Sadko G. Solinski: Reiter, Reiten, Reiterei

Hier werden von uns neue Fachbücher vorgestellt

Moderator: Josatianma

Antworten
Benutzeravatar
Josatianma
Admin
Beiträge: 12317
Registriert: Di, 19. Sep 2006 20:50
Wohnort: Reichshof

Sadko G. Solinski: Reiter, Reiten, Reiterei

Beitrag von Josatianma »

Sadko G. Solinski: Reiter, Reiten, Reiterei. Die Grundlagen pferdegemässen Reitens

ISBN-Nummer: 3-487-08248-9
Verlag: Georg Olms AG
Preis:
Seitenzahl: 290
Auflage: 1
Format: gebunden
Kategorie: Reiten, Geschichte der Reiterei
Jahr: 1983

Klappentext: S. G. Solinski hat in diesem Buch alles zusammengetragen, was bis heute über die Geschichte, die Motivationen und Ziele und über die Höhepunkte des ernsthaften Freizeitreitens seit seinen Anfängen im 15. Jahrhundert in Portugal darüber bekannt ist. Er schildert und verdeutlicht, wie das „Reiten zum Wohl des Pferdes“ sich selber seit Jahrhunderten immer wieder von der „zweckgebundenen“ Reiterei abgegrenzt und unterschieden hat.
Zu einem Überraschungseffekt dieses Buches wird so die Entdeckung nicht weniger Sportreiter, dass sie in Wirklichkeit des „Freizeitreitern“, und die mancher Kleinpferdereiter, dass sie in Wirklichkeit „Sankt Georgs Reiterei“ zuzuzählen sind.

Rezensionstext: Ich trat ohne irgendwelche konkreten Erwartungen und praktisch ohne Vorkenntnisse über Solinki und seine Art des Reitens und der Pferdeausbildung an dieses Buch heran. Aufgrund seines Titels erwartete ich eine Reitlehre, die mich überblicksmässig mit der Lehre von Solinski vertraut machen würde. Ich muss sagen, dass diese Erwartung bei Weitem übertroffen wurde. Das Buch ist überhaupt keine Reitlehre, sondern eher eine historische Darstellung der Reiterei, wie sie sich zu dem entwickelt hat, was Solinski unter „zeitgenössischem Freizeitreiten“ versteht. Anleitung zu einzelnen Lektionen oder Lösungen für bestimmte Probleme wird man in Solinkis Text vergeblich suchen – dafür aber seine Vorstellungen über pferdegemässes Reiten, Pferdehaltung und den Umgang mit den Tieren sowie vor allem eine sehr fundierte Reitereigeschichte vorfinden, die ich mit Ausnahme des letzten Kapitels mit äusserster Spannung und grosser Begeisterung gelesen habe.

Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Holger Preuschoft, das nach dem Inhaltsverzeichnis eine weitere detaillierte Inhaltsangabe von Solinskis eigenem Text darstellt. Gleichzeitig erhalten wir eine subjektive Einschätzung des folgenden Textes, was mich persönlich, die ich wie gesagt ohne irgendwelche Vorkenntnisse über Solinski an das Buch herantrat, zusätzlich reizte, weiter zu lesen und mir abschliessend ein eigenes Urteil zu bilden.
Solinskis Text ist in drei Teile gegliedert, die – wie es gemäss dem Buchtitel ja nicht anders zu erwarten war – die Überschriften „Reiter“, „Reiten“ und „Reiterei“ tragen. Im ersten Teil wird die Geschichte des frei lebenden Steppentieres Pferd über dessen erste Kontakte mit dem Menschen als Beutetier, später als domestiziertes Haus- und Reittier, dank dem alle kulturtechnologischen Leistungen der Menschheit vollbracht wurden, bis hin zu Guérinière, dem grossen Reitmeister des 18. Jahrhunderts, geschildert. Im zweiten Teil geht es dann um das Reiten als solches: wie Guérinières Ideen umgesetzt und weiter entwickelt wurden und wie pferdegemässes Reiten gemäss Solinski auszusehen habe, denn „pferdegemässes Reiten vollendet, was die Natur, wegen der Zucht und Haltung des Pferdes als Haustier, nicht selber erreichen konnte.“ (S. 123) Gemäss Solinski ist ein solches Reiten nicht dasselbe wie die „Reiterei“, über die er im letzten Teil berichtet, denn die „Reiterei“ ist in seinen Augen immer zweckgebunden, während „Reiten“ als solches reine Kunst sein soll. Um diesen Unterschied deutlich zu machen wird in diesem letzten Kapitel auch der Bogen geschlagen von den ersten berittenen Kriegern bei den Griechen und Iberern über die mittelalterlichen Ritter sowie die Cowboys, Vaqueros und Guardians bis zur Militärreiterei und zur heutigen Sportreiterei. So wird in dem Buch eigentlich ein sehr klarer Überblick geschaffen über die Geschichte der Beschäftigung des Menschen mit dem Pferd und insbesondere die reiterliche Nutzung des Pferdes.

