Der Longenkurs - Ein Praxisbericht

Rund ums Thema Pferd und die klassische Reitkunst

Moderator: Josatianma

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Josatianma
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Der Longenkurs - Ein Praxisbericht

Beitrag von Josatianma »

Wie lerne ich Longieren am Kappzaum oder Der Longenkurs - ein Praxisbericht

Schon beim Anschauen der DVD "Akademische Reitkunst - Bodenarbeit, Anlongieren, Einreiten" von Bent Branderup fasziniert mich das Longieren am Kappzaum. Auf der DVD sieht es auch wundervoll einfach aus, doch leider ist es in der Praxis nicht ganz so leicht umzusetzen.

Als ich nach dem Sommer den Haflinger Silverboy meines Sohnes anschaue, stelle ich fest, dass es Zeit wird, dass ich mich wieder intensiver mit um ihn kümmere. Leider ist die Rückenmuskulatur, die schon beim Kauf nicht die Beste war, nicht mehr geworden. Er wurde den Sommer über von meinem Sohn und einer Reitbeteiligung geritten. Beide stehen noch recht am Anfang ihrer reiterlichen Karriere. Da höre ich von dem Longenkurs von Babette Teschen und Tania Konnerth. Schnell erhalte ich mein Exemplar und beginne sofort mit dem Lesen. Da ich alle notwendigen Materialien, wie Kappzaum, Longe, Peitsche und nicht zu vergessen ein Pferd habe, beginne ich direkt am nächsten Tag.

Doch bevor ich mit dem Bericht beginne, möchte ich uns kurz vorstellen. Silver ist ein 6-jähriger Haflinger, der, wie schon geschrieben, seit etwa einem Jahr in unserem Besitz ist. In diesem einen Jahr bei uns hat er schon einiges gelernt und zeichnet sich durch seine schnelle Lernfähigkeit aus - wenn die Bestechung mit Keksen ausreicht. Ich selber reite intensiv seit ca. 20 Jahren und habe in dieser Zeit die Möglichkeit genutzt, mich bei unterschiedlichsten Trainern fortzubilden. Seit ca. neun Jahren ist mein Friese Pico in meinem Besitz, mit dem ich die Wege der klassischen Reitkunst beschreite bzw. hoffe, dass aus dem Handwerk irgendwann Kunst wird.

Silver wird also mit der Serreta bestückt und wir marschieren in die Halle. Los geht es mit dem "Führen in Stellung": hierbei wird der Pferdekopf etwas nach innen gezupft und Silver soll nun in der Haltung losmarschieren. Die erste Arbeit beginnt mit der Hand direkt am Kappzaum, erst nach und nach wird der Abstand zwischen Pferd und Longenführer vergrößert. Entgegen der Empfehlung des Longenkurses, am Anfang auf einem abgesteckten Terrain zu beginnen, fange ich frei in der Halle an, was auch recht gut funktioniert. Da Silver bereits die Arbeit an der Hand kennen gelernt hat, bietet er mir direkt das "Übertreten" an. Das Übertreten wird im Longenkurs mit einem vermehrten Untertreten des inneren Hinterbeines in Richtung des äußeren Vorderbeines definiert. Jetzt muss ich noch drauf achten, dass Silver mir nicht auf die innere Schulter fällt bzw. mich auch nicht über den Haufen rennt. Ich habe eine normal lange Longe genommen und weiß nach ca. 5 Minuten, warum im Longenkurs empfohlen wird, die Longe zu kürzen. Mehrmals muss ich mich neu sortieren. Auch der direkte Einsatz der Bogenpeitsche wird recht zügig abgebrochen und die Bogenpeitsche durch eine normale Reitgerte ersetzt. Silver stellt sich recht geschickt an. Ich versuche auch direkt in der ersten Einheit ein "Anschraten": einen sehr langsamen Trab, von dem Silver wenig hält. Der im Longenkurs genau beschriebene Einsatz der Gerte wird kurz verstärkt und er schratet.

Video

Mit einem Tag Pause (zum Sackenlassen) geht es weiter. Die Beschreibung der einzelnen Schritte im Longenkurs ist absolut klar und schlüssig und so arbeiten Silver und ich uns langsam dahin, dass wir die Longe verlängern können. Durch Fotos, die der Longenkurs enthält, habe ich ein recht klares Bild vor Auge, wie es korrekt aussehen soll. Die für Käufer in einem durch Passwort geschützten Bereich hinterlegten Videos verstärken dieses Bild noch zusätzlich. Bereits in der dritten Einheit kann ich bei Silver enorme Fortschritte feststellen. Für entstehende Probleme sind Lösungsvorschläge enthalten und außerdem stehen die Autorinnen für Fragen zur Verfügung.

In den vier Wochen, die ich mir für den ersten Test gesteckt habe, schaffe ich es bei Silver das Führen in Stellung soweit zu festigen, dass mein Sohn es mit ihm ebenfalls umsetzen kann. Das "richtige" Longieren ist auch erreicht und Silver schafft es bereits auf beiden Händen eine recht konstante Dehnungshaltung anzubieten, den Rücken zu heben und durch den ganzen Körper zu schwingen. Der Muskelaufbau ist deutlich zu sehen. Allerdings gab es auch Tage mit deutlichen Rückschlägen, wo das Gefühl entstand etwas völlig neues zu machen. Doch auch auf solche Tage wurde im Longenkurs hingewiesen. Notfalls musste ich noch einmal zum Anfang zurückkehren und mit dem "Führen in Stellung" direkt am Kappzaum beginnen.

