Widerrist anheben

Rund um die klassische Reitkunst

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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Für alle, denen die Ausdrucksweise der "französischen Methode" zu fremd ist, habe ich noch eine schöne Beschreibung bei Dr. Thomas Ritter gefunden (S. 167 ff):

"Eine weitere mögliche Funktion des Zügels ist das Aufrichten. Durch einen Anzug, der rückwärts-aufwärts gerichtet ist, kann der Reiter das Pferd dazu veranlassen, Hals und Kopf höher zu tragen. Diese Hilfe ist oft am wirksamsten, wenn sie auf der steifen Seite des Pferdes angebracht wird. Der Reiter kann dabei die Hand auf der steifen Seite so hoch heben, dass der Arm praktisch waagerecht steht. Man muss hier hervorheben, dass dies nur gelingt, wenn der Reiter über einen starken Sitz verfügt, der diese Handeinwirkung auch absichern und unterstützen kann. (...) Das Aufrichten mittels einer höher gestellten Hand kann entweder geschehen, wenn der gleichseitige Vorderfuß erhoben, oder aber, wenn dieser am Boden ist. Ist das gleichseitige Vorderbein in der Luft, erhält der Reiter das Gefühl, dass er dieses Vorderbein höher aufhebt und länger in der Luft hält, als dies normalerweise der Fall wäre. Das Gewicht der Vorhand wird dadurch auf den gleichseitigen Hinterfuß übertragen, der sich unter der größeren Belastung vermehrt biegen muss. Alternativ dazu kann man das Pferd in dem Moment aufrichten, in dem das gleichseitige Vorderbein aufgefußt hat. In diesem Fall gibt man dem Pferd sozusagen eine Grenze dafür, wie viel Gewicht es auf dieses Vorderbein verlagern darf. Ist die Grenze erreicht, hebt die höher getragene Hand den Widerrist des Pferdes an und transferiert das Übergewicht durch das Kreuz auf den diagonalen Hinterfuß, der sich nun ebenfalls am Boden befindet.
Der Reiter muss dabei unbedingt beachten, dass der Zweck des Aufrichtens darin besteht, das aufgefußte Hinterbein mithilfe der Hebelkraft und des Gewichts von Kopf, Hals und Schulter zu biegen. Wird die Tragfähigkeit der Hinterhand überschritten, drückt das Pferd den Rücken weg, der Hinterfuß streckt sich und die Last bleibt auf der Vorhand liegen, anstatt auf die Hinterhand übertragen zu werden. Dasselbe ist die Folge, wenn der Reiter die Zügelhilfe nicht ausreichend durch seine Bauch- und Rückenmuskulatur verankert. In dem Fall bleibt die Zügelwirkung auf das Maul allein beschränkt."
Viele Grüße
Sabine
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ich werde mir dieses Buch kaufen Max. Liebäugle schon die ganze Zeit damit - das bestärkt mich darin.
Interessant ist, daß Herr Ritter hier von einer Einwirkung "RÜCkWÄRTS-aufwärts" spricht. Genau das ist aber, wenn man den Demi-Arrêt nach französischem Vorbild ausführt, so nicht gewollt, sondern die Anweisung die ich bisher in diesem Zusammenhang kenne und kannte ist " rein aufwärts " und betont NICHT "rückwärts". Denn genau dieses "nach rückwärts wirken" im Heben, bewirkt das Durchbrechen des Spannungsbogens.( was er dann ja auch als möglichen Fehler beschreibt)
Möglicherweise ist aber auch das wieder ein Adverb, welches man sowohl so als auch so auslegen kann.
Da der Unterarm des Reiters sich ( bei einem im "korrekten" Sitz ,in Position "am Körper" befindlichen Ellebogens) proportional zum Pferdehals nach oben bewegt, WIRKT die Hand beim korrekten Heben eben NICHT " rückwärts"- auch wenn sie sich OPTISCH in Richtung Reiter/ Schulter des Reiters also in soweit "nach hinten auf den Reiter zu" bewegt.

