David de Wispelaere 20./21.03.2010

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Josatianma
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David de Wispelaere 20./21.03.2010

Beitrag von Josatianma »

Am letzten Februar-Wochenende fuhr ich zusammen mit "Colloid" zu "Jen" in die Schweiz, um zwei Tage bei einem Dressurlehrgang von David de Wispelaere zuzuschauen. Der Unterricht gefiel mir ausnahmslos gut, weshalb ich ziemlich erfreut war, von David zu hören, dass er regelmäßig auch in den Raum Karlsruhe kommt - hätten wir das nur mal früher gewusst...

Nachdem ich mir die Finger wundtelefoniert hatte, um herauszubekommen, wo denn diese Kurse mit ihm hier vor meiner Haustür stattfinden, bekam ich sogar zur Auskunft, dass vermutlich ein Pferd ausfalle und ich einspringen könne. Gesagt, getan.

Kurse bei DdW sind so eingeteilt, dass an zwei Tagen acht Reiter teilnehmen können und jeder täglich eine Einheit von 45 Minuten hat.

Am 20.03.2010 spätvormittags fuhr mich mein Mann also mit Amor zusammen zum Christianshof nach Malsch bei Karlsruhe. Eigentlich hatte ich einen Aussiedlerhof erwartet und war überrascht, eine schicke, kleine, feine Reitanlage vorzufinden. Mein Selbstbewusstsein verließ mich ein wenig, denn ich beglückwünschte mich zu meiner Entscheidung, trotz zu erwartendem Rodeo anstatt meinem Westernsattel den neuen Barocksattel mitgebracht zu haben. So passten wir wenigstens optisch als einziges Pony-Reiter-Paar ein wenig eher zu den riesenhaften, von mit blitzblank geputzten Lederreitstiefeln versehenen Reitern gerittenen Warmblütern. Amor wurde in die für ihn bereits gerichtete Innenbox gebracht und mein Mann und ich entschieden uns zur Feier des Tages nochmals Essen zu gehen, da gerade ohnehin Mittagspause war.

Um 14.30 Uhr war es dann soweit. Ich hatte Amor auf dem Außenplatz ein wenig warmgeritten und ritt mit ihm timinggenau in die zwischenzeitlich leere Reithalle - nachdem er ja immer gerne motzig wird, wenn er von anderen Pferden zur Arbeit mit mir alleine gelassen wird und hierbei auch gerne ausgiebig buckelt. So nicht heute. Wohl ob der erstmals frühlingshaften Temperaturen war mein Pony äußerst milde gestimmt. Überraschenderweise hatte er bereits auf dem Außenplatz deutlich mit Kauen angefangen und gab immer wieder schön im Genick nach.

David kam gleich auf mich zu und sagte: "Du warst in Zürich." worauf ich antwortete, dass ich mal sehen wollte, ob ich beim Reiten genauso viel mitnehmen könne wie beim Zuhören. Er hörte sich zuerst unsere Geschichte vom Geländepony mit durch mich vermurkstem Stahl-Maul an, das ungern nachgibt und anlässlich Lehrgängen gerne buckelnd durch die Halle rennt. Außerdem gab ich zu bedenken, dass ich wegen einer größeren OP im Januar nicht sonderlich fit bin, was auch für Amor galt, der seither mehr oder weniger nur rumstand und Gymnastik ziemlich nötig hatte.

Wir sollten zunächst mit Schritt-Halt-Übergängen anfangen und schließlich antraben. Auch hier überraschte mich Amor mit bereitwilliger Mitarbeit, wenn auch nicht sonderlich motiviert. Er kaute und gab nach, worauf ich sofort die Zügel aus der Hand kauen lassen sollte. Amor sollte dadurch "Ein Licht am Ende des Tunnels" sehen, so David. Es folgten viele Schritt-Trab-Übergänge und immer wieder Zügel-aus-der-Hand- kauen-lassen. Schließlich gab David uns auch die Aufgaben auf, die ich schon anlässlich des Kurses in der Schweiz bei nahezu jedem Reiter beobachtet hatte: Abwenden auf der Viertellinie und Schenkelweichen in Schritt und Trab, später auch Zirkel verkleinern und wieder vergrößern. Vor allem beim Schenkelweichen sollte ich darauf achten, sofort den inneren Zügel wegzulassen, wenn Amor bereitwillig meinem Schenkel folgte. Das ist überhaupt ein Punkt, den David immer wieder betonte: Weg vom inneren Zügel. Oft kam von ihm der Satz: "Vom inneren Bein zum äußeren Zügel." Auch kam immer wieder die Aufforderung, mit der inneren Hand à la Überstreichen zu loben.

