Unterschied Kandare Trense

Rund um die klassische Reitkunst

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sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Tess Ich glaube auch, dass man sich das Leben damit schwerer machen würde als nötig, wenn man nicht irgendwas nimmt, was dem Pferd die Biegung klar vermittelt.
Allerdings denke ich, dass man, sobald die Biegung "erklärt" worden ist, vermehrt auf Schenkelgehorsam und Gewichtshilfe Wert legen sollte und das Gebiss oder was auch immer man nutzt dann in den Hinterfrund treten kann. Das ist an sich ja nichts grundsätzlich neues oder anderes.
Liest man sich aber durch die Pferdeforen der Welt, scheint es aber so zu sein, dass sich die häufigsten Fragen zur Reiterei und der Ausbildung darum drehen, dass das Pferd nicht ans Gebiss rantritt, wieviel man in der Hand hat und dass man ein Problem mit Pferden hat, die sich einrollen, sich raushebeln oder sich sonstwie dem Gebiss entziehen.
Letztendlich kann man viele dieser Probleme dadurch lösen, dass man den Menschen weiter schult. Wenn man sich z.B. hier durch die Kursberichte liest,
wird auffallen, dass sehr häufig "Probleme" beim reiten durch eine Sitzkorrektur behoben werden. Meiner Meinung nach liegt das eben genau daran, dass der Mensch sich eben mit Körpergefühl und Gleichgewicht oft so schwer tut und dass er dazu neigt, alles mit der Hand zu machen. Beschränkt man den Menschen nun in seiner Möglichkeit des Einwirkens mit der Hand, muß er umlernen, oder er kommt nirgendwo an. Das wiederum würde meiner Meinung nach, dem Pferd zu Gute kommen.
Klar ist allerdings auch, dass das den Einstieg in die Reiterei für alle Reitanfänger verändern würde. Wenn ich mir aber betrachte, welche Ergebnisse erzielt werden, wenn man sich mit Centered Riding auseinander setzt oder sich anschaut, was aus den Bereitern und Pferden der Wiener Hofreitschule wird, dann kann ich mir das sehr gut vorstellen, wenn man den Fokus ein wenig von der Hand bzw. dem Gebiss weg in Richtung Sitz und Gewicht verschiebt. Für mich wäre das ein logischer Schritt, der im Sinen des Spruches "Reiten soll ein Duett und kein Duell sein" ist.

Warum sich einige Pferde scheinbar gar nicht auf Stangengebissen biegen, kann ich allerdings auch nicht erklären. Ich würde mal vermuten, dass es dafür viele Gründe geben kann und das ein nicht unerheblicher großer Teil der Gründe dafür darin besteht, dass die Pferde die Stange gar nicht erst kennenlernen. Aber das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Genau, wie es mir ein Geheimnis bleiben wird, warum nicht viel mehr Knebelgebisse im Einsatz sind. Ich persönlich finde diese Gebisse wunderbar logisch und eine tolle Hilfe, da sie eine klare Sprache sprechen.

Ich finde, dass das Stangengebiss hier nicht OT ist, denn es geht ja um die Unterschiede von Trense und Kandare. Dazu gehört auch der Anwendungszweck eines jeden Gebisses und die Wirkungsweise. Spätestens bei der Wirkungsweise muß man sich mit dem Thema Stange auseinandersetzen. Außerdem wird in annähernd jeder Diskussion um die Kandare immer darauf hingewiesen, dass Stangen scharf in ihrer Wirkung sind. Das die Schärfe der Kandare aber nur durch die Kinnkette zustande kommt, wird immer wieder unter den Tisch fallen gelassen und so hällt sich der Eindruck, dass die Stange die Ursache des Übels ist.
Ein weiterer Grund, warum das Stangengebiss nicht OT ist, ergibt sich für mich aus dem Unterschied zwischen einer blanken Kandare und einer Kandare mit Unterlegtrense. Das ist nämlich ein weiteres großes Diskussionsfeld.
Ich bekomme z.B. gerade mal ein Gebiss in die Schnute meines Pferdes. Sollte ich jemals beim Reiten auf Kandare angekommen sein, dann würde ich vor einem großen Problem stehen, wenn ich nicht die blanke Kandare wählen würde.
heike61 hat geschrieben:ziel der ausbildung ist es doch.---- mit dem sitz/schenkel jedes hinterbein in seiner bewegung zu steuern.........und dies möglichst so zu verfeinern, dass das gebiss lediglich einen begrenzenden rahmen (n.oben und vorne) setzt ---- reiten von Hinten nach Vorne................... dass es bis dahin ein weiter weg ist, will niemand bestreiten, ihn zu erreichen hängt jedoch auch davon ab, ob die ausbildung bzw. die hilfengebung ----- für das pferd logisch nachvollziehbar ist.
dazu braucht es wissen und solider grundkenntnisse, denn jede "Kunst" bedarf eines soliden handwerkes.
Ich stimme vollkommen überein, bin aber der Ansicht, dass das Pferd mit dieser Ausbildung weitaus schneller "fertig" ist, als der Mensch :wink:

Die Frage nach der Gebisslosenausbildung geht hier glaube ich zu weit und führt nur dahin, dass wir in eine Diskussion Pro/Kontra Gebiss schliddern. Darum geht es hier aber meiner Meinung nach gar nicht.
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Sinsa, Deine Ausführungen in Ehren, aber manche Aussagen von Dir sind leider nicht korrekt.

Generell wird zuviel auf die Kopfhaltung oder "Kopfprobleme" geschaut, da hast Du Recht, liest man immer wieder. ABER Probleme äussern sich großteils "in der Hand". Wobei das Problem nicht "vorne" zu korrigieren ist, sondern in der Hinterhand zu suchen ist und dort auch bei genügend Erfahrung gefunden wird.