Der Kopf und somit das Maul des Pferdes, bewegt sich aber ebenso nach oben-hinten - daher ist zwar die Bewegung der Hand "rückwärts-aufwärts", aber mitnichten ihre Wirkung......
Es wäre interessant zu erfahren, wie Herr Ritter das genau meint......
Spitzfindigkeiten, ich weiß , aber die sind es, die die Sache interessant und dann auch klar machen.
Grüße + ein tolles neues Jahrzehnt
S&P
knowi
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Beitrag von knowi »

Mir gehts ähnlich S&P, ich bin auch über das "rückwärts" gestolpert. Tatsächlich sollte die Handbewegung ja eher eine Tendenz nach vorwärts-aufwärts haben um die Bewegung überhaupt nach vorne durchlassen zu können. Das ermöglicht ja erst die nötige Dehnung und das Spannen des Nackenbandes und somit das Anheben des Widerrists.
Was mir bei Ritter auch fehlt ist das Absenken der Hände unmittelbar nach einem demi-arrêt. Gefühlsmäßig bleibt die Hilfe ohne ein Absenken der Hände nämlich in der HWS stecken ohne das Pferd wirklich vorne freigemacht zu haben. Theoretisch kann ich das nicht in Worte fassen, aber wisst ihr was ich meine?

Liebe Grüße und ein frohes Neues :)
Zuletzt geändert von knowi am Sa, 01. Jan 2011 17:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Dietrich Bonhoeffer
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@s&p und OT: ich finde das Buch genial, denn ich kenne kein anderes Buch, das so differenziert und ausführlich auf Hilfengebung und Timing eingeht.

Nicht mehr OT: der Reiter wirkt meiner Meinung nach durch das Parieren immer kurz sanft rückwärts ein - auch ein Schließen der Finger wirkt rückwärts. Die Wirkung ist jedoch, wenn die (halbe) Parade richtig ausgeführt wird, keinesfalls rückwärts. Diese Bewegung kombiniert mit dem Aufwärts hat dann die Gleichgewichtsverschiebung nach hinten zur Folge.
Ein Beispiel (das wahrscheinlich trotzdem hinkt): um das innere Hinterbein im Galopp zu unterstützen, kann man am inneren Zügel leicht parieren. Obwohl die Aktion aus Reitersicht auf den Zügel nach rückwärts wirkt, bewirkt sie nur, dass das innere Hinterbein stärker unterspringt und dass das Pferd etwas mehr in sich "zusammengeschoben" wird.

Wichtig finde ich den Hinweis auf den Sitz, denn Paraden werden ja nicht nur am Zügel gegeben.

@knowi: natürlich wird nach dem Parieren dann wieder die Hand gesenkt. Die bleibt selbstverständlich nicht ewig oben, auch wenn es in diesem kurzen Ausschnitt nicht explizit steht. Allerdings ergibt sich das eigentlich aus der Beschreibung, dass er gezielt in dem Moment einwirkt, in dem sich ein bestimmtes Bein in einer bestimmten Stellung/Phase befindet. Das geht nur in genau diesem Moment, und nach der Einwirkung tritt die Verbesserung ein und die Hilfen können wieder ausgesetzt werden. Falls die Haltungsverbesserung nicht eintritt, muss man die Hilfen in der nächsten Phase wiederholen. TR betont immer wieder, dass die Hilfen nur dann erfolgen, wenn man etwas verändern möchte. Ansonsten stumpft man das Pferd ab.
Viele Grüße
Sabine
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knowi
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Beitrag von knowi »

Ja stimmt. Da hast du Recht, da er es ja wirklich auf eine bestimmte Phase bezieht hätte ich das ableiten können ...mir steckt wohl der Jahreswechsel noch in den Knochen ;)
Über das Rückwärts denke ich nochmal nach - aber vielleicht nicht mehr heute :oops: 8)
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Dietrich Bonhoeffer
Mary
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Beitrag von Mary »

Die französische Schule kennt kein rückwärts Arret, sie geht von einem Reiter aus der mit der maine fixe reitet,also einer Hand die konstant steht und niemals nach hinten zieht!
Schulterherein ist das Aspirin der Reitkunst.
Nuno Oliviera
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Mary: Die deutsche Schule auch nicht.