Schließlich wurden die Aufgaben immer schneller hintereinander gefordert, da David erkannte, dass Amor damit munterer wurde. Als dann der Galopp hinzukam, war Amors Batterie allerdings schon ziemlich leer. Er quietschte ein paarmal sein berühmtes Schweinchen-"Miiiehhh", was sogar dem sonst immer sehr konzentriert zuschauenden David ein breites Grinsen entlockte. Der Linksgalopp klappte nur hin und wieder, weil ich zu schluderig war, und einen ganzen Zirkel ohne auszufallen zu galoppieren, war schwierig. Also sollte ich nur ein paar Galoppsprünge reiten und selbständig durchparieren. So ging die erste Einheit zu Ende. Ich war begeistert, weil ich durch das häufige Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen und schönes V/A sehr deutlich gespürt hatte, wie sich ein schwingender Rücken anfühlt.

Amor war ziemlich k.o., durfte sich ausgiebig im Hallensand wälzen und wurde in seine Box gepackt. Ich fuhr mit einem glückseeligen Lächeln im Gesicht ebenso k.o. nach Hause und sackte aufs Sofa.

Am Sonntag waren wir wieder nachmittags dran. Es hatte vorher anhaltend geregnet, weshalb der Außenplatz teilweise etwas tief war. Ich ritt nur ein paar Runden im Schritt und kam erneut in die leere Halle. Wir intensivierten die gestrige Arbeit und ich bekam endlich ein besseres Gespür dafür, wann ich nachgeben musste. Wir sollten auch wieder Schenkelweichen in Schritt und Trab zeigen, was leider nicht mehr so gut klappte wie am Tag vorher: Ich vergaß oftmals, mein Gewicht richtig einzusetzen, und David taktete mir den Zeitpunkt des Schenkeleinsatzes vor. Dafür wurde die Galopparbeit besser: damit Amor mehr aufpaßte und fleißiger wurde, sollten wir auf einer Schlangenlinie mit drei Bögen zunächst den ersten und letzten Bogen galoppieren, in der nächsten Runde dann nur den mittleren. Das war auch für mich unheimlich anspruchsvoll, weil der Automatismus der Hilfengebung hier bei mir deutlich versagte: Ich war nicht schnell genug. Amor jedoch machte gut mit und wieherte einige Male sehr laut, was David zu der Vermutung hinriss: "Er meint wohl: Hilfe, Hilfe, was macht ihr mit mir?". Ich merkte hierbei sehr deutlich: wenn ich mich kopfmäßig wirklich anstrengte und die Galopphilfe zum Linksgalopp gut vorbereitete, klappte das auch.

Schließlich bekam ich als Tipp auf, grundsätzlich mit Amor nie die gleichen Lektionen mehrmals hintereinander zu reiten, sondern immer nur einmal und ständig neue Variationen zu bringen - alles andere ist ihm wohl zu langweilig. Daß dieses Konzept aufging, sah man vor allem in der Reiteinheit am Sonntag. Jedoch muss hier vor allem ich an meiner Hilfengebung arbeiten, die durch die schnellen Wechsel oftmals zu schludrig kam.

Dass mein eigentlich anvisiertes Problem bezüglich Kauen und Nachgeben im Genick in den Hintergrund getreten war, überraschte mich. Dafür hatte ich aber ein paar Mal deutlich gespürt, wie es sich denn nun anfühlt, wenn mein Pony sich vorne abstößt und dann auch im schönsten V/A mit dem Rücken schwingt.

