, aber verändere vielleicht dadurch die Belastung auf meinen Beinen und überlaste eine Hüfte, ein Knie etc. Ich kann also nicht ein "Problem" punktuell angehen, sondern muss immer den gesamten Organismus beachten. Der Mensch funktioniert als Ganzes, deshalb kann man fundamentale VEränderungen auch nur in der GEsamtheit durchbringen (Zitat Alexanders, siehe Beitrag weiter oben in Englisch).

Wie Belfigor richtig bemerkt hat, geht es einmal (aber keineswegs nur!) darum, die Bewegungen vorzubereiten. Dazu muss man erst einmal innehalten, da wir uns gewöhnt sind viel zu schnell auf Reize, die wir uns selber geben oder die aus der Umwelt kommen, zu reagieren. Je schneller wir reagieren, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit auf die die "neuronale Autobahn" der Gewohnheit aufzufahren. Um diese GEwohnheiten, die oft sehr unbewusst sind, zu durchbrechen, wird grossen Wert auf die Vorbereitung gelegt. Man gibt sich in diesem Innehalten sogenannte "Direktiven". Das heisst Richtungen, in die man loslassen kann, so dass die Teile im Körper, die zuviel Spannung haben sich mehr entspannen, die Teile im Körper, die zuwenig Spannung haben, sich im Tonus aufbauen. Es wird zb. auch angestrebt, dass die grosse Bewegungsmuskulatur nicht die Funktion einer Haltemuskultur ausübt (etwas was wir als Reiter vom Pferd her wissen sollten ;) ), so dass zb. die feinen Zwischenwirbelmuskeln in der Tiefenmuskulatur ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können, ohne ständig dreingefunkt zu bekommen. Es wird gewährleistet, dass die Rahmenbedingungen für die Atmung so bereitgestellt wird, dass sich die Atmung frei und ungehindert entfalten kann, dass die Mechanismen ohne Störung ablaufen, ohne dass man selber "aktiv" atmet und dadurch seinen Körper mit mehr Sauerstoff versorgt.

Wenn nun eine Bewegung anfängt (völlig egal was für eine Bewegung!), geht es darum ständig neu zu überprüfen, ob diese Direktiven WÄHREND der Bewegung immer noch aktiv sind. Denn es geht eben keineswegs NUR um die Vorbereitung, sondern es geht eben GERADE darum, IN der Bewegung die nötigen Anweisungen erhalten zu können. Man agiert also ständig, zu jedem Zeitpunkt in einer Bewegung. Man führt keine Bewegung "einfach so" aus und wiederholt sie dutzendfach. Das gibt keinen Zusatznutzen. Anfänglich kann man sich natürlich nur auf 1 vielleicht 2 Dinge innerhalb einer Bewegung achten, es fühlt sich vielleicht auch ganz fremd und neu, ev. sogar falsch an, mit der Zeit bekommt man immer ein vollständigeres Bild seines ganzen Selbst und kann sich beobachtenderweise bewegen. Sehr hilfreich zb. beim REiten, wo man ja auf das Pferd einwirkt und den Kontakt zu sich selber nicht verlieren darf und dann noch die Umwelt im Auge halten muss, damit man in der überfüllten Bahn nicht zusammenstösst oder im Gelände die Kreuzung nicht verpasst :p So lernt man zb. beim Reiten (oder was auch immer man tut), die Achtsamkeit nicht zu "konzentrieren" (im wahrsten Sinne des Wortes), sondern offen zu halten, so dass man ungewollte Veränderungen sofort, möglichst schon im Ansatz, erkennt und verhindern (=weglassen!) kann. Unnötiges soll weggelassen werden und nicht einfach eine neue Gewohnheit "drüber trainiert" werden, wo die alte Gewohnheit eigentlich immer noch vorhanden ist. Man sucht den natürlichen Zustand, damit wir schlussendlich so funktionieren können, wie die Natur uns gebaut hat.