Deine Aussage, dass eine Remonte seine Hanken ja schon beugen kann, somit kandarenreif wäre, ist nicht korrekt. Du hast leider meinen Beitrag nicht gelesen oder die Kernaussage nicht verstanden. Das junge, unausgebildete Pferd kann Talente wie zB eine elastische, geschmeidische, starke Hinterhand in die Ausbildung mitbringen, aber es geht darum, dass der Reiter ein Beugen der Hanken herbeiführen kann.

Pferde können ohne Reiter ziemlich alles, mit Reiter fängt man bei 0 an und versucht, gemeinsam den Level vom Pferd ohne Reiter zu erreichen und zu verfeinern.

Dafür gibt es die Ausbildungsskala, die eine grobe Form vorgibt, die dann dem jeweiligen Pferd angepasst werden muss.

Empfehlenswerte Literatur: "Von der Koppel zur Kapriole" von Seunig (sollte man mindestens 3 Mal lesen)
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Bernie Das von Geburt an Kandarenreife Pferd war ein Spässeken und bezog sich nicht wirklich auf Dich :wink:
Aber wo wir gerade dabei sind, wiederhole ich nochmal meine Frage an Dich: wie beugt denn nun die Kandare die Hanken? Oder anders gesagt: was ist alles erforderlich, um die Hanke zu beugen und welchen Teil davon bewirkt die Kandare?

Welche meiner Ausssagen sind denn Deiner Meinung nach falsch?
Und wie kommst Du darauf, dass ich "Gebissprobleme" "vorne" lösen will?
Habe ich mich da vielleicht zu unsauber ausgedrückt?
Ich gehe davon aus, dass wirkliche Gebissprobleme eher selten sind und es sich meistens eher um Reiterprobleme handelt, die sich als Gebissproblem zu äußern scheinen. Ich glaube wirklich, dass das schwierige an der Reiterei der Mensch und seine Koordination sind. Die Hände der Menschen sind eher grobmotorisch und daher finde ich eine Ausbildung, die zuviel Augenmerk auf die Einwirkung durch das Gebiss legt nicht optimal. Angenehmer wäre mir vom Grundgedanken eher, das jeweilige Gebiss nach den Anforderungen/Aufgaben auszusuchen.
Also z.B. eine Trense oder Kandare je nach Wunsch ob Zäumung oder Bäumung auf dem Programm steht und das ist ja nun ohnehin dass, worüber man sich einig ist. Uneinig ist man eher über den Zeitpunkt in der Ausbildung, zu dem man etwas einsetzt. Wenn man mit dem Zeitpunkt des Einsatzes variabel sein, verlangt das nach einer grundsätzlich etwas veränderten Ausbildung des Reiters, was wiederum ein "Weg von der Hand und hin zum Sitz" vorraussetzt. Denn das ein Grobmotoriker nicht an die Kandare gehört ist wohl allgemeiner Konsens.
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Sinsa, ich versuche, Deine Fragen zu beantworten...

Da Du auf ein Zitat von mir geantwortet hast und auch kein Smilie Deine Aussage bzgl. Hankenbug bei jungen Pferden begleitet hat, konnte ich Dein "Spässeken" nicht als solchen erkennen. Deshalb ist es wichtig, sich im www präzise auszudrücken, da ansonsten Missverständnisse vorprogrammiert sind.

Welche Deiner Aussagen mE nicht korrekt sind, habe ich im letzten Posting geschrieben.

Ich habe nicht geschrieben, dass DU "Gebissprobleme" (von denen habe ich auch nicht geschrieben, ich habe geschrieben, dass zuviel auf den "Kopf" geachtet wird, das eigentliche Problem aber in der Hinterhand zu suchen ist) "vorne" löst, dies war ein allgemeiner Satz, auf niemand Bestimmten gemünzt.

Die Kandarenreife des Reiters ist scheinbar klar, unklar ist die Kandarenreife des Pferdes.

Ich möchte Seunig zitieren, da ich mir nicht anmaße, dies besser erklären zu können:

Bekanntlich wirkt die Stange als Hebel der die Last (das geradegerichtete im erworbenenn Gleichgewicht befindliche Pferd), vom Angriffspunkt seiner Kraft (den Zügelringen der Anzüge) aus über Genick, Wirbelreihe, Kreuzbein, Hanken und Sprunggelenke bis zu den Fesselgelenken beherrschen will.

Ein reines Fortpflanzen der Kraft bis zu den Hufspitzen der Hinterbeine , also die ungehemmte Hebelwirkung, kann aber nur dann erfolgen, wenn Durchlässigkeit vorhanden, dh die Leitung nicht unterbrochen ist, somit die Kraft nirgends, weder nach vor- auf- ab- oder seitwärts entweichen, noch irgendwo stecken bleiben kann.

Damit erstere Bedingung erfüllt sei, muss das Pferd an den Zügel herangestreckt und geradegerichtet ... sein.

Der zweiten Bedingung wird entsprochen, wenn durch vorhergehende Trensenarbeit bereits ein reiterliches Gleichgewicht geschaffen ist, welches dem Pferd eine solche Haltung gegeben hat, dass der Anzug, die Kraft des Hebels, nicht in der Kreuzgegend stecken bleibt, sondern auf die durch Biegearbeit trag- und beugefähig gewordenen Hanken, die, vor die Senkrechte Hüftgelenk - Huf gegen den Schwerpunkt tretend, nicht widerstreben können, übergeht und so alle Gelenke der Hinterhand belasten kann.

Zitat Ende

Dieses Zitat sagt mE alles aus. Erst das durchlässige, geradegerichtete Pferd kann die Hilfen mit der Kandare korrekt umsetzen. Wie es aussieht, wenn die Kandare zur Ausbildung :shock: bei einem Pferd benutzt wird, ist sicher vielen bekannt. Die Wirkung der Kandare "bleibt im Lendenbereich stecken", die Pferde werden optisch beigezäumt, aber verlieren ihren Gang.

