DIE GESCHICHTE DES DAMENSATTEL-REITENS

Rund ums Thema Pferd und die klassische Reitkunst

Moderator: Josatianma

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chica
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DIE GESCHICHTE DES DAMENSATTEL-REITENS

Beitrag von chica »

Das Reiten im Seitsitz dürfte so alt sein wie die Geschichte des Reitens selber. In den Anfängen der Reiterei gab es Sitzkissen, die für Mann und Frau, je nach persönlichem Geschmack und Zweck, seit- oder rittlings benutzt wurden. Mit den ersten Sätteln verhielt es sich ähnlich. Sie waren vielfach nutzbar. Dennoch ist verbürgt, dass sich schon früh, vornehme Römerinnen seitlich zu Pferd sitzend fortbewegten und Darstellungen aus der Karolingerzeit zeigen Epona, die keltische Göttin der Pferde, ebenfall im Seitsitz.

Belege für den Damensitz tauchen in den Quellen des Mittelalters, wie den Canterbury Tales oder den Trés Riches Heures auf. Dort sind es ebenfalls die ranghöchsten Damen, die im Seitsitz reiten. Oft werden die Damen des Gefolges im Herrensitz dargestellt.

Fest steht, dass bis in die Neuzeit Frauen sowohl im Herren- als auch im Damensitz ritten. Es waren Bauersfrauen, die auf Sitzkissen oder einfachsten Sätteln, seitlich sitzend, zum Markt ritten, oder Fürstinnen die sich von edlen Zeltern zur Falkenjagd tragen ließen. Die Sättel des Mittelalters boten jedoch insgesamt sehr wenig Halt, was bedeutete, dass der brave Esel der Bäuerin, oder aber das wohl ausgebildete und sehr kostbare Ross der Fürstin sich dafür eigneten. Diejenigen, die entweder nicht reich und wichtig, oder aber nicht bäuerlich genug waren, um ein entsprechendes Reittier zur Verfügung zu haben, die ritten eben wie ein Mann.

Mit zunehmender Verbesserung des Damensattels, also mit Einführung des Gabelsattels im 16. Jahrhundert, und zeitgleicher Zunahme des Einflusses der katholischen Kirche, die Frauen in Hosen verurteilte, ergab es sich, dass das Reiten im Seitsitz immer populärer wurde.

Interessanterweise beginnt bald darauf die Geschichte der klassischen Reiterei. Und nicht wenige der klassischen Reitmeister waren von den zeitgenössischen Damensätteln so wenig überzeugt, dass sie den Damen das Reiten im Herrensitz empfahlen, was die sportlichsten auch taten.

Da nach dem anfänglichen Schock der französischen Revolution (1789) die Bourgeoisie jedoch nichts besseres zu tun hatte als es dem Adel gleichzutun, verstärkte sich der Trend zum Damensattel erneut. Es gibt Berichte, dass es, besonders in England, auch Reiterinnen gab, die es fertig brachten im Gabelsattel schnelle Jagden zu reiten. Die zunehmende Verbreitung des Reitens im Damensattel veranlasste hervorragende Ausbilder ihrer Zeit zu Verbesserungen der nach wie vor, für die Reiterin, sehr unsicheren Konstruktionen!

Jedoch erst in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde in Frankreich die entscheidende Erfindung des unteren Sattelhornes gemacht. Dieses Horn festigte den Sitz der Reiterin ganz entscheidend. Es folgte für die nächsten hundert Jahre die Blütezeit der Amazonen. Die Mischung von graziler Eleganz und mutiger Reitkunst inspirierte Künstler und verzauberte den Betrachter. Während noch im ausgehenden 19. Jahrhundert das Bild auf den Reit-Promenaden der Metropolen durch Damen in opulenten, modischen Reitkleidern zu Pferd, geprägt wurde, kam es zu Beginn des 20 Jahrhundert zu einem Besinnen auf die klassische Reitkunst. Die Garderobe wurde schlicht, nichts lenkte mehr ab vom fein ausgebildeten, an unsichtbaren Hilfen vorgestellten Pferd. Auf allen großen Turnieren gab es Damensattelklassen und erst der zweite Weltkrieg brachte diesen Trend zum erliegen.

Danach wurde es still um die Damensattel-Reiterinnen. Nachdem in den späten 60er und frühen 70er Jahren kaum noch Sattler mit dem nötigen Know-how, kaum noch Ausbilder und auch kaum noch Sättel aufzutreiben waren, gründeten die wenigen verbliebenen Enthusiastinnen die ersten Vereine wie die Side Saddle Association (GB 1974), mit ihren heute 1200 Mitgliedern. Andere Länder folgten. Seit 1997 gibt es den deutschen Verein Reiten im Damensattel e.V. Alle diese Vereine bieten Ihren Mitgliedern Hilfe, Kontakte, Informationen, Ausbildung und organisierte Turniere.

Das größte reine Damensattel-Turnier ist die National Show der SSA, die jährlich im August in Großbritannien abgehalten wird, gefolgt vom Concours International Amazone in Lion d´Angers, Frankreich (Juni). Es gibt weitere Veranstaltungen in Holland, Österreich, Polen, Ungarn und natürlich in allen Teilen der Bundesrepublik.

Und wer einmal erlebt hat, wie sich ein Turnierplatz mit 180 Damensattel-Reiterinnen füllt, die im Parcours, auf der Geländestrecke, in der Dressur und in den wunderschön anzuschauenden Kostümklassen gegeneinander antreten, der weiß dass die Zukunft des Damensattels gerade erst begonnen hat.

Verfasserin: Sefton
LG Ines
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"Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart."
(Noël Pierce Coward)
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