Dies ist natürlich ein langwieriger Prozess, denn man muss langtrainierte GEwohnheiten von Grund auf ändern und was uns da leiderleider im Weg steht, ist unsere eigene falschtrainierte sensorische Wahrnehmung, die uns immer wieder Streiche spielt. Dadurch, dass wir uns völlig unphysiologisch verhalten und bewegen hat sich nicht nur unser Gleichgewichtsorgan (das von Belfigor erwähnte vestibuläre Organ), sondern auch unsere Muskeln, Sehnen und Gelenke etc. auf eine "falsche" Einstellung geeicht. Die haben ja alle so vereinfacht gesagt viele kleine Messorgane in sich drin, um dem Hirn immer wieder ein Feedback über den aktuellen Zustand oder eine Veränderung dieses Zustandes zu geben. Leider können Messinstrumente falsch eingestellt sein. Das ist der Grund, warum REiter z.B. eine Vorlage haben können, sich aber als aufrecht empfinden und wenn man sie aufrecht hinsetzt, empfinden sie dies als Rücklage. Diese "Einstellungen" müssen quasi "umprogrammiert" werden. Es nützt nichts mit einem falsch gestimmten Instrument Tonleitern spielen zu wollen. Man wird nie eine schöne Melodie rausbekommen, wenn man nicht zuerst das Instrument stimmt. Und dazu ist die AT da, um unser Instrument zu stimmen, egal welche Melodie wir dann spielen möchten. (FEldenkrais ist eher die Fingerübung, welche der Musiker dann auf seinem Instrument übt). Bei diesem Stimmen ist die Verbindung von Kopf-Wirbelsäule elementar, da ja die zwei Gleichgewichtsorgane eben bei den Ohren sitzen. Die Kontrolle dieser Verbindung ist absolut Primär. Primär weil wir Wirbeltiere sind und die Steuerung vom Hirn (und eben nicht vom Becken) aus geht. DAs Gleichgewichtsorgan sitzt auch im Kopf und nicht im Becken. Solange also diese Verbindung nicht gesteuert werden kann, solange kann sich unsere Balance nicht neu "eichen".

Und dieses "Stimmen" ist fast nicht alleine möglich, deshalb kann man AT nicht im "Fern-unterricht" oder aus Büchern lernen. dazu braucht man einen sehr erfahrenen Lehrer. Denn es reicht nicht nur jemandem verbales Feedback zu geben (was im AT-Unterricht selbstverständlich gemacht wird!), sondern es werden auch Feedbacks von Oberflächen (Wand, Stuhl, Boden, Tisch etc.) verwendet und - das non-plus-ultra - die geübten Hände eines AT-Lehrers. Durch die feinen Berührungen werden Informationen des Nervensystems vom Lehrer auf das Nervensystem vom Schüler übertragen. Denn eine Berührung ist nicht gleich eine Berührung! Bei einer Berührung muss sich der Lehrer jederzeit selber die richtigen Direktiven geben können und selber sich weiten, längen und aufrichten. Man kann jemanden mit einer falschen Berührung "runterziehen" und ihm die falsche Information übermitteln, oder man kann ihn in die Richtige Richtung weisen, so dass sich der Schüler weiten, längen und aufrichten kann. Der Lehrer "macht" das nicht, er manipuliert nichts an seinem Schüler, sondern der Schüler muss es selbst geschehen lassen. Es ist eine aktive Denk- und Mitarbeit gefordert, denn AT ist eigentlich HIlfe zur Selbst-Hilfe. ;) Und es ist keine Therapie, wo der Therapeut schnell ein paar Manipulationen macht und der Patient in den "SErvice" kann. So wie man in eine Massage oder so geht. Einen therapeutischen Effekt gibt es indirekt, dadurch dass man die Ursache der Störung möglichst beseitigt, ermöglicht man dem Körper ja erst eine Heilung. Deshalb dauert eine Alexander-TEchnik Ausbildung auch so lange (mindestens 3 Jahre und mindestens 1600 Unterrichtsstunden!). Kaum eine andere vergleichbare Methode hat eine solch fundierte Ausbildung. Aber natürlich steht und fällt jede Methode mit der Qualität des Lehrers. Klar. Und jeder Lehrer hat wieder ein bisschen seinen eigenen Stil und eigene Prioritäten.