Wie gesagt, es gibt zu diesem Thema sehr gute Literatur, ich kann das Buch von Seunig nur jedem empfehlen.

Ansonsten schließe ich mich heike61 an, deren Beiträge ich unterschreiben würde. :wink:
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Dies hier war eine Frage, die keinen Smile beinhaltete:
sinsa hat geschrieben:Wie beugt denn die Kandare die Hanke? Oder anders gesagt: was ist alles erforderlich, um die Hanke zu beugen und welchen Teil davon bewirkt die Kandare?
Dies war Fiorellas Interpretation Deiner Aussage und hier sind dann smilies eingefügt.
Fiorella hat geschrieben:
aber in erster Linie geht es darum, ob man die Hanken schon aktiv beugen kann oder nicht, DANN macht eine Kandare Sinn, denn genau das ist ihre Aufgabe.
Das ist Bernies Zitat.

Ich lese es so, dass sie damit sagen will, eine Kandare macht Sinn, wenn das Pferd die Hanken schon beugen kann.....nicht umgekehrt.
und nun meine Antwort an Fiorella MIT smilies
sinsa hat geschrieben:
Fiorella hat geschrieben:Ich lese es so, dass sie damit sagen will, eine Kandare macht Sinn, wenn das Pferd die Hanken schon beugen kann.....nicht umgekehrt.
Aber streng genommen kann ein Pferd doch von Hause aus die Hanken beugen und ist somit grundsätzlich Kandarenreif :wink: :lol:
Daraus zu lesen, dass ich die Aussage mache, dass eine Remonte meines Erachtens nach die Kandarenreife tatsächlich hat, empfinde ich schon ein wenig sehr arglistig hineininterpretiert.

Daraus schließe ich mal ganz frech, dass es sich hier:
Bernie hat geschrieben:Da Du auf ein Zitat von mir geantwortet hast und auch kein Smilie Deine Aussage bzgl. Hankenbug bei jungen Pferden begleitet hat, konnte ich Dein "Spässeken" nicht als solchen erkennen. Deshalb ist es wichtig, sich im www präzise auszudrücken, da ansonsten Missverständnisse vorprogrammiert sind.
um ein Missverständnis handelt.