David entpuppte sich als sehr konzentrierter Reitlehrer, der sehr genau aufs Pferd achtet und ohne viele Worte Pferd und Reiter in kleinen Schritten zur Lösung bringt. Zwar hätte ich mir hin und wieder ein paar Erklärungen mit Hintergrundinfos mehr gewünscht, allerdings hatte ich auch nicht nachgefragt.

Die beiden Reitstunden waren für Amor und mich ein schöner Einstieg nach langer Pause in die Arbeit für 2010. David kommt alle zwei Monate auf den Christianshof. Sofern dort wieder ein Platz der Standardreiter durch Krankheit o. ä. vakant wird, sind wir wieder dabei.

AUTOR: Sylliska
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smilla
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Beitrag von smilla »

Klingt toll! Beim nächsten Mal komme ich euch zuschauen! Und irgendwann kann ich ja mal die Ponyfraktion verstärken ;).
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Ich freu mich für Dich das der Kurs so schön war! Wirklich ein guter Start ins Reitjahr.
Auch der Unterricht klingt gut abgestimmt.
minou
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Beitrag von minou »

Toller Bericht,

wär halt schön, wenn man daheim auch so konzentriert reiten würde....

Viele der beschriebenen Übungen lässt J. Vosseler auch reiten, z.B. das Schenkelweichen auf der Viertellinie.
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Indem uns das Pferd sein Vertrauen schenkt, fordert es uns zu einer disziplinierten Reitweise auf. Charles de Kunffy
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Wie genau wird das geritten? SW entlang der Viertellinie, oder von der Viertellinie zum Hufschlag zurück?
minou
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Beitrag von minou »

Bei Vosseler geht es so:
z. B. linke Hand:
an der Viertellinie abwenden, dann nach rechts schenkelweichen. Dein Pferd ist dann links gestellt und geht nach rechts. Du kannst dann bis zum Hufschlag reiten, oder nach ein paar Meter wieder geradeaus reiten.
Ist eigentlich wie Viereck verkleinern und vergrößern. Das Pferd bleibt insich gerade. Ich muß die Übung ganz langsam reiten und nur mit sehr wenig seitwärts. Das verbessert erheblich die Balance.
Ich stell mir immer vor, daß von meinem Nabel aus eine Schnur bis zum Zielpunkt gespannt ist, an der ich entlang reite.

Wie wird das bei DdW geritten?
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

minou hat geschrieben:Bei Vosseler geht es so:
z. B. linke Hand:
an der Viertellinie abwenden, dann nach rechts schenkelweichen. Dein Pferd ist dann links gestellt und geht nach rechts. Du kannst dann bis zum Hufschlag reiten, oder nach ein paar Meter wieder geradeaus reiten.
Ist eigentlich wie Viereck verkleinern und vergrößern. Das Pferd bleibt insich gerade. Ich muß die Übung ganz langsam reiten und nur mit sehr wenig seitwärts. Das verbessert erheblich die Balance.
Ich stell mir immer vor, daß von meinem Nabel aus eine Schnur bis zum Zielpunkt gespannt ist, an der ich entlang reite.

Wie wird das bei DdW geritten?
Genau so. :wink:
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Danke, so ähnlich habe ich mir das vorgestellt. Eigentlich eine schöne schlichte Übung mit viel Wirkung. *hinterdieOhrenschreibe*
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

susiesonja hat geschrieben:Danke, so ähnlich habe ich mir das vorgestellt. Eigentlich eine schöne schlichte Übung mit viel Wirkung. *hinterdieOhrenschreibe*
Das hab ich mir auch gedacht. Das ist überhaupt bei vielen Sachen so: so schlicht, mit großer Wirkung. Leider habe ich selbst das noch überhaupt gar nicht drauf, dies in Wechselbeziehung zu meinen reiterlichen Problemen zu setzen. Will heißen: ich kann in genau DER Situation noch nicht genau sagen, WELCHE Übung nun das richtige wäre. *soifzt*
lg, Tanja

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