Trotzdem wirkt jedes Einwirken auf den Zügel, auch bei feststehender Hand, immer rückwärts, weil es den Zügel geringfügig verkürzt. Auch ein kurzes Schließen der Finger verkürzt den Zügel ==> rückwärts.
Was auf das Schließen der Finger (mit dadurch erreichter minimaler Verkürzung des Zügels) passiert, ist, dass das Pferd im Unterkiefer nachgibt, seine Haltung verändert und ggf. das Gleichgewicht nach hinten verändert und/oder die Hinterbeine beugt. Das Nachgeben erfolgt unmittelbar, wenn der gewünschte Effekt erreicht ist. Und zwar sowohl in der deutschen wie auch in der französischen Schule, auch wenn unterschiedliche Begriffe verwendet werden.
Viele Grüße
Sabine
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le_bai
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Beitrag von le_bai »

auch wenn die beiden sicher wenig miteinander zu tun haben, musste ich doch unvermittelt an das "schlimme" bild wenige seiten vorher denken :D danke für das zitat ...

da wir hinter dem kopf des pferdes sitzen - ist physikalisch nicht jede einwirkung am maul mit rückwärtigen kräften verbunden :lol: :?:
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

le_bai hat geschrieben:da wir hinter dem kopf des pferdes sitzen - ist physikalisch nicht jede einwirkung am maul mit rückwärtigen kräften verbunden :lol: :?:
So sehe ich es auch! Alles andere wäre wie Münchhausen, der versucht, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen :wink:
Trotzdem macht es natürlich einen großen Unterschied, mit welcher Idee und auf welche Weise (eher aufwärts oder rückwärts, eher impulsartig oder ziehend, eher kurz und sofort nachgebend oder festhaltend...) man einwirkt.
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Pferdialog.de
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

da wir hinter dem kopf des pferdes sitzen - ist physikalisch nicht jede einwirkung am maul mit rückwärtigen kräften verbunden
Genau, und es gibt eigentlich für die Hand (sofern sie nicht völlig still steht) nur folgende Möglichkeiten der Einwirkung: vorwärts (nachgeben), rückwärts (annehmen), aufwärts, abwärts, seitwärts und Kombinationen hieraus. Und alles wird beim Reiten verwendet, und zwar so stark wie notwendig und gleichzeitig so zart und leicht wie möglich, um die gewünschte Reaktion hervorzurufen. Im besten Fall geschieht das durch ein leichtes Bewegen der Finger. Und wenn die gewünschte Aktion erreicht wurde, schweigen die Hilfen wieder so lange, bis wieder etwas verändert werden muss.

@knowi: ich habe mir gerade mal überlegt, was Du mit vorwärts-aufwärts meinst. Ich bin der Meinung, dass die Hand bei der Aufwärtsparade niemals gleichzeitig vorwärts geht. Es geht doch beim Anheben des Widerrist darum, die Gewichtsverteilung durch das Nutzen des Hebels Kopf-Hals-Schulter stärker auf die HH zu legen und ggf. die Hinterbeine zu bewegen, sich mehr zu beugen. Das erreicht man niemals durch ein zu deutliches Nachgeben (das ja ein nach v/a Strecken bewirkt, weil das Pferd der Hand nach vorne folgt).
Wenn, dann erfolgt das Ganze so, dass die Hand ausschließlich aufwärts wirkt (und weder rückwärts noch vorwärts). Das verbessert quasi von vorne die Haltung.

Man kann aber (typisch deutsche Schule) mit Hand und Sitz gezielt auf die Beugung der Hinterbeine wirken, und das erfolgt mit den Paraden.

Im Grunde genommen beschreibt TR das Vorgehen aus deutscher Sicht von hinten nach vorne: durch die stärkere Verlagerung des Gleichgewichts nach hinten beugen sich die Hanken. Als Ergebnis hebt sich der Widerrist.
Baucher arbeitet anders herum, für ihn ist das Beugen der Hanken das Ergebnis, das aus dem Anheben des Widerrists mit der Hand geschieht.
Beide Schulen erreichen das gleiche Ziel, nur der Weg dorthin ist anders.
Viele Grüße
Sabine
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knowi
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Beitrag von knowi »

Also, ich versuch's mal... Tut mir Leid, ich fange bei Adam und Eva an, aber so kann ich vielleicht auf den Punkt bringen was ich meine ;)