Nachdem nun hoffentlich klar ist, dass ich mir nicht anmaße zu postulieren, dass eine Remonte per se die Kandarenreife hat, möchte ich, da Du Dir die Mühe ja schon gemacht hast, Deine Zitate von Seuning dennoch mal ein wenig näher beleuchten und komme so zu den Schwierigkeiten der Interpretation von (alten) Texten.
Bekanntlich wirkt die Stange als Hebel der die Last (das geradegerichtete im erworbenenn Gleichgewicht befindliche Pferd), vom Angriffspunkt seiner Kraft (den Zügelringen der Anzüge) aus über Genick, Wirbelreihe, Kreuzbein, Hanken und Sprunggelenke bis zu den Fesselgelenken beherrschen will.
Hmm- Wenn das Pferd im Gleichgewicht ist, wozu dann der Hebel und warum muß ich dann die Last noch beherrschen? Die Stange liegt außerdem so im Pferd, dass sie rein technisch gesehen, nur schlecht vorstellbar etwas sein kann, dass als Hebel die Kraft beherrscht. Mal ab davon, ob es die Aufgabe eines Hebels überhaupt sein kann, Kraft zu beherrschen.
Ein reines Fortpflanzen der Kraft bis zu den Hufspitzen der Hinterbeine , also die ungehemmte Hebelwirkung, kann aber nur dann erfolgen, wenn Durchlässigkeit vorhanden, dh die Leitung nicht unterbrochen ist, somit die Kraft nirgends, weder nach vor- auf- ab- oder seitwärtsentweichen, noch irgendwo stecken bleiben kann.
Gut, dass Pferd soll also in der Lage sein, Kraft durch seinen Körper fließen zu lassen und nicht zu blockieren und vermutlich soll es auch so losgelassen sein, dass es Hilfen ohne sich zu wehren umsetzt. Danach aber wird es bei der Vorstellung von " sich fortpflanzender, ungehemmter Kraft bzw. Helbelwirkung " für einen Physiker vermutlich lustig, :lol:
Sollte eine Kraft nicht Arbeit verrichten? Nehmen wir also an, dass das Pferd Arbeit verrichttet - sprich das Pferd läuft geradeaus und trägt den Reiter.
Irgendwie will es mir erscheinen, dass man aus diesem Text leider keinen Versuchsaufbau logisch nachempfinden kann :kopfkratz:
Irgendwo wird vermutlich Energie ins Pferd gegeben, denn sonst könnte es nicht mittels Kraft eine Arbeit verrichten. die Arbeit an sich habe ich, mangels anderer Angaben, mal mit laufen und tragen definiert.
Nachdem nun eine Energie nicht verloren geht, sondern umgewandelt wird. kann man sich das Ergebnis ja mal versuchen vorzustellen.
Dummerweise sagt uns Seuning nichts zu dem Ergebnis, sondern nur, dass eine Kraft durch das Pferd bis zur Hufspitze gelangt und somit das Pferd läuft und trägt.
Der Rest bleibt mehr oder weniger unserer Phantasie überlassen.
Er beschreibt etwas, von dem wir vermutlich alle ein Bild vor Augen haben, dass aber mitnichten für alle gleich sein wird und das schon gar nicht mit Hilfe seiner Definition jemals wissenschaftlich belegt oder meßbar gemacht werden kann. Unklar bleibt für mich auch, was da nun genau die Kandare damit zu tun hat. Ich meine, dass Pferd kann das alles durchaus auch ohne Kandare.
So richtig kommen wir hier also einer Erklärung der Wirkungsweise der Kandare nicht näher. Schauen wir also, was Seuning als Grundvorraussetzungen für die "Kraftbeherrschung der Kandare" vorsieht.
Die erste Bedingung ist, dass sich das Pferd an die Zügel streckt und geradegerichtet ist. Ja, diese Begriffe kennen wir alle und wir alle wissen, dass ein gerades Pferd, das sich beständig an das Gebiss anlehnt, eher ein Ideal als ein Dauerzustand ist. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ist kaum ein Pferd je wirklich Kandarenreif, oder wir nehmen an, dass es sich um ein Pferd handeln soll, dass nicht mehr völlig schief, sondern eher gerade ist und sich schon über längere Zeit an die Hand anlehnt. Da sich das Pferd für die erste Bedingung an den Zügel strecken soll, ist es laut Seuning scheinbar vollkommen unerheblich, ob und mit welchem Gebiss ich es in diesen Zustand versetze.
Dies wird erst in der zweiten Bedingung genauer definiert, nämlich durch Trensenarbeit, die gemacht werden muß. Kein Wort hier von gebrochenen Trensen. Nur Trensenarbeit. Wie auch immer die aussehen soll, aber am Ende soll das Pferd sich so bewegen, dass Kraft über den Hebel durch das Pferd strömen kann.
Schwer zu sagen, wie das dem Pferd klar werden soll, wenn da nie ein Hebel vorher eingesetzt wurde. Entweder es ließt ein Buch, was es zu tun hat, oder wir gehen davon aus, dass damit gemeint ist, dass es gelernt hat sich mit reeler Aufrichtung selber zu tragen ohne dabei auf der Hand zu liegen.
Weitergehend wird es in der zweiten Bedingung so verschwurbelt, dass ich das nochmal komplett zitiere:
Der zweiten Bedingung wird entsprochen, wenn durch vorhergehende Trensenarbeit bereits ein reiterliches Gleichgewicht geschaffen ist, welches dem Pferd eine solche Haltung gegeben hat, dass der Anzug, die Kraft des Hebels, nicht in der Kreuzgegend stecken bleibt, sondern auf die durch Biegearbeit trag- und beugefähig gewordenen Hanken, die, vor die Senkrechte Hüftgelenk - Huf gegen den Schwerpunkt tretend, nicht widerstreben können, übergeht und so alle Gelenke der Hinterhand belasten kann.
Die Biegearbeit und die Tragkraft hattest Du ja schon hervorgehoben.
Ich hebe mal hervor, wie sich Seuning das Ergebnis dieser Arbeit nun genau vorstellt:
die durch Biegearbeit trag- und beugefähig gewordenen Hanken, die, vor die Senkrechte Hüftgelenk - Huf gegen den Schwerpunkt tretend, nicht widerstreben können, übergeht und so alle Gelenke der Hinterhand belasten kann.
Da endlich! Eine Aussage die wenig Interpretationsspielraum übrig läßt.
Man verbindet vom Hüftgelenk zum Huf. Kommt man nun mit der entstandenen Linie vor die Senkrechte, von der man annehmen kann, dass sie ein vom Hüfgelenk gefälltes Lot ist , ist die Bedingung erfüllt.
Na, das ist ja einfach! Hinterbein nach vorne gesetzt und schon hat man Hankenbeugung :shock:
Ok, Spaß beiseite. Man muß sich ja nicht blöder stellen, als man ist. Nehmen wir also an, dass ein Pferd, was sich zu biegen gelernt hat, in der Lage ist, mit der HH vermehrt Kraft aufzunehmen. Damit wäre es laut Seuning, dann Kandarenreif, wenn es die Losgelassenheit erreicht, sich biegen kann, nicht mehr völlig schief ist und ein Reiter draufsitzt, der nicht verhindert, das die Bewegungen des Pferdes behindert werden.

Meiner unmaßgeblichen Meinung nach, sind diese Bedingungen in den Anfängen relativ schnell erreicht. Über die Qualität dieses Zustandes wird hier nicht sehr viel geäußert und nichts davon besagt, ob und wie lange man dann die Kandare einsetzten kann, darf, muß oder soll. Es sagt ja nichtmal etwas darüber aus, was der Einsatz der Kandare denn dann bewirken soll, außer dass eine eher ominöse Kraft durchs Pferd schwirrt, die mittels Kandare beherrscht werden soll oder muß. Denn erarbeitet wird diese Kraft ja eigentlich laut Seuning vorher durch die Trensenarbeit. Entsteht also bei der Trensenarbeit eine Kraft? Und wenn ja, was macht diese Kraft, dass sie beherrscht werden muß? Was läuft da so falsch, dass es dazu kommt, dass man sie überhaupt beherrschen muß?
Hier läßt uns Seuning im Regen stehen. Interpretiert man seinen Text so, dass das Pferd, mit Hilfe der Arbeit mit Trense, die Grundschule eines Reitpferdes beherrscht, losgelassen mit dem Reiter schon geradeaus mit Reiter im Gleichgewicht laufen kann. Kann man davon ausgehen, dass das Pferd mehr Muskeln aufgebaut hat und nun eine Kandare eingesetzt werden kann oder soll, um (diese) Kraft zu beherrschen.


...... :kopfkratz: ......