Um selber zu erfahren, was für Gewohnheiten man hat, wo die individuellen körperlichen Probleme liegen und was für ein unbewusstes Körperbild man hat, gibt es bestimmte Positionen wo die Mechanik sich vorteilhaft entfalten kann, damit die Gelenke frei beweglich arbeiten können. Es gibt KEINE grundsätzlich RICHTIGE ODER FALSCHE Körperhaltung in der Alexander TEchnik. Es gibt keine "Übungen" die man durchführen muss. Es geht NIE um richtig oder falsch. Das ist ganz wichtig, denn auch dies würde wiederum die GEfahr einer Fixierung bedeuten. Das absolute GEgenteil von dem was die AT anstrebt. Der Mensch soll, egal was er tut, sich so gebrauchen, dass er sich keinen Schaden zufügt, in dem er alles, was nicht nötig ist, weglassen kann. Egal ob er steht, geht, sitzt, reitet, staubsaugt, am Computer sitzt etc.

In der Alexander TEchnik geht es aber keineswegs nur um Körperhaltungen, sondern es geht auch um die dazu nötige geistige Haltung. Da die AT ja beim Denken anfängt, beeinflusst sie ganz selbstverständlich auch die Verhaltensweisen eines Menschen. Also statt aufbrausend zu reagieren, sich besser beherrschen zu können, vernünftig zu bleiben. Ängste, Neurosen, Stotterprobleme, Stimmprobleme, Prüfungsangst etc. etc. etc. können durch die AT angegangen, verbessert oder gar ganz eliminiert werden. Es ist eine extrem vielseitige TEchnik, denn es geht nicht darum WAS man tut, sondern WIE man es tut.

Deshalb ist m.E. die AT viel vielseitiger als alles andere, und auch elementarer als alles andere. Nochmals das Stichwort: Instrument "stimmen". Die meisten anderen Methoden gehen erst in einem späteren Schritt auf die "Fingerübungen" und "Tonleitern" ein. Aber eben... solange das Instrument nicht gestimmt ist, wird weder aus BAch noch Beethofen noch punk-musik was... naja ok, bei gewissen Punkmusikern hört man es vielleicht weniger 8)

Nichtsdestotrotz bin ich persönlich der Meinung, dass man immer vom anderen lernen kann und seinen Horizont erweitern sollte, Stichwort Multidisziplinarität.
Liebe Grüesslis, Jen
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

Danke für eure sehr interessanten Beiträge. :)
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
myNio
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Beitrag von myNio »

ich finde das Thema auch wahnsinnig spannend. Und habe grade wirklich das Gefühl, was tun zu müssen... ;)
Onceagain
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Beitrag von Onceagain »

Wow... ich habe die Antworten gerade im Büro gelesen und mich bei Jens Artikel erst mal gerade hinsetzt.... jetzt merke ich alle Verspannungen *seufz* ich muß auch wieder mehr Sport machen... :roll: :D :o
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Was ich bei beiden Techniken und hier mehr bei der AT als bei Feldenkrais im Umgang mit dem Pferd hilfreich finde, ist die breiter gestreute Wahrnehmung. Ich kann es schlecht beschreiben, aber wenn man sich bei der Arbeit mit dem Pferd- auch und gerade bei Hand/ Longenarbeit "weit öffnet", nimmt man die zahlreichen Äußerungen des Pferdes viel intensiver wahr und hört auf, punktuell zu fokussieren.
Bei Feldenkrais ist die Sensorik etwas mehr nach innen gerichtet finde ich.

Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, aber ich empfinde es so, daß F die Sinne für einen selbst mehr schärft und erweitert und AT "für das große Ganze"- hört sich irgendwie blöd an, aber anders kann ich es nicht beschreiben. :oops:
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Danke, Jen, für deine Ausführungen zur Alexandertechnik.