Die Darstellung der einzelnen Personen resp. Völkergruppen sind keineswegs wertfrei gehalten, sondern Solinski nimmt klar Stellung dazu, was seines Erachtens nach von Bedeutung war und wo Ideen in eine Sackgasse verliefen. Relativ schnell stellt sich heraus, dass für Solinski der Stierkampf ein entscheidender (wenn nicht sogar der entscheidende Faktor) zur Entwicklung der Reitkunst war: nicht nur, dass dem Stierkampf symbolisch-religiöse Bedeutung beigemessen werden kann, sondern auch, dass er es den Iberern und später auch den Guardians ermöglichte, ihre Pferde problemlos und praktisch ohne Einwirkung durch den Reiter zu gymnastizieren. Gemäss Solinski machte es überhaupt erst die Nutzung des Pferdes ausserhalb der Kampfarena nötig, die Pferde systematisch durch das Reiten von Lektionen zu gymnastizieren. Aus diesem Grund zieht sich diese Idee der Bedeutung des Stierkampfes wie ein roter Faden durch das ganze Buch.
In der Entwicklung der tiergemässen Pferdeausbildung sieht Solinski den vielversprechenden Anfang bei Pluvinel und deren absolut geniale Vervollkommnung schliesslich bei Guérinière. Guérinière ist für Solinski aber insbesondere auch für durch die Entwicklung seines Reitersitzes wichtig, den zu beherrschen und auszuführen der Autor für den Freizeitreiter für absolut erstrebenswert wenn nicht gar absolut notwendig hält. Doch was versteht Solinski überhaupt unter „Freizeitreiter“? – Leider wird sein Verständnis des Wortes nirgends explizit erklärt. Es stellt sich aber relativ bald heraus, dass das, was Solinski grundsätzlich als „Reiten“ bezeichnet, für ihn gleichbedeutend ist mit „Freizeitreiten“: die sinnvolle, einfühlsame und doch absolut kompromisslose Gymnastizierung des Pferdes. Nach diesem Verständnis sei Pluvinel der erste Freizeitreiter der Geschichte gewesen und Guérinière der bedeutendste. Was den Freizeitreiter zusätzlich zu dieser inneren Einstellung zum Reiten auch noch auszeichnet – und dies bis heute - so schreibt Solinski weiter, sei, dass praktisch alle Freizeitreiter kompakten Quadratpferde ritten, die dem ursprünglichen Gebrauchspferd sehr nahe seien und sich für die Gymnastizierung besonders eigneten. Im Gegensatz dazu sieht er „durchgezüchtete“ Pferde wie Voll- und Warmblüter, die schon rein von ihrem Körperbau her zu stark auf der Vorhand lägen und sich somit nicht zum ernsthaften Gymnastizieren eigneten. Nur in den Lenden kurze Pferde seinen überhaupt fähig, sich in den Hanken zu beugen und somit reell geritten zu werden. Für mich stellte sich durch diese Klassifizierung die Frage, ob denn jeder Reiter auf einem Rechteckpferd gemäss Solinski automatisch ein Sport, Berufs- oder Militärreiter (dies seine anderen Gruppenbezeichnungen) sein müsse, aber aufgrund auch hier fehlender Definitionen blieben solche Fragen leider offen, was mich am Text gestört hat. Ein weiteres Problem für mich war, wie ich eingangs schon erwähnt hatte, der Schluss des Textes. Auf den letzten rund zehn Seiten stellt Solinski Kriterien zusammen, wie ein Reiter sein Pferd zu halten, zu umsorgen und zu reiten habe. Das Ganze ist für mich eindeutig zu gegenwartspessimistisch und auch beinahe mit einer Sektenhaftigkeit betrieben vorgestellt. Da ich das ganze Buch mit grossem Interesse und viel Freude gelesen hatte, machte mich dieser in meinen Augen so unpassende Schluss beinahe wütend, da er das sonst so positive Bild ins Wanken gebracht hat. Doch ausser dieses Schlusskapitel kann ich das Buch aber wirklich jedem, der einen Einblick in die Geschichte des Reitens bekommen will, nur wärmstens empfehlen. Wer in diesem Bereich schon ein bisschen bewandert ist bzw. die Originaltexte der einzelnen herausragenden Figuren in der Reiterei schon kennt, der wird wohl einiges über Solinski selber erfahren, indem seine Haltung zu und die Gewichtung der einzelnen Personen relativ deutlich heraus kommt. Die Darstellung der einzelnen Gestalten wird für ihn aber wohl nicht sehr spannend sei, da ein Grossteil der Beschreibung auf Zitaten beruht, der ein bereits informierter Leser dann ja schon aus dem Original kennt. Als historisches Übersichtsbuch fand ich Solinskis Text aber wirklich gigantisch.

Verfasserin der Rezension: bea
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
Benutzeravatar
stromboli20
User
Beiträge: 618
Registriert: Mi, 27. Sep 2006 19:47
Wohnort: Deutschland

Beitrag von stromboli20 »

Ein tolles Buch - kann ich nur jedem empfehlen
Antworten