Ups! Das klingt nun dummerweise so, als hätte man nun ein Pferd, bei dem man ohne Kandare womöglich alle Hände voll zu tun hat, um die Kräfte die man schuf, im Zaum zu halten. Das muß ein Irrtum sein :lol:


Ehrlich, ich finde diese alten Texte aus heutiger Sicht und mit meinem rudimentärem Wissen der damaligen Zeit, zum einen nervtötend merkwürdig formuliert und zum anderen bieten sie kaum wirklich nachvollziehbare Ansätze, die einem helfen, reale Vorgänge auch zu verstehen.
Ich habe ja keine Ahnung, wann Seuning so gelebt hat, aber ich schätze, dass zu seiner Zeit, die wissenschaftlichen Begriffe und Vorstellungen doch noch etwas anders mit Leben gefüllt waren, als heute.
Sie lassen einfach zu viel Interpretationsspielraum, als dass ich das nun als wirklich sinnvolle oder geschweige denn alleingültige Interpretation für Kandarenreife ansehe. Nichtmal die Hankenbeugung wird in diesem Text definiert, so dass man mit seiner Senkrechten auch so einige Dinge anfangen kann, die womöglich nicht im Sinne des Erfinders lagen.
Wenn ich mir nun andere Reitweisen und auch einige Klassiker, wie z.B. Branderup vor Augen halte, dann komme ich sogar zu dem Schluß, dass auch diese so einiges anders sehen könnten, als Seuning und das es daher sehr viel mehr Interpretationsspielraum für den Begriff Kandarenreife gibt.
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Sinsa, der gute Mann heißt Seunig. Und war eine Koriphähe auf diesem Gebiet. Das Buch beinhaltet weit mehr als diese zwei Absätze (Kandarenreife des Pferdes beinhaltet zB ein ganzes Kapitel, das gesamte Buch hat ca. 400 Seiten), deshalb mein Tipp, das gesamte Buch zu lesen. Und Du irrst, Bent Branderup hält sehr viel von Seunig, es ist für ihn ein - wenn nicht sogar das - bedeutendes Buch. Am besten wäre natürlich, wenn man Herrn Branderup um seine Meinung bitten würde.

Leichter verdauliche Kost wäre das Kandarenbuch von BB, ev. findest Du dort mehr?

Deine Ausführungen erschließen sich mir leider nicht wirklich, deshalb kann ich dazu wenig beitragen.

Eins vielleicht noch: ich habe in Deine Beiträge nichts arglistig :shock: hineininterpretiert. Dieses Niveau entspricht nicht meinem, deshalb habe ich Deiner Aussage nichts hinzuzufügen.
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Mea Culpa! Ein N im Namen zuviel.

Mag sein, das Seunig eine Koryphäe war, aber mit logisch nachvollziehbaren Abläufen und Erklärungen hatte er es scheinbar nicht so, wenn man von Deinem Zitat ausgeht.

Lesen oder kommentieren mußt Du meinen Beitrag natürlich nicht.
Das ist vermutlich eh für Dich nicht zielführend, da Du für Dich Seunig als Maßstab nimmst, während ich noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen bin und eher nach einer Erklärung in Richtung Biomechanik suche, um die Frage nach Sinn und Zweck einer Kandare und der Kandarenreife zu gelangen. Sein Buch mag sicherlich interessant sein, ist aber, so wie es scheint, für mich in diesem Fall irrelevant.
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

sinsa hat geschrieben:Die Hände der Menschen sind eher grobmotorisch
Mit dieser Aussage kann ich nicht leben...
Unsere ganze Entwicklungsgeschichte basiert darauf, dass der Mensch gelernt hat seine Hände zu benutzen, Werkzeuge herzustellen, Handarbeiten zu verrichten. Handschriftliches schreiben zum Beispiel empfinde ich nicht als Grobmotorik. Es gibt kaum ein anderes Lebewesen, dass seine Vordergliedmaßen so effektiv und vielfältig einsetzen kann wie wir.

Das Problem liegt meiner Meinung nach eher darin, dass wir so gut und so viel mit unseren Händen umgehen und deshalb versuchen alle Probleme mit ihnen zu lösen. Leider klappt das auf dem Pferd nicht, da hier gerade unser Gewicht als Gewichtshilfen das Tier sehr stark beeinflussen. Also stimm ich dem zu, weg von den Händen und hin zu mehr Gleichgewicht und Koordination.
Obwohl man auch da sagen muss, das wir bei Gleichgewicht und Koordination nicht so schlecht sein können, sonst könnten wir kaum auf zwei Beinen laufen. Nur für die Kommunikation auf und mit dem Pferd reichen diese Fähigkeiten dann eben nicht mehr.
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Cat Mit Deinen Aussagen kann ich gut leben. Ich habe empfinde das nicht viel anders. Der Mensch kann mit den Fingern Unterschiede im Mikrometerberich fühlen. Dennoch braucht man sehr lange, um z.B. die Finger so zu koordinieren, dass man Gitarre oder Geige spielen kann. Sicher spielen da dann auch noch ganz andere Sachen mit rein, dass man sich da oftmals so schwer tut.
tamiro
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Beitrag von tamiro »

Hallo!

Ist ja recht theoretisch, ein Buch zu zitieren.
Ich reite meine Stute eigentlich recht häufig mit Kandare. Blank einhändig natürlich, manchmal auch zweihändig mit Unterlegtrense. Manchmal auch mit Trense und Kappzaum. Je nachdem, woran wir gerade arbeiten.

Warum? Einerseits habe ich die Erfahrung gemacht, daß manche Pferde die Kandare einfach lieber mögen, da sie ruhiger im Maul liegt, andererseits ist ja auch das Reiten zweihändig mit Unterlegtrense in der Ausbildung früher ja nur ein Zwischenstadium gewesen auf dem Weg zur Einhändigkeit.