Ich habe folgenden Ablauf zum Anheben der Hände gelernt und auch so beibehalten: Bevor ich die Hand anhebe, drehe ich die Hand so, dass die Fingernägel etwa nach oben zeigen. Das bringt die Ellenbogen an den Körper und das Brustbein nach vorwärts-aufwärts und sorgt schonmal für einen stabilen Oberkörper. Gleichzeitig ist das eine weiche Einleitung der Hilfe. Wenn ich die Hände dann anhebe ist die Bewegung ähnlich, als ob ich jemandem einen Kinnhaken verpassen würde. Das heißt die Linie zwischen Hand und Arm bleibt bestehen, ohne dass es einen Knick gibt, was für Stabilität und ein klares Signal sorgt. Abknicken des Handgelenks wäre quasi schon fast ein Nachgeben - was ich ja in dem Moment nicht möchte, daher also vermeide. Ja und dann geht die Hand eben während sie aufsteigt, wie bei einem Kinnhaken ganz leicht nach vorne - ich schrieb ja tendentiell. Es führt also nicht zu einem Nachgeben, aber die Richtung, in die das arrêt wirkt, ist ein bisschen anders - also eben nicht rückwärtig. (Dabei gilt i.d.R.: Je höher die Hand, desto weiter vor) Das ist vielleicht wirklich Haarspalterei - was Du im letzten Post schreibst, würde ich zum Beispiel eher stehen lassen:
Wenn, dann erfolgt das Ganze so, dass die Hand ausschließlich aufwärts wirkt (und weder rückwärts noch vorwärts)
Aber "rückwärts" im Sinne von wirklich rückwärts stört mich eben. Denn wie beschrieben möchte ich ja auch in der Aufrichtung, dass das Pferd ans Gebiss herantritt, dass die Bewegung nach vorne kann (übrigens würde ich doch durch ein Rückwärts auch u.U. die Hinterbeine blockieren, oder nicht?), und ich eben zum gewünschten Spannungsbogen komme.
:kopfkratz: Verstehst Du, was ich meine? Rückwärts birgt für mich die Gefahr eben genau das eher zu hemmen.

Und zum sonstigen Rückwärts muss ich eben nochmal nachdenken. Eigentlich würde ich Mary nämlich zustimmen: Rückwärts is' nicht. Die Hand steht am Platz, gibt nach oder wirkt nach oben, wirkt aber niemals rückwärts ein.

...ja, aber dann sitzen wir eben tatsächlich hinter dem Kopf... :roll: hmm...

Ich habe mal versucht das mit Paint zu zeichnen. Und da sieht man wenigstens das: Bei gleichbleibender Zügellänge macht es zum mindest einen unterschied ob die Tendenz nach vorne oder nach rückwärts geht. Bei Grün würde ich doch mehr Zug nach rückwärts auf das Maul bringen als bei blau und orange... Und mir geht es dabei tatsächlich erstmal darum wie das wirkt und nicht was es bewirkt (im Zusammenhang mit dem Galoppbeispiel) - denn aus Pferdemaulsicht bleibt ein Rückwärts ja auch ein Rückwärts.

:| Keine Ahnung ob ich mit meinem Beitrag überhaupt etwas konstruktives beigetragen habe ;) Beim durchlesen wirkt es doch ein bisschen wirr... *zugeb* Du meinst wahrscheinlich mit rückwärts gar nicht, was ich bei rückwärts denke, kann das sein?

Liebe Grüße!
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Max, ich stimme zu, daß das vermehrte Schließen der Hand eine rückwärtswirkende Hilfe ist- wenn auch im sehr kleinen und feinen Bereich.

Noch mehr das Eindrehen der Handgelenke, welches ja auch in den FN-RL aufgeführt wird, ist eine rückwärtsgerichtete Hilfe. Daher ist auch hier der Vorwärtsimpuls sehr wichtig, um das Vorwärts nicht über diese Einwirkung negativ zu beeinträchtigen und daher passiert hier auch ganz schnell der Fehler, daß die Hilfen gegeneinander wirken und für das Pferd mißverständlich sind. Und das bekommt schnell den Charakter von mit angezogener Handbremse fahren und damit wird das Pferd dann auf den Kopf geritten.