Da das Lerntempo jedes Pferdes unterschiedlich ist und auch die Häufigkeit der Anwendung sehr individuell ist, kann der Stand nach vier Wochen sehr unterschiedlich sein. Doch der Longenkurs bietet mit seinen Beschreibungen und Bildern die Möglichkeit, das Longieren am Kappzaum zu erlernen und sein Pferd korrekt am Kappzaum zu longieren. Gerade die Details, die mir auf der DVD von Bent Branderup gefehlt haben sind hier erklärt. Auch die biomechanischen Zusammenhänge werden im Vorfeld zur praktischen Umsetzung erklärt. Die weiterführenden Übungen runden das Bild ab und halten die Trainingseinheiten von Pferd und Longenführer interessant.

Neben den Pferden von mir bot sich glücklicherweise noch die Möglichkeit, mit einem 6-jährigen Spanier zu arbeiten. Im Vergleich zu meinen beiden Pferden gestaltet sich hier die Arbeit wesentlich schwieriger. Doch auch hier gelingt es mit freundlicher Konsequenz, ihm das Prinzip recht schnell verständlich zu machen. Es zeigte mir jedoch recht deutlich wie unterschiedlich die Lerngeschwindigkeit bzw. die Fortschritte vom Pferd abhängen. Sowohl beim Haflinger als auch beim Friesen bin ich in recht kurzer Zeit dazu gekommen, den Abstand zwischen dem Pferd und mir zu vergrößern. Der PRE benötigt durch seinen schlangenartigen Hals einiges mehr an Geschicklichkeit des Longenführers. Der Longenkurs kann, wie jedes andere Buch auch, hier eine Beschreibung bieten, wie es aussehen sollte, das Umsetzen liegt nach wie vor in den Händen des Anwenders. Und hier kann ich aus den gesammelten Erfahrungen nur klar sagen: es lohnt sich dranzubleiben. Manchmal werden es kleinste Schritte sein, aber selbst diese kleinen Schritte bringen einiges. Es wird auch nicht alles von heute auf morgen klappen, sondern eben seine Zeit brauchen.

Ich werde von den Fortschritten von Silver noch mal berichten. Bis jetzt sind diese auf jeden Fall sehr positiv. Auch mein Friese, der schon am Kappzaum longiert wurde, konnte von dem Longenkurs profitieren. Ein Video von den Fortschritten wird in den nächsten Tagen nachgereicht.
Liebe Grüße, Sabine

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mariscal
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Beitrag von mariscal »

Liebe Sabine,

Dein Praxisbericht über unseren Kurs macht mich sehr Froh und auch ganz schön Stolz :oops: !
Vielen Dank für Deine Mühe und ich hoffe, dass sich die Arbeit weiter so positiv entwickelt :D ,

liebe Grüße,
Babette
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Beitrag von Cat_85 »

Ganz toll geschrieben. Und das Video ist ja erstmal toll. Mal abgesehen von dem hübschen Hafi... du siehst gleich so koordiniert aus in dem Video. *staun* Und das Pferdchen läuft doch schon echt gut. :D
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

toll, DANKE!!!!!
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Soll ich euch noch ein wenig frustrieren? Das war das zweite Mal, das wir beide das gemacht hatten.
Liebe Grüße, Sabine

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Beitrag von Cat_85 »

Josatianma hat geschrieben:Soll ich euch noch ein wenig frustrieren? Das war das zweite Mal, das wir beide das gemacht hatten.
*heul* Du bist ja so fies! *heul*

Ne, ich finds ja toll, dass das bei euch so gut klappt. Das gibt Hoffnung, irgendwann schaffen wir das auch. :D
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

In der neuesten Cavallo ist übrigens ein sehr positiver Bericht über den Longenkurs drin.
Sea Breeze
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Beitrag von Sea Breeze »

Hallo Sabine,

wie oft hast du in den vier Testwochen mit Silverboy gearbeitet? Täglich? Und wie lange pro Arbeitseinheit?
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Hallo sea Breeze,

ich würde sagen im Schnitte habe ich drei bis viermal in der Woche mit Silver gearbeitet. Die Einheiten waren in der Regel etwa 20 Minuten bis maximal 30 Minuten. Immer wieder mit kurzen Pausen und Loben.
Liebe Grüße, Sabine

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Soldissa
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Beitrag von Soldissa »

Vielen lieben Dank für den Bericht. Durch den Artikel in der Cavallo bin ich schon ganz neugierig geworden und jetzt steht fest - sobald das Wetter besser und der Platz wieder nutzbar wird (hoffentlich sehr bald), werde ich den Longenkurs ordern.

Ein wunderschöner Hafi ist das und wie ruhig und hamonisch das aussieht. :D

L. G.

Andrea
Eisd ri eubh do mhian - Longing for Scotland

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Sea Breeze
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Beitrag von Sea Breeze »

Danke Sabine, das hört sich wirklich gut an. Schönes Ergebnis!
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