Und warum reite ich nun einhändig auf Kandare? Weil, und das ist in meinen Augen Blödsinn zu behaupten, man sollte ein hoch ausgebildetes Pferd alles auf Trense reiten zu können, die Kandare den großen Vorteil hat, einerseits lösend einzuwirken (durch den Hebel), andererseits die Stange die Möglichkeit bietet, die Schultern durch die Zügel zu führen (siehe Westernreiterei). Eine Trense wirkt eher aufrichtend (einhändig), da keine Hebel, und stärkere Wirkung auf Laden und Maulwinkel.
Natürlich muß ein Pferd zuerst gelernt haben, was eine lösende Hilfe überhaupt ist, denn einfach die Kandare einschnallen hilft nicht. Idealerweise (wie ja schon vorher geschrieben) hat es das bereits durch die Trensenarbeit gelernt, auf minimalste Hilfen im Genick nachzugeben und va zu suchen.
Die Kandare in Reinform bedeutet also noch mal eine Verfeinerung der Arbeit. Niemand muß mit Kandare reiten. Und die meisten sollten es auch besser lassen. In meinen Augen ist die Kandarenreife bei den meisten Pferden schon viel früher gegeben als bei den zugehörigen Reitern!
:twisted:


Vielleicht sollte die Kandare, wenn man nichtmal weiß wozu man sie benutzt, auch einfach gar nicht benutzt werden. Da gehts gar nicht drum, ob ein Pferd reif ist, oder nicht. Ausgenommen sind natürlich Pferde, die man sonst nicht mehr kontrollieren könnte, in gewissen Situationen!

Ich will niemanden angreifen, aber ich denke, es wird hier nach einer Antwort gesucht, die es so einfach nicht gibt. Es ist einfach schön, mit leisesten Hilfen ein Pferd einhändig zu führen. Und die Kandare wirkt hauptsächlich va lösend, die Trense hat den großen Vorteil, daß man besser einseitig einwirken kann. Kann sich also ein Pferd nicht gleichzeitig biegen und aber auch geradeaus gehen, streckt sich nicht va, bleibt nicht locker, wenn man die Zügel annimmt zum lösen, reagiert schlecht oder gar nicht auf den seitwärts treibenden Schenkel, kann vielleicht überhaupt die Hilfen nicht richtig auseinander halten, dann ist es definitiv nicht Kandarenreif, denn der Reiter konnte ihm das noch nicht beibringen, ist also auch selber noch nicht so weit.

Früher durften die Schüler von bekannten Reitmeistern eher die Kandarenzügel angreifen, als die Trensenzügel. Dies sind eben zwei so völlig unterschiedliche Ausbildungsinstrumente, die völlig unterschiedlich Nutzen können, und eben auch schaden. Man sollte auf jeden Fall die Trense auch nicht unterschätzen, und viele täten gut daran, sich mit deren Wirkung besser auseinanderzusetzen. (Ist jetzt alles auf die Allgemeinheit bezogen, ich weiß, daß hier gute Reiter unterwegs sind.)

Ich will auch die Diskussion nicht zerstören, aber erlebe es eben meistens, daß nur diejenigen die Kandare meistens völlig ablehnen, die selber reiterlich noch nicht so weit sind. Ist ja auch richtig. Aber sie ist kein "Wunderwerkzeug" wodurch sich jedes Pferd sofort versammeln lässt, sie ist aber auch nicht das Marterinstrument, für das sie viele sehen, wenn man als Reiter das richtige Gefühl dafür entwickelt hat. Und um ein Gefühl zu entwickeln, muß man sie dem Pferd auch mal ins Maul stecken. Mit Sicherheit gibt man das eine oder andere Mal eine Parade, die zu stark ist, aber daran arbeiten wir doch alle, besser zu werden, sonst würden sich hier nicht so viele Leute so viele Gedanken um ihre Pferde machen.


liebe Grüße, Sandra
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Beitrag von sinsa »

@tamiro Wenn man sich aber nicht auf die Suche nach der Antwort macht, wird man nicht wirklich verstehen oder begreifen. Wenn man nichts versteht, ist die Gefahr sehr groß, dass man schlußendlich dann falsch mit dem Werkzeug umgeht.
Die einen nutzen das Werkzeug dann nie, weil man das "nicht darf" und die anderen nehmen es um zu bremsen.
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Beitrag von Josatianma »

heike61 hat geschrieben:z.b. pferd ist im v/a --- da ist die Wirkung der kandare kontraproduktiv, da sich bei ihrem einsatz das tier nur aufrollen würde bzw. zu tief kommt.
Ich finde die Wirkung der Kandare für ein Pferd im v/a nicht kontraproduktiv. Zumindest kann ich von meinem Pferd klar sagen, daß es sich nicht einrollt bzw. zu tief kommt. Ich kann mein Pferd über die Kandare wundervoll dehnen und über die Trense aufrichten. Ich reite mit Fillis-Führung.

@sinsa: Warum sollten deine Ausführungen über die Stange eigentlich Off-Topic sein? Habe ich überlesen, daß das angemäkelt wurde? Ich finde den Austausch in diesem Thread zur Zeit sehr lesenswert und dazu gehören auch die Ausführungen zur Stange.
aber ich denke, es wird hier nach einer Antwort gesucht, die es so einfach nicht gibt.
Wird hier eine unbedingte Antwort gesucht? Ich denke nicht, denn die wirst du nie bekommen, da die Einstellungen sehr unterschiedlich sind.
Liebe Grüße, Sabine

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"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
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Beitrag von sinsa »