Der Demi-Arrêt dagegen, und da bin ich ganz bei knowi und Mary, hat korrekt ausgeführt diese Rückwärtstendenz nicht. Die Wirkung geht wirklich NUR nach oben . In dem Moment, in dem das Vorwärt eingeschränkt wird, ist es nicht mehr korrekt ausgeführt.
Der Demi-Arrêt kanalisiert die Aktivität nur, er begrenzt sie nicht. UND er ist wirklich eine isolierte Zügelhilfe, die zwar auch kombiniert werden KANN; aber nicht MUSS.
Die Reduzierung der Aktivität geschieht im Grunde wirklich aus dem Sitz. Der Reiter nimmt sich zurück und damit das Pferd.

Trotzdem, und das habe ich weiter vorne auszudrücken versucht, gibt es einen Unterschied zwischen einer Bewegung nach hinten ( Rückwärtsbewegung) und einer RückwärtsWIRKUNG. :

Wenn das Pferd z.B. den Kopf selbst nach oben bewegt ( und damit "nach hinten" bzw. näher zum Reiter hin), muß ich als Reiter meine Hand MIT nach hinten bewegen, um einen steten Kontakt weiter erhalten / bieten zu können. Trotzdem, ist des wegen keine Rückwärtswirkung an diese Rückwärtsbewegung gekoppelt.

Lasse ich dagegen die Hand stehen, obwohl das Pferd aber den Kopf nach vorne bewegen möchte, so habe ich eine Rückwärtswirkung ( eine bremsende, die Bewegung des Pferdes hemmende) ohne eine Rückwärtsbewegung.

"Klar soweit ?!", würde hier Jack Sparrow sagen - ähm sorry : Captain Jack Sparrow. :lol:

Hier würde mich interessieren, ob Herr Ritter die Bewegung oder auch die Wirkung meint.....
Zuletzt geändert von saltandpepper am Sa, 01. Jan 2011 23:12, insgesamt 2-mal geändert.
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chica
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Beitrag von chica »

Fragt ihn doch selbst oder ladet ihn per PN hier in diesen Thread ein - er ist unter seinem Namen als User angemeldet ;)
LG Ines
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ist bereits erledigt Chica 8)
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Das, was TR beschreibt, ist nach meinem Verständnis ganz typisch das gezielte Einwirken auf einzelne Pferdebeine durch "deutsche" Paraden. Das hat mit dem Anheben des Widerrist als solches nur insoweit zu tun, dass das eines der erreichten Effekte durch die Paraden ist.

Halbe und ganze Paraden sind ein komplexes Zusammenspiel der Hilfen von Hand, Sitz und Beinen. Ich denke, wir sollten diesen Begriff, wie er in der deutschen Reiterei verwendet wird, einmal deutlicher klären, denn sonst reden wir ewig aneinander vorbei. Eine Parade ist nicht vollständig mit einem Arret gleichzusetzen.

Halbe Paraden dienen zur Vorbereitung/Ankündigung einer Lektion, zur Haltungsverbesserung, zur Aktivierung des Hinterbeins zum verstärkten Untertreten unter den Schwerpunkt, zum Wechsel in eine (niedrigere) Gangart, zum Versammeln, zum Zurückholen nach Verstärkungen und auch zum Beugen der Hanken, wobei man gezielt auf jeweils ein Hinterbein einwirkt.

Klassisch-deutsch treiben die Beine das Pferd in die festgestellte Hand, unterstützt vom Sitz (Kreuzhilfe). Das Pferd holt sich so die Parade quasi selbst ab. Danach wird sofort nachgegeben.