Noch etwas zu den Unterschieden in der Ausbildung beider Methoden/Techniken, also Feldenkrais und AT:

Die Feldenkraismethode wird über einen Zeitraum von 4 Jahren und 180 (ganzen Tagen) gelehrt (in der Regel ist man dafür etwa 3 mal 3 Wochen pro Jahr auf Lehrgang, also nicht zu Hause ansässig), hinzu kommen Supervisionen zwischen den Segmenten. Es dürfte also zeitlich auf eine ebenso intensive Ausbildung hinauslaufen wie die zum Alexandertechniklehrer in Anspruch nimmt (ich glaube dort sind es - zumindest bei einer mir bekannten AT-Ausbilderin - 4 Vormittage in der Woche über 3 Jahre excl. der Schulferien).

Welche der beiden "Körper-Geist-Schulen" nun tiefer, besser wirkt oder für den einzelnen zum Erlangen irgendwelcher (verlorengegangener oder nie vorhandener) Fähigkeiten förderlicher ist, kann man nur herausfinden, wenn man beides selber intensiv praktiziert. Sicherlich sind die "Wege zum Ziel" in Teilen sehr unterschiedlich (wie in meinem ersten Beitrag weiter oben eingangs erwähnt); ich kenne einige AT-Lehrer, die zur Feldenkraismethode "übergelaufen" sind und genauso wird dies dann ja wohl auch umgekehrt der Fall sein; es ist von großem Vorteil, wenn ein Lehrer einer "Körper-Geist-Schule" verschiedene Erfahrungen besitzt, so ergänzt z.B. Rolfing auch noch o.g. Methoden obendrein perfekt.

Leider scheint aber ein gewisses "Konkurrenzdenken" zwischen beiden Ausrichtungen vorhanden zu sein.

Zitat Jen: "...die AT da, um unser Instrument zu stimmen, egal welche Melodie wir dann spielen möchten. (FEldenkrais ist eher die Fingerübung, welche der Musiker dann auf seinem Instrument übt..."

Da stellt es jedem Feldenkraislehrer die Haare zu Berge :D
Feldenkrais hatte großes Interesse an den Errungenschaften der Alexandertechnik und es läßt sich schwer leugnen, dass er von dessen Gedenkengut stark geprägt war, sehr vieles ist 1:1 übernommen, ich denke, weil er die Richtigkeit in Alexanders Erkenntnissen verstanden hatte. Aber er hat die Technik mit seinem Verständnis um den gesamten Menschen auch bereichert.

Der Sitz des Vestibularorganes im Mittelohr ist für das Gleichgewicht des gesamten Körpers verantwortlich und es ist trotz seines "Sitzes im Kopf" nicht notwendig mit primären Berührungen (Ausrichtungen) im Kopfbereich zu "arbeiten". Feldenkrais war eher der Ansicht, dass man sich von ganz anderer Partie zur "Störstelle" herantasten soll, wobei dies ja eher ganz verschiedene Bereiche sind und weniger das Mittelohr. Das Vestibularorgan ist so beschaffen, dass es Unterschiede wahrnimmt, egal ob die nun im Becken geschehen (oder von dort hergeleitet werden) oder an anderer Stelle im Körper. Wichtig ist, dass die "Organ" seiner Beschaffenheit nach genutzt wird, also dem des "Weber-Fechner-Gesetzes" folgend, dass ein Impuls sehr gering sein muss, um ihn überhaupt wahrnehmen zu können.

Ein Feldenkraislehrer führt für seinen Schüler (z.B. im Liegen auf einer Matte) verschiedene Bewegungen aus. Diese dürfen in keinster Weise manipulativ sein, sondern werden so ausgeführt, dass das Nervensystem diese als "Angebot zur Verbesserung" versteht. "Es ist etwas in uns, das klüger ist als wir selbst", dh. unser Nervensystem erkennt eine Bewegungsoptimierung und wird diese, "wenn das System bereit ist" annehmen. Feldenkrais nannte diesen Teil seiner Arbeit "Funktionale Integration", welche sich dann auf alle Ebenen des Seins fortsetzt, da eine Wiederherstellung einer Funktion bewirkt, dass die spiegelbildlichen Bereiche des Gehirns "frei" sein können (weil Muskelanstrengung wegfällt); das kann zu sehr unterschiedlichen Auswirkungen führen, z.B. kann man dadurch seinen Reitersitz verfeinern, weil organisches Lernen passierte.