@Josatianma Es war Tess, die befürchtete, dass ihr Beitrag zur Stange OT sei. Ich denke auch, dass es für diese Diskussion sinnvoll ist alle Gebisse mit ihren Vor- und Nachteilen zu betrachten, weiß aber auch, dass es eben oft umstritten ist, wenn man sagt, dass man mit dem oder dem Gebiss reitet, obwohl man sie im allgemeinen für schlecht oder scharf erachtet.
Ich bin ja eine derjenigen, die mit einer eigentlich völlig unmöglichen Zäumung unterwegs ist. Mir ist es selber sehr schwer gefallen, das so zu akzeptieren und ich habe dann viel und lange nachgedacht und überprüft, ehe ich mit dieser Lösung im Reinen war.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Ich denke auch, dass es für diese Diskussion sinnvoll ist alle Gebisse mit ihren Vor- und Nachteilen zu betrachten
ohne Quatsch, vielleicht sollte man mal weg aus dem "Pferdebereich" und jemanden wie Stiftung Warentest auf so ein Gebiet ansetzen, damit man mal einen rein technisch-mechanischen-sachlichen Bericht mit zum Einbeziehen in diese Thematik hätte.
Tests: Einwirkung = Ergebnis
Unterschiede dabei des Pferdemauls zu beachten usw.
Natürlich weiß ich auch, dass das rein sachlich ist und NATÜRLICH dann noch Reitereinfluss und Ausbildungsgrad und Gesundheitszustand des Pferdes danach mit einfließen müssen, um ein ganzheitliches Ergebnis zu bekommen.
Und dann stellt sich immer noch die Frage: in welchem Reitbereich beginnt die "Kandarenreife“ oder ein sinnvoller Einsatz! Springkandare wird ja fast als selbstverständlich angesehen... in einigen Bereichen der Reiterei scheinbar auch. Bei der FN wird sie auch ab einem bestimmten Level vorausgesetzt. Also wer öffentlich unterwegs ist- sei es auch "nur" auf Hausturnieren kann schon in den Zwang kommen, sich mit der Kandare und ihrem Einsatz auseinandersetzen zu müssen. Oder?
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Da ich heute etwas Zeit hatte, habe ich einige Zitate zur Zäumung bzw. zur Kandare gesammelt.

La Guerinière
"Herr de la Broue, und nach ihm der Herzog von Newcastle sagen: zu einer guten Hand wird erfordert, dass sie leicht, weich und stäte seye. Diese Vollkommenheit hängt aber nicht allein von der Verrichtung der Hand, sondern auch von dem Sitz des Reiters ab: denn ist der Körper wankend, oder in Unordnung, so kommt die Hand aus der Stellung, in der sie seyn muss, und der Reiter ist mit nichts als mit seiner Haltung beschäftigt; nebst dem müssen auch die Schenkel mit der Hand übereinstimmen, weil sonsten die Wirkung der Hand niemals genau seyn würde. Man nennt dieses in der Kunstsprache, mit Hand und Schenkel übereinstimmen (accorder la main et les talons), welches die Vollkommenheit von allen Hülfen ist."
(Aus dem Kapitel von der Zügelhand und ihren Wirkungen, übersetzt von Knoell)

Steinbrecht, Gymnasium, im Abschnitt über die verhaltenden Hilfen
"Wenn beim Reiten gewöhnlich nur von einer Zügelhand gesprochen wird, so ist damit natürlich die linke Hand gemeint, die die Kandaren-, also die Hauptzügel führt. Die Führung des Pferdes mit der linken Hand allein setzt aber ein vollkommen durchgearbeitetes Pferd voraus, das der Kandare allein Folge zu leisten vermag. Da die alten Meister Zeit und Mittel zu so gründlicher Arbeit hatten, kannten sie als Zäumung des gerittenen Pferdes nur die Kandare mit ihren beiden Zügeln, die sie mit dem kleinen Finger teilten. Zur vorbereitenden Bearbeitung des rohen Pferdes bedienten sie sich des Kappzaumes. Wir Heutigen haben dadurch, dass wir unserm Kandarenzaum ein für allemal die Unterlegtrense mit ihren beiden Zügeln beifügten, von vornherein eingestanden, dass wir unsere Pferde nicht in solcher Vollendung ausbilden wollen oder können, um sie mit den Kandarenzügeln in der linken Hand allein unter allen Umständen beherrschen zu können. Gestehen wir dies aber ein, so verlangen wir geradezu Verkehrtes, wenn wir unsere nur kampagnemässig gerittenen Pferde streng durch dieselben Handbewegungen führen wollen, wie jene ihre Schulpferde. Entsprechend unserer anders gearteten Zäumung und vor allem der unvollkommeneren Richtung unserer Pferde müssen wir auch die Hilfen der Hand einrichten, ebenso wie wir unseren Sitz der veränderten Form unserer heutigen Pferde und dem englischen Sattel anzupassen haben."