Ich reite halbe Paraden bei meinen eigenen Pferden immer über den Sitz (Kreuzhilfe), manchmal in Verbindung mit einem kleinen Impuls an einem Zügel (meistens dem äußeren). Nur ganz selten geben die Beine einen kleinen Impuls mit, dann, wenn der Sitz die Hinterbeine nicht ausreichend unter den Schwerpunkt bringen kann. Idealerweise trenne ich (hier bin ich sehr französisch!) dabei die Einwirkung von Händen und Beinen. Z. B. eine Rückführung aus der Trabverstärkung würde ich (sofern ich sie nicht ausschließlich über das Kreuz reiten kann) nacheinander wie folgt reiten:
1. Impuls mit der Hand und dem Sitz zum aufmerksam machen, ggf. erneut beim nächsten Tritt
2. Impuls mit dem Bein, danach sofort
3. Feststellen der äußeren Hand ("durchhaltende Zügelhilfe") oder Schließen der äußeren Faust bei gleichzeitiger Kreuzhilfe (größer machen, Anspannen von Rücken- und Bauchmuskulatur, ggf. Druck mit dem Oberschenkel/Knie an den Sattel).
4. Sobald die Reaktion des Pferdes erfolgt ist, nachgeben
5. falls notwendig, nochmals leichter Impuls mit dem Bein zum Nachtreiben und zur Haltungsverbesserung.
Normalerweise sollte die Rückführung in dieser Form geschmeidig und auf der HH erfolgen. Wichtig ist dabei das Timing, das richtige Gefühl für den Moment im Bewegungsablauf, in dem die Parade am meisten nützt. In der Schwebephase im Trab nützt sie nichts, dafür jedoch im Moment der Zweibeinstütze. Im Galopp nützt sie nichts, wenn sie in der Phase, wo sich nur ein Vorderbein auf dem Boden befindet, gegeben wird, usw.

Die Abstufungen der Hilfen sind dabei so fein zu variieren, dass man je nach Intensität der Hilfengebung sehr gut zwischen halben Paraden zur Vorbereitung auf eine Lektion, zur Haltungsverbesserung oder Erreichen von mehr Kadenz, zum Versammeln, zum Rückführen nach einer Verstärkung, zum Übergang in eine niedrigere Gangart, etc. unterscheiden kann.

Die ganze Parade (z. B. Trab-Halten) reite ich (meistens) wie folgt:
1. 1-2 Tritte vor der Parade vorbereiten durch halbe Paraden (im Rhythmus mit den Trabtritten geritten, also Impuls - nachgeben - Impuls - nachgeben),
2. danach Kreuzhilfe (größer machen, dabei tiefer einsitzen) und durchhaltende Hand an beiden Zügeln, ggf. Faust in der Parade fester schließen.
3. Sobald die Reaktion erfolgt ist, Ablassen von den Hilfen, ruhiger Sitz und Schenkel, weich nachgebende Hand, Pferd ruhig stehen lassen (aber trotzdem so "wach", dass es sofort wieder antreten könnte).
Normalerweise wird diese ganze Parade auf der HH erfolgen - wenn sie richtig ausgeführt wurde. Das Halten wird nur dann gerade erfolgen und das Pferd gleichmäßig auf allen 4 Beinen stehen, wenn das Gleichgewicht des Pferdes bereits in der Vorbereitung auf die ganze Parade richtig war.

Ich habe mal ein Pferd gekannt (ein englisches Vollblut, das vor seiner Reitpferdkarriere Hindernisrennen gegangen ist), das jeden Reiter, der beim parieren mit den Zügeln einwirkte, durch einen Ruck aus dem Sattel gezogen hat - da hat schon so manch erfahrener Reiter auf dem Hals gelegen :lol: . Andere Pferde parieren zwar durch, geben einem aber sofort im Anschluss einen "Ruck" mit, wenn man nicht schnell genug nachgibt. Das sind die perfekten Lehrpferde! :wink:

Paraden sind ein sehr komplexes Thema, denn sie bilden das Herzstück der klassischen deutschen Reiterei. Sie sind keineswegs mit den "zackigen" Paraden zur Grußaufstellung auf der Mittellinie, die man im Sport so oft sieht, gleichzusetzen. Im Sport sieht man oft nur schlechte Karikaturen einer guten Parade. Für die schönen Paraden im Sport bitte Klimke und Ahlerich anschauen! Und sie erfolgen auch nicht ständig, sondern nur dann, wenn man etwas vorbereitet oder verändern will. Auch das wird leider heutzutage oft dadurch karikiert, dass ständig gezoppelt und geklopft und "sportlich geritten" wird.

Und bitte um Nachsicht, wenn meine Beschreibung Lücken oder Unklarheiten haben sollte - ich bin kein Profi, und ich finde es sehr schwer, das, was ich oft nur sehr instinktiv mache, in Worte zu fassen. :oops:
Viele Grüße
Sabine
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