Hier ein Video, das Feldenkrais bei seiner Arbeit zeigt:
http://www.veoh.com/browse/videos/categ ... 38hqwqGxg9#

Ähnlich verhält es sich in sog. ATMs (Attachment through Movement, Bewußtheit durch Bewegung), in denen kunstvoll und weise zusammengesetzte Bewegungsausführungen angeleitet werden; diese haben zum Ziel, dass der Praktizierende "sich selbst erkennt", anfängt aus anfänglichem Bewußtsein zu Bewußtheit (Bewußtsein über sein eigenes Bewußtsein führt zu BewußtHEIT) zu gelangen.

Die Theorien, die diesem "feldenkraisspezifischen" Anfassen oder einer verbalen Anleitung eines Menschen zugrunde liegt, würde den Rahmen hier sprengen. Wie spielen die Muskeln zusammen? Welche Rolle spielen die Faszien? Welche Impulse benötigt ein Muskel, um "loslassen" zu können etc.pp. Dabei wird immer der gesamte Mensch im Auge behalten, da - wie Jen auch schreibt -
immer eine Körper-Geist-Beziehung besteht. Haltung ist Handlung, Bewegung ist Handlung und jede Veränderung auf neuronaler Ebene führt zu einer Veränderung des Bewußtseinszustandes.

Vor allem wird nicht gewertet in der Feldenkraismethode, es gibt keine gute oder schlechte Bewegung, jeder Bewegungsablauf eines Menschen ist immer der beste, der ihm gerade zur Verfügung steht und es gibt für jede dieser Bewegungseinschränkungen einen Grund und damit eine Berechtigung. Eine Korrektur einer Bewegung wird immer nur eine Korrektur bleiben und niemals den Geist berühren im Sinne eines neurologischen Lerneffektes.

Den "Beginners Mind" zu finden - wobei wir hier im übertragenen Sinne beim Erstimpuls einer Bewegung sind - spielt hierbei eine große Rolle. Erst wenn wir unsere Bewegungsimpulse erfahren, entsteht die Möglichkeit zur Wahl oder Umkehrbarkeit einer Bewegung (das für die Ausführung eines geschmeidigen Reitersitzes Basis ist). Die Idee Alexanders die initiierende "Kraft" (woher kommt der erste Impuls für eine Bewegung) zu beeinflussen, die eine Bewegung überhaupt erst in Gang setzt, spielt daher bei Feldenkrais eine ebenso große Rolle.

Es liegt dann letzten Endes wahrscheinlich nicht nur an der Methode/Technik für welche das Herz höher schlägt, sondern auch hier an den Menschen (Lehrern), die dahinterstehen und für die man sich erwärmt.

Feldenkrais langjährige Assistentin, Mia Segal war urspünglich Alexandertechniklehrerin, hat dann "umgeschult" und lange Jahre Feldenkraislehrer ausgebildet; somit hat die Alexandertechnik in der Feldenkraiswelt sowieso einen integrierten Stellenwert, was ich sehr gut finde.

Aber egal, wie sehr man sich um Worte zum Verständnis bemüht, wird doch nichts davon eine tiefe persönliche Erfahrung ersetzen können.

"Wer sieht, der vergißt,
wer hört, der erinnert,
wer spürt, der weiß."

LG, Lena

P.S.: @saltandpepper: zu deiner Erfahrung mit der "Innen- und Außenwahrnehmung": Das kann ich gut nachempfinden, denn bei der Feldenkraismethode wird der Schüler (zunächst) mit geschlossenen Augen geschult, um sich ganz auf seine Innenwahrnehmung konzentrieren zu können; bei der Alexandertechnik habe ich das so erfahren, dass der Schüler seine Augen offen behält, um sich auch in seiner Außenwahrnehmung zu erfahren. Bei Feldenkrais kommt dies erst später hinzu, z.B. bei den sitzenden, stehenden ATMs und/oder FIs, wodurch auch die Außenwahrnehmung "integriert" wird.
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