Udo Bürger, Vollendete Reitkunst, im Abschnitt Das Maul
"Für unsere Betrachtungen möchten wir unterscheiden zwischen stabilen Gebissen mit Präzisionswirkung und gebrochenen Gebissen mit veränderlicher Lage und deshalb ungenauer und unkontrollierbarer Wirkung. Die stabilen Stangengebisse liegen, wenn sie richtig verpasst sind, absolut ruhig im Maul. Ob sie in ihrer Wirkung scharf oder nicht scharf sind, liegt in der Hand des Reiters, aber nicht an der Konstruktion des Gebisses. Das Pferd kann eine Stange flach auf der losgelassenen Zunge tragen, ohne dass die Stange auf die Laden drückt. Wenn die Reiterhand in Millimeterausmassen annehmen, aushalten und nachgeben kann, dann ist die Stange das weichste, feinfühligste Gebiss der Welt. Das Gefühl kann für den Reiter so fein werden, dass er das Flachwerden der sich loslassenden Zunge in der Hand spürt.
Die gebrochenen und gelenkigen Gebisse dagegen knicken über der Zunge winklig ab, klemmen damit den Unterkiefer im Bereich der Laden seitlich ein und rutschen auf den Laden. Weil sie im Gegensatz zur Stange mit Kinnkette nicht stet und zwingend am Unterkiefer anfassen, muss der Reiter sie mit List oder Gewalt betätigen, zumal das Pferd Widerstand leisten und dagegengehen kann. So kehren sich die Begriffe um. Die als scharf angesprochene Zäumung mit Kinnkette hat die präziseste Wirkung und ist deshalb für das Pferd am leichtesten verständlich und in der guten Hand die weichste, schonendste und wirksamste Zäumung. Die als weich bezeichneten gebrochenen Gebisse dagegen sind in ihrer Wirkung auf das Maul nicht präzise, können vom Pferd nicht so leicht verstanden werden und fordern den Reiter zu robuster Handhabung der Zügel heraus. Die Stange ist das Gebiss für feinfühlige Finger, die Trense das Mundstück für Fäuste. Die Stange verlangt die stets zum Nachgeben bereite Hand aus dem gefestigten Sitz und bestraft à tempo Fehler gegen die Bewegung. An den Trensenzügeln kann man gymnastische Übungen grossen Ausmasses, auch Klimmzüge machen, ohne das Pferd im wesentlichen so zu stören, dass es verzweifelt kämpft.
(...) Die Massenkavallerieheere, die als leicht bewegliche, lebende Walze schlachtentscheidend waren, verlangten eine Zäumung, mt der auch harte Bauernfäuste umgehen konnten. (...) Aber wir sollten nie vergessen, dass die Einführung der Trense eine Notwendigkeit war für Rekrutenfäuste, und wir sollten uns darüber wundern, dass so wenige von uns den Sprung über die Trense hinaus zum Stangengebiss wagen. Denn erst mit diesem Entschluss, sich dem Reiten auf Kandare zu widmen, bringt man vor sich selber die Absicht zum Ausdruck, dass man endgültig auf das Ziehen am Zügel verzichten will.
(...)
Das Reiten auf blanker Stange mit losgelassener Trense setzt in praxi die Selbsthaltung des Pferdes und den voll entwickelten Schwung voraus. Ohne diese Voraussetzung kann man immer nur wenige Minuten lavieren, dann stellt sich das Pferd zu tief ein. Das Lenken mit den Zügeln ist bei Pferden, die sicher an der Zäumung und an den Hilfen stehen, mindestens überflüssig, wenn nicht fehlerhaft. Der Beginn der Wendung wird angedeutet durch eine gerade Parade auf den inneren Hinterfuss - in Contrestellung auf den äusseren - und dann wird die Wendung selbst nur mit der Drehung des Oberkörpers durchgeführt. Die Vorbedingung ist, dass das Pferd gerade am Gebiss steht und überhaupt geradegerichtet ist."

Definition der Kandarenreife im Handbuch Pferdesport, Sportverlag Berlin 1976 S. 338 (in diesem DDR-Buch wird die Skala interessanterweise nicht erwähnt)
"Das erste Aufzäumen auf Kandare muss durch gute Trensenarbeit vorbereitet sein. Das Pferd muss sich an den Zügel heranstrecken und geradegerichtet sein. Es soll die Fähigkeit und Bereitschaft besitzen, auf vortreibende, verhaltende und seitwärtstreibende Hilfen einzugehen (Durchlässigkeit). Trifft diese Voraussetzung bei entschlossenem, schwungvollem Vorwärtsgehen in steter Anlehnung und sicherem Gehorsam zu, ist das Pferd kandarenreif."

Stahlecker, Das motivierte Dressurpferd, im Abschnitt über die Kandare
"Sinn der Stange ist die Bestimmung des Masses der Beizäumung, wobei die Auflagedrücke auf Zunge und Laden möglichst gering sein sollen. Die Stange setzt eine Grenze. Diese muss sicher, weich, ruhig und beidseitig gleich sein, damit das Pferd sich vertrauensvoll auf sie einstellen kann. Es lernt bei korrekter Zügelführung, diese Grenze zu achten, ohne gegen sie zu drücken. Eine hohe, über ca. 300 g hinausgehende Spannung der Kandarenzügel darf es dauerhaft niemals geben."

Marie Symbill, Reiten ist ganz leicht, Abschnitt Gebisswahl
"Die Trense ist der direkte Weg ins Pferdemaul. Die kleinste Handbewegung wird 1:1 in ungebrochener Linie direkt ins Pferdemaul übertragen. Oft wird auf Trense mit starker Anlehnung geritten, da man glaubt, mit der 'weichen' Trense nicht schaden zu können. (...)
Beim Reiten auf Kandare mit Unterlegtrense kombiniert man die Wirkung beider Gebisse. Der Kandaren-Zügel (...) wirkt zuerst ausserhalb des Maules, beispielsweise durch 'Klingeln' am Zügel. Nimmt man den Zügel weiter an, bewegt sich der Unterbaum zurück. Durch die nun anliegende Kinnkette bekommt das Pferd Druck auf Unterkiefer und Zunge und der Oberbaum überträgt jetzt das Drehmoment auf den Backenriemen. Somit bekommt das Pferd auch Druck auf das Genick, was es von der Bodenarbeit noch kennt.
Hat das Pferd diese Wirkung verstanden, streckt es sich am Trensenzügel vorwärts-abwärts, 'trifft' dort auf die Kandare und stösst sich an ihr ab: Das Pferd trägt sich selber. (...)
Nicht auf Kandare reiten zu wollen, weil man eine unruhige Hand hat, ist keine Ausrede: mit unruhiger Hand darf man überhaupt kein Gebissstück anfassen!
Reitet man auf Kappzaum mit Kandare, erkennt das Pferd die Zügelhilfe auf der Nase von der Bodenarbeit wieder. Die Hilfen werden weiterhin über die Nase gegeben und der durchhängende Kandarenzügel 'klingelt' mit. Mehr soll er später auch nicht einwirken. Das Pferd kann seine gesamte Ausbildung hindurch so gezäumt geritten werden.
Das Reiten auf 'blanke' Kandare setzt einen entsprechend hohen Ausbildungsstand von Pferd und Reiter voraus: das Pferd muss am äusseren Zügel gehen und sich selber tragen, der Reiter muss seine Hand absolut unabhängig vom Sitz still halten können. Eine Kandare darf nicht helfen, das Pferd leichter an den Zügel zu bekommen, das Pferd zu halten oder eine 'schöne' Halsung zu erzwingen."

Tanja Xezal
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
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